Liebe Leserin, lieber Leser,
stellen
Sie sich vor, Sie haben ein Ikea-Regal gekauft, ein Billy oder Ivar.
Sie bringen die Kisten in ihr Wohnzimmer, schneiden sie auf, fischen
die schwarz-weiße Bauanleitung aus der Pappe und den Inbusschlüssel
aus dem Tütchen und schrauben los. Nach einiger Zeit aber, sagen wir
nach der Hälfte des Werks, hören Sie aus irgendwelchen Gründen
auf. Obwohl Sie dachten, ich komm gleich wieder, wird daraus eine
ganze Weile, das halb fertige Möbel steht derweil vorwurfsvoll
herum. Zwei Jahre später nimmt sich jemand des Regals an und will es
fertig bauen.
Ich
stelle mir das anstrengend vor. Die Fertigbauerin wird wohl als
Erstes die Anleitung suchen müssen, dann alle benötigten Schrauben
und Bretter, dann würde sie sicherlich kontrollieren müssen, ob das
Regal irgendwo morsch oder windschief geworden ist oder die Mäuse
eingezogen sind, und wenn sie Pech hat, findet sie den Inbusschlüssel
nicht, Ikea stellt diesen Typ aber gar nicht mehr her, und es
gibt inzwischen eine neue EU-Richtlinie zur Maximalhöhe von Regalen
in Wohnräumen, so dass sie das Ding noch absägen muss.
Und
jetzt möchte ich gerne Ihre Aufmerksamkeit auf den Elbtower lenken.
Sie verstehen mich.
Heute
will der Senat beschließen, ob er weiter mit dem Investor Dieter
Becken und dem Konsortium verhandelt, das den derzeit hundert Meter hohen
Elbtower-Rumpf (mit unter anderem 595 Millionen Euro aus öffentlichen
Mitteln) kaufen und fertig
bauen will. Anfang 2026 soll dann die Bürgerschaft eine
Kosten-Nutzen-Analyse bekommen und auf dieser Grundlage über das
Vorhaben abstimmen, in den unteren Stockwerken des Turms ein
Naturkundemuseum einzurichten. Wird allem entsprechend zugestimmt und sind
irgendwann alle Unterschriften unter den noch auszuhandelnden
Verträgen gesetzt, können wieder Bauarbeiter in den Elbtower.
© ZON
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Und
dann wünsche ich Herrn Becken und all den Bauleitern,
Ingenieurinnen, Fliesenlegern, Elektrikern und allen anderen
Beteiligten von Herzen alles Gute und viel Erfolg beim Suchen und
Neubestellen der passenden Bauteile, beim Überprüfen von Gesetzen
und Kontrollieren von Schäden. Nachdem die
Gesellschaft der Berliner Flughäfen den Generalplaner für den neuen
Flughafen BER rauswarf,
verglichen manche die folgenden Arbeiten mit jenen in einer
archäologischen Grabungsstätte.
Aber
so weit muss es natürlich nicht kommen (schon gar nicht, wenn die
bisher am Bau beteiligten Unternehmen wieder mit dabei sind), und
außerdem hat es in der Geschichte der Bauunterbrechungen schon weit
wildere Fälle gegeben. Das Ryugyŏng-Hotel in Nordkorea zum Beispiel
stand 16 Jahre lang als Rohbau herum, bis man es schließlich doch
fertig bekam. Heute ragt die 330 Meter hohe Glaspyramide hoch in den
Himmel Pjöngjangs.
Nur ist sie innen weitgehend ungenutzt.
Ich
wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Ihre
Maria Rossbauer
PS:
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würden Sie etwa gerne mehr lesen, welche hingegen könnte man gut
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WAS HEUTE WICHTIG IST
Der
Radfahrer, der am Freitag in Langenhorn mit einem Auto
zusammengestoßen war, ist im Krankenhaus
an seinen schweren Verletzungen gestorben.
Der 56-Jährige war ersten Erkenntnissen der Polizei zufolge mit
seinem Fahrrad nahe der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein trotz
Rotphase der Ampel an einer Einmündung auf die Straße gefahren.
Dort kam es zum Zusammenstoß mit dem Auto eines 37-jährigen
Fahrers. Die Ermittlungen zum Unfall dauern an, die Polizei sucht
weiter nach Zeugen.
