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Das Forschungsinstitut IAB sieht den Arbeitsmarkt in Hessen 2026 im Aufschwung. Die Experten heben besonders einen Standortvorteil hervor.

Frankfurt – Die Industrie in Hessen hat kein gutes Jahr hinter sich: Nach 125 Jahren machte der Reifenhersteller Goodyear seinen Standort in Fulda dicht, mit Buderus Edelstahl in Wetzlar wurde das letzte Stahlwerk im Bundesland zerschlagen und im nordhessischen Nentershausen schloss der Autozulieferer AE Group seine Pforten. Jeweils hunderte Jobs gingen verloren. Die Schließungen und der Stellenabbau in Hessen passen zur Lage der gesamtdeutschen Wirtschaft nach zwei Jahren Rezession.

Nun aber verdichten sich die Anzeichen, dass sich die wirtschaftliche Situation 2026 verbessern könnte. Die Bundesregierung erwartet im kommenden Jahr erstmals seit langem wieder ein spürbares Wachstum von 1,3 Prozent. Den Grund dafür sieht Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) vor allem in den staatlichen Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung. Außerdem geht Reiche von einer wachsenden Nachfrage im Inland aus. „Eine stabile Preisentwicklung, deutliche Lohnsteigerungen und gezielte Kostenentlastungen von privaten Haushalten werden die real verfügbaren Einkommen in den kommenden Jahren stärken“, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium.

Hessen könnte von wirtschaftlichem Aufschwung profitieren

Profitieren könnte von dieser Entwicklung insbesondere Hessen. So rechnet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) 2026 im Bundesland mit einem Rückgang der Arbeitslosenzahlen um 1,9 Prozent. Damit wäre Hessen das Bundesland mit der bundesweit größten Senkung. Insgesamt sieht das IAB den Arbeitsmarkt in Deutschland allerdings weiter durch „Stagnation“ geprägt.

Zwar sinkt die Arbeitslosigkeit laut Institut im kommenden Jahr in Westdeutschland um 0,4 Prozent, dafür steigt sie in Ostdeutschland aber um 1,0 Prozent. Gute Perspektiven bescheinigt die Prognose bei den Arbeitslosenzahlen neben Hessen auch Nordrhein-Westfalen (minus 1,3 Prozent) und Bremen (minus 0,8 Prozent), während vor allem Berlin (2,0 Prozent), Sachsen (1,5 Prozent) und Brandenburg (1,2 Prozent) mit Anstiegen rechnen können.

Trotz des insgesamt positivem Trends bei den Arbeitslosenzahlen gibt es auch innerhalb Hessens deutliche Unterschiede. Die stärksten Rückgänge erwartet das IAB in Korbach (minus 3,4 Prozent), Marburg (minus 3,1 Prozent), Wiesbaden (minus 2,7 Prozent) und Bad Hersfeld-Fulda (minus 2,6 Prozent), die schwächsten Rückgänge in Offenbach (0 Prozent) und in Gießen (minus 1,0 Prozent).

Insgesamt prognostizieren die Experten für Hessen in 2025 eine Arbeitslosenquote von 5,7 Prozent. Damit liegt das Bundesland hinter Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auf Rang vier. Deutschlandweit wird eine Quote von 6,3 Prozent erwartet.

Mehr sozialversicherungspflichtige Jobs in Hessen

Ähnlich wie bei den Arbeitslosenzahlen sieht es nach Angaben der Forschenden im kommenden Jahr bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung aus. Für Westdeutschland prognostiziert das IAB hier ein leichtes Wachstum von 0,2 Prozent, für Ostdeutschland dagegen einen minimalen Rückgang von 0,1 Prozent, was bundesweit zu einem leichten Plus von 0,1 Prozent führt. Auch in Hessen sieht das Institut einen Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung um 0,1 Prozent.

Agentur für Arbeit in Frankfurt.Agentur für Arbeit in Frankfurt. © Tim Wegner

Dieser ergibt sich laut den Forschenden vor allem aus den Zuwächsen in Frankfurt (0,5 Prozent), Wiesbaden (0,4 Prozent) und Gießen (0,3 Prozent). Die meisten anderen Agenturen für Arbeit in Hessen erwarten dagegen einen Zuwachs an Beschäftigung unterhalb des hessischen Durchschnitts, oder einen Rückgang. Den stärksten Rückgang erwartet die Agentur Limburg-Wetzlar mit minus 0,6 Prozent.

Die verhältnismäßig guten Aussichten in Hessen begründet das IAB auf Nachfrage vor allem mit der Branchenstruktur im Bundesland. Demnach beheimatet Hessen einige der Branchen, die 2026 am stärksten wachsen sollen. Dazu gehören vor allem die Bereiche Immobilien, Finanzen und Versicherungen und Information und Kommunikation. „Der Branchenmix in Hessen und unsere gute Position in wachsenden Branchen ist Ursache dafür, dass die Beschäftigung steigt und die Arbeitslosigkeit deutlich zurückgehen wird“, fasst das IAB zusammen.

Deutschlandweit prognostizieren die Forschenden im Wirtschaftsbereich „Öffentlicher Dienstleister, Erziehung, Gesundheit“ einen „weit überproportionalen Zuwachs“. Auch das Baugewerbe dürfte wachsen. Beide Branchen sind in Hessen im Vergleich zu den anderen Bundesländern aber unterdurchschnittlich angesiedelt.

Arbeitsmarktexperten mit klaren Forderungen an die Politik

Dabei beruht die Prognose laut Institut auf der „Fortschreibung von statistischen Daten und Annahmen zur künftigen Wirtschaftsentwicklung.“ Eingeflossen sind politische Entwicklungen wie das Finanzpaket der Bundesregierung und deren konjunkturelle Entwicklung. Schließungen von großen Industriebetrieben, wie bei Goodyear oder Buderus, würden dagegen oft erst zeitverzögert in den Zahlen sichtbar werden, weil Beschäftigte beispielsweise zunächst in Transfergesellschaften überführt würden, teilt das IAB mit.

Die Forschenden leiten aus der Prognose klare Forderungen an Politik ab: Die wesentliche Erkenntnis sei demnach die Bedeutung der Wirtschaftsstrukturen und deren Veränderungen. Es gelte, auf jene Branchen zu setzen, die wachsen werden, so das IAB. „Das gilt für die Verwendung der Mittel aus dem Fiskalpakt genauso wie für das Thema Weiterbildung.“ So müssten Erwerbstätige und Arbeitslose fit gemachten werden für die künftigen beruflichen Anforderungen.

Dazu fordert das Institut, die Zahl der Arbeitskräfte in Deutschland zu erhöhen, „denn die Demografie bremst sonst die wirtschaftliche Entwicklung.“ Dazu gehöre es, ältere Arbeitnehmer länger im Berufsleben zu halten, Frauen für mehr Vollzeitarbeit zu gewinnen, indem die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen und verbessert würden sowie der Zuzug ausländischer Fachkräfte.