Wenn Juristen von den Opfern einer Tat sprechen, nennen sie sie „Geschädigte“. Also jemanden, dem ein Schaden zugefügt wurde. Im Falle des derzeit vor dem Landgericht Frankfurt verhandelten CEO-Fraud-Prozesses trifft dieser Begriff wohl am ehesten auf die Banken zu, die für den verursachten finanziellen Schaden aufkommen müssen. Doch Zeugenaussagen legen nahe, dass unter den Folgen der Taten noch ganz andere leiden: die Mitarbeiter.

Die 55 Jahre alte Frau, die an diesem Dienstagvormittag auf dem Zeugenstuhl Platz nimmt, ist seit 35 Jahren Mitarbeiterin einer Filiale der Raiffeisenbank Westeifel eG. Sie habe immer gerne am Kundenschalter gearbeitet, das Geschehen am 8. Oktober vergangenen Jahres habe ihr diese Freude jedoch genommen, sagt sie.

Sie berichtet davon, wie sie an diesem Tag einen Anruf von dem angeblichen Sohn des Geschäftsführers eines lokalen Unternehmens bekommen habe, der die Vollmacht für die Konten seines Vaters besitze und dringend Echtzeitüberweisungen durchgeben wolle.

Anrufer drohte damit, alle Konten aufzulösen

Als sie ihn nach dem Geburtsdatum und der Adresse gefragt habe, sei der Anrufer „sehr unverschämt“ geworden und habe Druck aufgebaut, indem er kritisiert habe, dass das alles so lange dauere. Auch als sie nach wenigen Überweisungen aufhören habe wollen, habe er gesagt, sie sei die einzige Mitarbeiterin, bei der dies nicht klappe und damit gedroht, alle Konten aufzulösen und sich beim Vorstand über sie zu beschweren.

Die Zeugin sagt, sie habe dadurch Panik bekommen, weil der Bruder des echten Sohnes des Geschäftsführers im Aufsichtsrat der Bank sitze. Diesen habe sie, nachdem das Telefonat beendet war, auch angerufen, um sich über den Umgang mit ihr zu beschweren.

Da dessen echter Bruder aber gerade neben ihm stand und keine Echtzeitüberweisungen am Telefon durchgegeben hatte, flog der Betrug auf. Sie sei völlig aufgelöst gewesen und habe sofort internen Stellen Bescheid gegeben.

„Wir haben so viele Überweisungsbetrüge im Moment“

Eine Abmahnung erhielt die Frau nach eigenen Angaben aufgrund ihrer langen Tätigkeit nicht, sondern sie musste ein Personalgespräch führen und abermals eine Sicherheitsschulung absolvieren.

Seit dem Vorfall suche sie jedoch eine neue Arbeitsstelle. „Ich komme abends nicht mehr zur Ruhe“, sagt sie. Sie gehe immer mit Angst zur Arbeit und nach jedem Arbeitstag frage sie sich, ob sie alles richtig gemacht habe. „Wir haben so viele Überweisungsbetrüge im Moment, ich will einfach weg vom Schalter.“

Der Staatsanwalt versucht die Zeugin zu beruhigen, indem er ihr sagt, dass in dem Verfahren zahlreiche weitere Kollegen deutschlandweit auf den Betrug reingefallen seien. Sie antwortet: „Ich war nicht der Verbrecher, aber man fühlt sich so.“

Eine andere Bankmitarbeiterin erhielt eine Abmahnung

Die Bank habe nach dem Vorfall angekündigt, „dass neue Wege eingeleitet werden sollen, damit sowas nicht nochmal passiert“, sagt die Zeugin. Was genau damit gemeint sei, wisse sie nicht. Sie halte es für sinnvoll, dass ein Ermittler einen Vortrag über Betrugsmaschen in der Bank halte. „Und ich bin dafür, dass telefonische Überweisungen abgeschafft werden.“

Eine andere Zeugin an diesem Tag, die ebenfalls als Bankmitarbeiterin einer VR Bank Dreieich-Offenbach auf einen der Betrugsanrufe reingefallen war, hatte nach dem Vorfall im Juli 2024 eine Abmahnung erhalten.

Auch die Sechsundzwanzigjährige berichtet davon, dass der Anrufer sie stark unter Druck gesetzt habe. Heute gehe es ihr aber gut, sie habe das Geschehen verdrängt und sei sich sicher, dass ihr so etwas nicht noch einmal passieren werde.

Seit dem Vorfall dürfen der Zeugin zufolge in der betroffenen Bankfiliale keine telefonischen Überweisungen mehr getätigt werden. Die Mitarbeiter seien daneben noch einmal im Hinblick auf betrügerische Anrufe geschult worden. „Der nächste Mitarbeiter, dem das passiert, darf wahrscheinlich gehen.“

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