Sophie Henne – damals noch in ihrer Backstube in der Liststraße – mit ihren Sauerteigbroten. Foto: Lichtgut
Taylor Swift macht’s vor: Zum zweiten Mal nach dem Corona-Lockdown will alle Welt Sauerteigbrot backen. Das merken auch Kochschulen in Stuttgart.
Früher stöhnte jede Mutter auf, wenn man aus der Schule in einem Schraubglas Teig vom penetranten Herrmann-Kuchen mitbrachte: Der Schneeballsystem-Kuchen Herrmann kam mit einer endlos langen Anleitung, wollte jeden Tag etwas anderes und irgendwie gelang er nie. Ließ man ihn ganz hinten im Kühlschrank eingehen, drohten einem sieben Jahre Pech oder ein anderes schlimmes Kettenbrief-Schicksal. Heute ist Sauerteig total im Trend, Taylor Swift backt damit Brot, auch Herzogin Meghan hat ihn für ihre Netflix-Kochshow rekrutiert. Die Tradwife-Bewegung spült Fotos von dekorativ bemehlten Sauerteigbroten in praktisch jede Instagram-Timeline.
Dass damit auch die Nachfrage nach Backkursen steigt, die in das Thema Sauerteig einführen, spürt auch Ursula Weinberger, die seit 2016 in Bad Cannstatt die Kochschule „Die Kreative Küche“ betreibt. „Viele verzweifeln an den vielen komplizierten Anleitungen, die es im Internet gibt“, sagt sie. Zu ihren Backkursen „kommt der 14-Jährige genauso wie die 70-Jährige“, sagt Weinberger, „überraschenderweise sind manchmal sogar mehr Männer aus Frauen dabei“.
Sauerteig will – wie damals der kapriziöse Herrmann – gefüttert werden. „Eine Woche, bevor ich einen Backkurs anbiete, setze ich ihn an“, erklärt die gelernte Diätassistentin. Jeder, der an ihrem Kurs teilnimmt, bekommt am Ende ein Stück Teig mit nach Hause. Bei Ursula Weinberger lernen die Teilnehmer Schritt für Schritt, wie sie dieses Stück Sauerteig zu Hause weiterführen können. „Im Internet wird oft behauptet, man brauche ein Thermometer oder Styroporboxen, um Sauerteig herzustellen“, erzählt Weinberger. „Aber so kompliziert muss man es sich gar nicht machen. Das ist ein uraltes Handwerk: Von 200 Jahren ist es doch auch ohne gegangen.“ Die Rückmeldung der Teilnehmer sei anschließend oft: Jetzt kapier’ ich es endlich. In der „Kreativen Küche“ in der Cannstatter Altstadt ist der nächste Backkurs im November schon ausgebucht, für Januar gibt es noch Plätze.
Bei der VHS wollen viel Brotbacken lernen
Auch in der Stuttgarter Volkshochschule sind Brotbackkurse sehr gefragt: Kurse wie „Brotbacken mit Sauerteig“ oder „Brotbacken für Einsteiger*innen“ seien aktuell sehr beliebt, gerade auch bei jungen Menschen, sagt die Sprecherin Katrin Bohnenberger.
In Sophie Hennes Brotique in der Olgastraße gibt es nur Backwerk aus Sauerteig: als Brioche, Weizen- und Dinkelsauerteigbrot oder in der süßen Form, als Zimtschnecken zum Beispiel. Das Handwerk hat die Bäckerin in München und Berlin gelernt. In der Liststraße im Stuttgarter Süden eröffnete sie 2021 – noch in der Coronapandemie – mit ihrem Mann Julius die erste Sauerteig-Bäckerei der Stadt. Vor ein paar Monaten sind sie mit ihrer Backstube in die Olgastraße umgezogen, der kleine Laden in der Liststraße bleibt als Verkaufsraum.
„Mehr als Mehl, Wasser und Salz ist nicht drin“
Sie sei ein Fan vom Sauerteig geworden, sagt Henne, weil es so wenig für ihn braucht: „Mehr als Mehl, Wasser und Salz ist nicht drin – die Hefe machen wir uns durch Fermentation praktisch selbst.“ Sophie Henne vergleicht den Sauerteig mit einem Tamagotchi – das wolle auch zuverlässig gefüttert werden.
Die erste Welle des Sauerteig-Hypes schwappte in der Coronazeit über Deutschland. „Da waren alle zu Hause und hatten viel Zeit, nach dem Teig zu schauen“, lacht Sophie Henne. Manche geben ihrem Sauerteig-Ansatz sogar einen Namen. In der Brotique heißt er Jeff. Wenn berühmte Leute wie Taylor Swift Fotos ihrer Sauerteig-Brote posten, freut sie das. „Schön, wenn über die guten Eigenschaften des Sauerteigs gesprochen wird.“ Sauerteigbrot ist auch für Menschen bekömmlich, die keine Hefe vertragen. Und das Brot bleibt länger frisch.
Immer wieder fragen Leute auch in der Brotique nach, ob Sophie Henne Backkurse anbiete. „Bisher gibt es das nicht“, sagt die Bäckerin. Die 34-Jährige schließt aber nicht aus, dass es irgendwann einen Sauerteig-Kurs in der Backstube in der Olgastraße geben könnte. „Gerade sind wir nach unserem Umzug noch in der Ankomm-Phase“, sagt Henne. „Aber wenn die vorbei ist, vielleicht machen wir das dann wirklich mal.“