© Marcus Brandt/dpa
In
Hamburgs öffentlichen Verkehrsmitteln sind im dritten Quartal knapp
53.700 Schwarzfahrer erwischt
worden. Fast 11.400 von ihnen konnten zwar laut einer Antwort des
Senats auf eine Kleine Anfrage der CDU-Opposition nachträglich einen
Fahrschein vorlegen. Dennoch seien im dritten Quartal knapp sieben
Prozent mehr Schwarzfahrer ertappt worden als im Vorjahreszeitraum.
Den durch Schwarzfahren entstandenen Schaden bezifferte der Senat auf
Basis einer groben Hochrechnung für das erste Halbjahr auf etwa 16
Millionen Euro – rund 1,4 Millionen Euro mehr als im
Vorjahreszeitraum. Die CDU fordert nun strengere Maßnahmen gegen das
Fahren ohne Ticket.
Heute beginnt in
Hamburg die Wasserstoff-Messe Hydrogen Technology World Expo.
20.000 Besucherinnen und Besucher werden zu dieser internationalen
Fachmesse, die die Hamburger Wirtschaftsbehörde als „Welt-Leitmesse“
bezeichnet, erwartet. Unternehmen und Forschungseinrichtungen präsentieren hier neueste Produkte und Innovationen rund
um die Wasserstoff-Technologie. Grüner Wasserstoff gilt als
Hoffnungsträger der Energiewende. Die Hydrogen Technology
World Expo geht bis Donnerstag.
In aller Kürze
• Gestern hat ein
Mann den Transporter eines Paketdienstes geklaut und war damit durch
die Innenstadt der
Polizei davongefahren.
Am Gänsemarkt kollidierte er mit einem Linienbus, wobei mehrere
Fahrgäste verletzt wurden. Der Mann wollte danach zu Fuß fliehen,
doch die Beamten stoppten ihn und nahmen ihn fest •
Schleswig-Holsteins
Umweltminister bat laut Hamburger
Abendblatt in
einem Brief an die Hamburger Wirtschaftssenatorin, den Schlick
aus
dem Hamburger Hafen nicht mehr in der Elbmündung am Neuen
Lüchtergrund
– also direkt am Weltnaturerbe Wattenmeer – zu verklappen. Das
schadstoffbelastete
Baggergut schade der Umwelt, der Fischerei und dem Tourismus. Die
Hamburger Wirtschaftsbehörde entgegnete, der Neue Lüchtergrund sei
laut der Bundesanstalt für Gewässerschutz für Baggergut geeignet •
Heute bleibt der Himmel laut Deutschem Wetterdienst stark
bewölkt mit
Schauern und Temperaturen um die 16 Grad
THEMA DES TAGES
© Museum der Arbeit/ SAGA Unternehmensgruppe
„Dann kam der Aufstand in Ottensen. Wie wunderbar!“
Vor
50 Jahren wollte das ZEITmagazin einen Straßenzug in Ottensen retten
– und gleichzeitig den Städtebau revolutionieren. Was
daraus wurde, schaute sich ZEIT:Hamburg-Autorin Anne Backhaus an.
Lesen Sie hier einen Auszug aus ihrem Artikel:
Ein
kahler Hinterhof, umringt von grauen Häusern. An einer roten
Wäscheleine hängen weiße Laken und Schlüpfer. In der Mitte des
Hofs steht ein zweistöckiger Bau, daneben ein alter Schuppen. Es ist
eine heruntergekommene Wohngegend, die da auf dem Titel des
ZEITmagazins von 1975 zu sehen ist. Darunter steht in roter Schrift:
„Unternehmen Mottenburg – Das ZEITmagazin hilft, ein altes
Wohnviertel wieder flottzumachen.“ Die Redaktion wollte damals nicht
weniger, als einen Teil von Hamburg zu erhalten – und nebenbei den
Städtebau zu revolutionieren. Wie es dazu kam? Und was aus der Idee
geworden ist? Dafür ist erst mal wichtig zu wissen, wie es damals um
den Stadtteil auf der Titelseite stand. Um Ottensen.
„Mottenburg“
– der Begriff ist eine alte Bezeichnung für Lebensbedingungen, wie
sie vor etwa 150 Jahren in Ottensen herrschten. Lange war das Viertel
ein Industriestandort gewesen, hier lebten Zigarrendreher und
Glasbläser. Sie wurden damals im Schnitt nicht viel älter als 35 –
wegen schlechter Wohnverhältnisse und der Berufskrankheit
Tuberkulose, umgangssprachlich als „die Motten“ bezeichnet. Sie
frisst Löcher in die Lunge wie die Tiere in Wollpullis.
