Laut dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk hat der Inlandsgeheimdienst ABW am Dienstag acht Personen festgenommen, die verdächtigt werden, Sabotageakte vorbereitet zu haben. Die Verdächtigen sollen militärische Einrichtungen und kritische Infrastruktur ausgespäht sowie direkte Sabotageakte und Angriffe geplant haben.
Solche Aktionen geschähen immer häufiger, sagte Polens Innenminister Marcin Kierwiński dem Sender Radio ZET. „Die Dienste neutralisieren die Bedrohung kontinuierlich.“ Auf die Frage, ob Russland dahinterstecke, antwortete er: „Ja, für die Mehrheit.“ Russland sei „in die Phase eines Kalten Krieges gegen die gesamte Europäische Union“ eingetreten. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass es immer mehr solcher Vorfälle geben wird.“
Bereits im vergangenen Jahr wurden in Polen neun Personen verhaftet, die im Verdacht stehen, im russischen Auftrag zu sabotieren. Darunter waren ein Ukrainer, der eine Farbenfabrik in Breslau in Brand setzen wollte sowie mehrere Verdächtige, die im Frühjahr 2024 in einem Einkaufszentrum in Warschau Feuer gelegt haben sollen. 1400 Läden wurden dabei zerstört. Die Vorfälle waren stets mit einer Propagandaflut in sozialen Netzwerken begleitet, die gezielt Unruhe stiften und das Vertrauen in die Regierung und ihre Institutionen untergraben sollte.
Gezielt Vertrauen in Polens Regierung untergraben
Nach dem Eindringen von gut 20 russischen Drohnen in Polens Luftraum Mitte September kam es zu einer noch größeren Propagandawelle im Internet. Blitzschnell verbreiteten sich Falschmeldungen, in denen der Ursprung der Drohnen in Russland geleugnet, die Ukraine für den Vorfall verantwortlich gemacht, die polnische Regierung als unfähig dargestellt und Zweifel am Beistand der NATO gesät wurden.
Aussagen wie „Das wurde von der Ukraine inszeniert, um Polen in den Konflikt zu ziehen“, „Die NATO wird uns im Ernstfall nicht verteidigen“ oder „Artikel 5 ist tot“ verbreiteten sich ebenso wie Gerüchte über einen Kriegsausbruch.
Die Cybersicherheitsabteilung von Google, die Google Threat Intelligence Group (GTIG) hat zahlreiche dieser Fälle in einer am Dienstag veröffentlichten Studie ausgewertet. Die unmittelbar mit dem Eindringen der Drohnen in den polnischen Luftraum beobachteten Botschaften hätten mehrere, sich oft überschneidende Einflussziele verfolgt, schreiben die Autoren. So werde konsequent die Verantwortung Russlands geleugnet und stattdessen der Westen und die NATO beschuldigt, Vorwände zu erfinden, um vermeintlich eigene politische Ziele zu verfolgen – etwa einen Krieg mit Russland provozieren zu wollen.
Sein Land wird auch im Cyberspace bedroht: Polens Ministerpräsident Donald Tusk beim Besuch einer Luftwaffenbasis am DienstagEPA
Mit gezielten Botschaften werde versucht, das Vertrauen der polnischen Bevölkerung in ihre Regierung zu untergraben. So sei unterstellt worden, dass die Reaktion der Regierung auf den Drohnenvorfall schädlich für die innere Stabilität Polens seien. Zudem habe es eine Masse an Botschaften gegeben, um die Bevölkerung von ihrer positiven Haltung zur Ukraine abzubringen. „Physische Angriffe und Desinformation gehen Hand in Hand, um das Vertrauen der Gesellschaft in ihre Institutionen zu erodieren“, sagte CTIG-Chefanalyst John Hultquist.
Sogar in Deutschland wurde ein Portal gegründet
Einer der wichtigsten von GTIG identifizierten Verbreitungskanäle prorussischer Propaganda sei die Online-Publikation „Niezależeny Dziennik Polityczny“ („Unabhängiges Politisches Journal“), die mutmaßlich unechte Personen oder Autoren einsetzt, die zugleich Konten auf vielen Plattformen der sozialen Medien und in verschiedenen Blogs haben. Dort wurden die Reaktionen Polens auf die Drohnen als „Kriegshysterie“ bezeichnet, die das polnische Volk von anderen Problemen ablenken solle. Zudem wurde behauptet, Polen sei vorab über die Drohnen informiert gewesen und eine Mehrheit der Polen die Ukraine, die NATO oder die Regierung für den Vorfall verantwortlich mache.
Ein als „Portal Kombat“ agierender Akteur, der ein Netzwerk an prorussische Inhalte verbreitenden Internet-Domains betreibe, habe Artikel verbreitet, in denen bestritten wurde, dass russische Drohnen überhaupt bis Polen fliegen können – ein Argument, das nach dem Vorfall auch vom Kreml genutzt wurde.
Weitere Texte behaupteten, dass die in polnischen Medien gezeigten Videos der Drohnen gefälscht seien und Russland keine Absicht habe, Polen anzugreifen: „Moskau braucht das gar nicht. Und falls doch, würden nicht acht, sondern 800 Drohnen auf einmal kommen.“
Die Texte verbreiteten sich unter anderem auf Telegram in Windeseile. Ein weiteres Mittel sind der Studie scheinbar seriöse Portale. So wurde extra für eine deutsche Zielgruppe ein Portal namens „Deutsche Intelligenz“ erstellt, auf dem insinuiert wurde, die NATO nutze den Drohnenvorfall als Vorwand, um einen Krieg mit Russland zu provozieren.
Die Beispiele zeigten, „wie Einflussakteure im gesamten prorussischen Ökosystem ihre Aktivitäten optimiert haben, um auf geopolitische Entwicklungen reagieren zu können“, schreiben die Autoren. Mit einer Flut an Informationen versuchten sie, „die Öffentlichkeit zu manipulieren“, um Angst zu schüren sowie Unsicherheit und Zweifel innerhalb gefährdeter Bevölkerungsgruppen zu säen, heißt es in der Studie.
„Verdeckte Informationskampagnen und die Verbreitung von Desinformation sind zunehmend wichtige Bestandteile der Bemühungen russischer Akteure, ihre Interessen von Konflikten durchzusetzen.“ Die massive Mobilisierung im Zuge des Drohnenvorfalls sei ein weiterer Hinweis darauf, dass Polen, aber auch seine NATO-Verbündeten, vorrangiges Ziel russischer Einflussaktivitäten seien.