Bei der 80-Jahr-Feier der CDU Stuttgart verteidigt Forschungsministerin Dorothee Bär das Stadtbild-Zitat des Kanzlers und schildert ihre Erfahrungen am Nürnberger Bahnhof.

Auch wenn es in ihrem Festvortrag vor allem um die Anfänge der Stuttgarter CDU vor 80 Jahren und die Hightech-Agenda ihres Ministeriums ging: Ohne Kommentar zur Stadtbild-Debatte wollte Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU), bekannt für pointierte Bemerkungen, nicht die Bühne des Alten Reitsaals im Stuttgarter Maritim-Hotel verlassen: Sie könne nicht nachvollziehen, was es an der Aussage des Kanzlers Friedrich Merz (CDU) zu beanstanden gebe, so die CSU-Politikerin.

Merz hatte bei einem Termin in Potsdam vor einigen Tagen gesagt, die Regierung sei beim Ziel, die Asylzahlen zu senken „sehr weit“. Und weiter: „Aber wir haben im Stadtbild immer noch dieses Problem. Und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“

Kritiker werfen Merz Rassismus vor

Seither gibt es Zustimmung und Kritik dafür. Während manche loben, Merz benenne ehrlich ein bestehendes Problem, werfen ihm andere Rassismus vor sowie ein Pauschalurteil über Menschen mit Migrationsgeschichte. Der Kanzler suggeriere außerdem, dass man soziale Probleme in den Kommunen mit massenhaften Abschiebungen lösen könne, sagte zum Beispiel die Autorin Yasmine M’Barek.

Merz hat sein Zitat unterdessen bekräftigt und mit dem Sicherheitsempfinden von Frauen verknüpft. „Fragen Sie Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte“, so Merz auf eine Journalistenfrage. Dazu schrieb etwa die Autorin und Feministin Teresa Bücker, Merz instrumentalisiere Frauen für Rassismus.

Dorothee Bär schilderte in Stuttgart ihre eigenen Erfahrungen sowie die ihrer ältesten Tochter: Sie selbst habe sich am Nürnberger Hauptbahnhof nachts ob des Klientels dort nicht wohl gefühlt. „Ich habe mich im Burger King versteckt“, so formulierte es die Politikerin. Ihre Tochter, die in München studiert, sei kürzlich in einer Unterführung belästigt worden und rannte davon. „Die Stadtbilder haben sich verändert“, so Bär, man müsse solche Missstände benennen und verändern.

Mörseburg findet Debatte „unehrlich“

Auch der Stuttgarter CDU-Kreisvorsitzende Maximilian Mörseburg griff das Thema in seiner Rede auf. Beim Rückblick auf die Geschichte der Stuttgarter CDU, die am 25. September 1945 mit zwölf Gründungsmitgliedern und inmitten von Ruinen ihren Anfang nahm, erwähnte er auch den langjährigen Oberbürgermeister Manfred Rommel (CDU). Der habe erkannt, dass Integration in einer migrantisch geprägten Stadt wie Stuttgart ein Schlüssel zur funktionieren Stadtgesellschaft ist. Allerdings „stellt uns Integration heute vor neue Herausforderungen – auch im Stuttgarter Stadtbild“, so Mörseburg.

Dorothee Bär und Maximilian Mörseburg beim Festakt zu 80 Jahre CDU Stuttgart. Foto: Elias Hoh

Auf Nachfrage unserer Zeitung ergänzte er, man dürfe „nicht verleugnen, dass es Gruppen gibt, die in Gassen und Unterführungen herumlungern. Das hat auch mit Migration zu tun“. Die Debatte um das Merz-Zitat findet er „unehrlich“. Natürlich wolle die CDU keine gut integrierten Migranten abschieben, die sich korrekt verhalten.

Plakate heruntergerissen

Welche Folgen die Debatte in Stuttgart hat, schilderte Mörseburg an einem Beispiel: So wurde in Botnang jüngst ein Plakat des CDU-Landtagskandidaten Shajeevan Thavakkumar heruntergerissen und mit dem Satz beschriftet: „Stadtbild jetzt besser, Herr Merz?“ Thavakkumar, dessen Eltern als Geflüchtete nach Deutschland kamen, schreibt dazu auf Instagram: „Hier wird mein Gesicht missbraucht, um eine Kritik auszudrücken, die ich nicht teile.“

In ihrem Festbeitrag benutzte Dorothee Bär auch bei anderen Themen klare Worte. So warb die Forschungsministerin unter anderem dafür, das Thema Künstliche Intelligenz ohne Angst anzugehen. Auch bei der Einführung des Tonfilms oder des Automobils habe es seinerzeit Kritiker gegeben. Außerdem betonte sie die Sinnhaftigkeit der Raumfahrtforschung. Alltagsprodukte wie der Akkuschrauber stammten aus diesem Bereich. Mit Blick auf den Feldzug der Trump-Regierung gegen US-Universitäten sagte Bär: „Ich bin froh, in einem Land zu leben, in dem die Forschungsfreiheit im Grundgesetz steht.“