Auf
den ersten Seiten des ZEITmagazins sind Schwarz-Weiß-Fotos von
Menschen in ihren Wohnungen zu sehen. Das Ehepaar Borchers etwa,
dessen Hauswirt seit 45 Jahren nicht renoviert hat. Herr Iliopulos,
der 3.000 Mark in seine Wohnung investierte. Hermine Jürgens auf dem
Sofa in der Wohnung, in der sie geboren wurde und ihre Töchter zur
Welt gebracht hat. All diese Menschen einte ein Thema: die Zukunft
von Ottensen.
Auch
Studenten, Rentner und Arbeiter, viele aus Griechenland und der
Türkei, lebten damals in Ottensen. Entweder weil sie nie woanders
gelebt hatten oder weil sie es sich woanders nicht leisten konnten.
Anfang der Siebzigerjahre sollten sie und die Wohnhäuser aus der
Gründerzeit einem Großbauprojekt weichen. Im Krieg ist Ottensen von
Bomben nahezu verschont geblieben, trotzdem drohte damals der
vollständige Abriss der Altbauten, denn diese galten als
heruntergekommen und die Lage des Stadtteils als attraktiv: die Füße
an der Elbe, der Scheitel Richtung Bahrenfeld. Umrahmt von
Othmarschen und der Altonaer Altstadt, ein großer Bahnhof.
Derart
zentral gelegen, so die Vision der Stadtplaner, sollte zur Entlastung
der Innenstadt und inspiriert von der City Nord in Winterhude die
„Bürostadt West“ entstehen, auch City West genannt. Das
Büroviertel nördlich des Stadtparks, Baustart 1964, galt im In- und
Ausland als Vorzeigemodell modernen Städtebaus. In Ottensen sollten
ähnliche Hochhäuser hochgezogen und zusätzlich an einige neue
Schnellstraßen angebunden werden, darunter einen vierspurigen
Autobahnzubringer. Doch es gab Widerstand.
Wie
der aussah, wozu er führte – und was Menschen erzählen, die
damals dabei waren, können Sie im
vollständigen Artikel
auf zeit.de lesen.
DER SATZ
© Pampa Records
„Ein milder Tritt in mein Gesicht / Ich bitte dich, verlass mich nicht“
Im
Herbst gibt es großartige neue Musik aus Hamburg. In diesem
Text auf zeit.de finden Sie fünf Empfehlungen der ZEIT:Hamburg-Redaktion – es geht um den Musikproduzenten Stefan Kozalla (DJ Koze) und Dirk
von Lowtzow, dem Sänger der Band Tocotronic, die sich für die
Single „Nur um Liebe“,
aus dem unser Zitat stammt, zusammengefunden
haben, und um Musik von Jan
Plewka (Selig), der Sängerin Betti Kruse sowie den Rappern Samy
Deluxe und Motuz.
DAS KÖNNTE SIE INTERESSIEREN
Die
Firma Palantir produziert umstrittene Überwachungssoftware, die auch
in Deutschland eingesetzt wird. Populär wurde das Unternehmen durch
seine Arbeit für die CIA und seinen Mitgründer Peter Thiel, einen
der wichtigsten Unterstützer von Donald Trump. Am
Donnerstag zeigt das Abaton in Zusammenarbeit mit der Universität
Hamburg den Dokumentarfilm Watching
You – Die Welt von Palantir und Alex Karp,
der den Blick auf den zweiten Mitgründer und CEO von Palantir lenkt.
Der Regisseur des Films, Klaus Stern, ist anwesend.
„Watching
You – Die Welt von Palantir und Alex Karp“, 23.10., 16 Uhr;
Abaton, Allende-Platz 3; Ticktes gibt es hier
MEINE STADT
Verschmelzungen © Lara Ahlefelder
HAMBURGER SCHNACK
Durchsage
im ICE Hamburg–Wien, kurz vor Hannover: „Es tut uns leid, Sie
heute enttäuschen zu müssen. Wir erreichen Hannover-Hauptbahnhof
zwei Minuten zu früh.“
Gehört
von Dagmar Gehm
Das war
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