Der Spruch „Kein Bier vor vier“, er ist in Bayern seit jeher eher Scherz als Handlungsempfehlung – Stichwort Frühschoppen. Mittlerweile steckt das bayerische Bier in der Krise. Nicht aber der Alkoholgenuss am helllichten Tag. Der boomt aktuell unter dem Stichwort „Daydrinking“ auch in Augsburg. Nicht zuletzt zeigt sich das auch in den Gastro-Neueröffnungen der vergangenen Monate. Im Frühjahr ging das „The Green House“ am Predigerberg an den Start. Dort konnte im Sommer am Freitag und Samstag schon ab mittags zu entspannter Hintergrundmusik vom DJ gefeiert werden. Auch die kürzlich auf dem Augsburger Stadtmarkt eröffnete „The Winery“, die neue Weinbar „Atlântico“ in der Karlstraße oder das „Somo“ in der Altstadt setzen auf durstige Kundschaft tagsüber. Ist das wirklich ein neuer Trend – und wenn ja, wie groß ist er?
„Das ist halt eine neue Verpackung“
Der Augsburger Gastronom Luciano Bellano, der das Picnic und den Damenhof, der in diesem Jahr bis Ende Oktober geöffnet ist, mit betreibt, winkt erst einmal ab. „Es wurde schon immer tagsüber getrunken“, sagt er. „Das ist halt eine neue Verpackung.“ Dass insbesondere kleinere Läden in Augsburg feuchtfröhliche Events bei Tageslicht für sich als Einnahmequelle entdeckt haben, sei aber nicht von der Hand zu weisen. „Das ist gerade schon ein Trend.“ Insbesondere, wenn das Platzangebot drinnen begrenzt ist, könne man in Kombination mit dem Außenbereich viel mehr Gäste bewirten.
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Seit einigen Wochen gibt es auf dem Stadtmarkt „The Winery“. Mit dem Start sind sowohl André Maier (im Bild) als auch Maximilian‘s-Chef Theo Gandenheimer zufrieden.
Foto: Anna Kondratenko
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Seit einigen Wochen gibt es auf dem Stadtmarkt „The Winery“. Mit dem Start sind sowohl André Maier (im Bild) als auch Maximilian‘s-Chef Theo Gandenheimer zufrieden.
Foto: Anna Kondratenko
Und besonders in Zeiten, in denen Personal für die Küche schwer zu finden sei und hohe Energiekosten refinanziert werden müssten, sei der Fokus auf Getränke für viele Gastronomen eine Möglichkeit, die Gewinnspanne größer zu halten. „Küche ist etwas Undankbares“, erklärt Bellano. „Wenn ich ein Gulasch für 11,80 Euro anbiete, dann brauche ich die Ware, die Lagerkapazität, die Küche, das Küchenpersonal. Serviere ich einen Spritz, dann brauche ich Aperol, Prosecco, ein bisschen Eis und es dauert 30 Sekunden, um ihn einzuschenken.“
Daydrinking-Events in Augsburg: Exzesse und Aggressionen gibt es am Tag nicht
Dass durch den Trend „Daydrinking“ in der Stadt insgesamt mehr getrunken wird, glaubt er nicht. Im Gegenteil. Bellano kommt ursprünglich aus der Clubszene, die seit Corona zunehmend zu kämpfen hat. Das zügellose Trinken bis in die frühen Morgenstunden habe stark nachgelassen. „Junge Leute genießen ihre Drinks heute maßvoller, es steht mehr der Genuss im Vordergrund.“ Durch das Feiern bei Tageslicht und entspannten Beats sei die Stimmung automatisch ruhiger. „Ich habe noch bei keinem Daydrinking-Event im Damenhof Probleme mit aggressivem Verhalten oder Drogen erlebt“, sagt Bellano.
Ähnliches berichtet auch Johannes Felber, der Anfang 2025 gemeinsam mit Dominik Schiechtl den „Breakfast Club“ (Frühstücks-Club) in Augsburg aus der Taufe gehoben hat. An wechselnden Orten organisieren sie alle paar Wochen ein Frühstücksevent mit Musik, das nahtlos in Daydrinking übergeht. „Da artet es nicht aus, da gibt es keine Eskapaden. Die Leute wollen heute etwas Einzigartiges, Exklusives. Die bestellen sich da keine Flasche Wodka, sondern eher eine Flasche Champagner.“ Diese Art des Feierns, sagt Felber, habe in Augsburg „einen Nerv getroffen“. Bisher waren die verfügbaren Tickets für die Veranstaltungen immer schon nach wenigen Tagen weg. Auch das nächste Event, das am 25. Oktober, in der N8stallung steigt, ist schon lange ausverkauft.
Trend zum Daydrinking: Gastronomen können mit Getränken mehr Gewinn erzielen
Dass sich, gerade bei gutem Wetter, der Alkoholkonsum in der Gastronomie in den vergangenen Jahren zunehmend von der Nacht in den Tag verschoben hat, hat auch Theodor Gandenheimer, Chef des Hotels Maximilian‘s, in seiner Hotelbar festgestellt. Diese Entwicklung sei einer der Gründe für die Eröffnung der „Winery“ auf dem Stadtmarkt gewesen. Für Gastronomen, die unter hohem Preisdruck stehen, sei ein stärkerer Fokus auf Getränke eine Möglichkeit, mehr Ertrag zu erzielen, so die Beobachtung von Gandenheimer, der auch Bezirksvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands ist. Er hat auch einen besonderen Aspekt für die Veränderungen ausgemacht: das Homeoffice. Dadurch seien viele Menschen heute flexibler und könnten sich auch mal tagsüber spontan mit Freunden auf einen Drink in der Stadt treffen.
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Jryna Tivodov stößt vor der Gerberei 1557 mit ihrer Freundin Olika Sudak auf deren Geburtstag an. In den Club zieht es die beiden Mütter zum Feiern nicht mehr.
Foto: Anna Kondratenko
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Jryna Tivodov stößt vor der Gerberei 1557 mit ihrer Freundin Olika Sudak auf deren Geburtstag an. In den Club zieht es die beiden Mütter zum Feiern nicht mehr.
Foto: Anna Kondratenko
So wie Olika Sudak und Jryna Tivodov. Obwohl sich die Oktobersonne an diesem Freitagnachmittag nicht durch den Hochnebel kämpfen konnte, haben es sich die beiden vor der Gerberei 1557 in der Altstadt mit einem Aperol Spritz gemütlich gemacht und stoßen auf Olikas Geburtstag an. Bis in die Puppen im Club feiern, das wollen die beiden Mütter nicht mehr. Lieber ein bisschen plaudern, das Flair der Altstadt genießen und das Wochenende einläuten. Ohne Kater am nächsten Morgen.
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Katharina Indrich
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