Wenn junge Männer zu Thomas Haenschen kommen, um sich einen Verlobungsring für ihre Angebetete auszusuchen, muss er sie oft erst einmal beruhigen. „Viele sind aufgeregt“, sagt er. Er habe schon viele nette Männer erlebt – aber auch viele verkopfte und hochemotionale. Denn: „Oft sind wir die ersten, denen sie von ihrem Antrag erzählen.“
Thomas Haenschens Job ist es, das einzufangen und ihnen Mut zu machen. Der 64-Jährige ist Inhaber des Juweliers Jacobi, der seit 1949 in Stuttgart Schmuck herstellt. Seit rund 40 Jahren ist er selbst im Geschäft – und hat schon den ein oder anderen Verlobungsring verkauft.
Verlobungsringe in Zeiten von Feminismus – ist das noch zeitgemäß?
Aber sind Verlobungen und die dazugehörigen Ringe in Zeiten von Emanzipation und Feminismus überhaupt noch zeitgemäß? Anscheinend schon. In den vergangenen fünf bis zehn Jahren ist das mit den Verlobungsringen laut Thomas Haenschen immer häufiger geworden. Er glaubt auch nicht, dass das wieder abebbt. „Die Leute suchen Zugehörigkeit“, sagt er. Familie, die Liebsten um einen herum, das sei für viele wichtiger geworden. „Und dann befeuern Instagram und Tiktok das noch.“
In der Tat: Wer sich mit Verlobungen und Hochzeiten auseinandersetzen will, findet in der hochglanzpolierten Welt der sozialen Medien pompöse Ringe, Feiern und Kleider. Alles ist makellos, alles ist „instagrammable“. Vielleicht sind viele junge Männer deshalb so nervös, wenn sie zu Thomas Haenschen kommen.
Meist suchen Männer den Verlobungsring aus
Thomas Haenschen ist Inhaber des Juwelier Jacobi und hat in seinen 40 Jahren schon viele Verlobungsringe verkauft. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski
Meistens kommen aber die Männer. Wenn sie dann so aufgeregt vor ihm sitzen, stellt er erst einmal Fragen. Um was für eine Frau handelt es sich? Womit fühlt sie sich wohl? Kann sie den Ring überhaupt jeden Tag tragen? Denn das Dilemma ist: „Der Ring soll ein bisschen Prinzessinnen-Ausstrahlung haben – aber er kommt aus einer Zeit, in der die Frauen, die ihn trugen, nicht gearbeitet haben.“ Also muss der Ring der Lebenssituation angepasst werden.
„Wenn die Frau im OP arbeitet und jeden Tag Gummihandschuhe trägt, kann man ihr keinen Prinzessinnen-Ring schenken“, sagt er. Dann würde er vielleicht zu einem bestimmten Material raten. Und im Zweifel auch mal den kleineren Stein empfehlen – auch wenn er daran am Ende weniger verdient.
Ein weißer Stein, vier oder sechs Krabben, die den Stein festhalten, und der Ring selbst in Gold, Rosé-, Weißgold oder Platin. So sieht ein Verlobungsring laut Thomas Haenschen klassischerweise aus. „Eigentlich ist das Grundthema immer gleich“, sagt er. „Das ist, wie wenn man sich einen Blazer kauft.“ Vielleicht ein paar Details hier und da, aber der Schnitt steht.
Trends bei Verlobungsringen: Die Ausnahme war Lady Di
Bestimmte Trends gibt es laut Haenschen nicht. Bis auf eine Ausnahme: In den 80er Jahren seien mehr Saphir-Ringe als sonst gekauft worden. Der Grund: die Verlobung von Lady Di. „Das englische Königshaus hatte einen Saphir als Verlobungsring, der immer weitergegeben wird“, sagt er. „Dieses Modell war dann mal eine Zeit lang gefragt.“
Wenn der Ring ausgesucht ist, geht es um die Größe. Gar nicht so einfach, herauszubekommen: Manche Männer messen einen Ring der Partnerin heimlich aus oder klauen ihn sich für den Besuch beim Juwelier. Aber was, wenn sie nie Ringe trägt? Keine Panik. Dass der Ring passt, ist der Job von Thomas Haenschen. „Wir lassen uns die Frau beschreiben und uns idealerweise ein Bild zeigen“, sagt er. Damit könne er ungefähr abschätzen, wie groß der Ring sein muss. So ganz genau gehe das aber gar nicht. Immerhin verändere sich der Finger am Tag um zwei Nummern. „Wir korrigieren das dann später“, sagt er.
Wie viel Geld die Kunden für den Verlobungsring ausgeben
Die Grundlage ist immer gleich: Ein weißer Stein, vier oder sechs Krabben, die den Stein festhalten, und der Ring selbst in Gold, Rosé-, Weißgold oder Platin. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski
Was passiert seiner Erfahrung nach mit dem Verlobungsring nach der Hochzeit? Thomas Haenschen sagt, der bleibt. In 80 Prozent der Fälle schaut er nach einem Verlobungsring, bei dem es auch einen passenden Trauring gibt. Der wird dann oben drauf oder unten drunter gesteckt. Und zwar an den linken Finger. „Da geht die Vene zum Herz, haben die alten Römer gesagt.“ Letztendlich sei das natürlich jedem selbst überlassen. Für Rechtshänder sei es meist praktischer, den Ring links zu tragen.
Tipps für den Antrag im Urlaub
Das sind also die Grunddaten, die bei einem – nach eigenen Angaben „schon gehobenen“ – Juwelier typisch sind. Thomas Haenschen lässt sich bei der Beratung auch gerne erzählen, wie die Kunden den Heiratsantrag planen. Inzwischen hat er ein paar Tipps auf Lager. „Ich sage zum Beispiel: Fixieren Sie sich nicht so auf den einen Abend, vielleicht regnet es oder sie hat schlechte Laune“, erzählt er. Wenn der Antrag im Urlaub passieren soll, gibt er noch ein Säckchen mit, damit sie den Ring in die Hosentasche stecken können. „Wir beraten auch, wie man den Ring von der Partnerin unbemerkt am besten durch die Sicherheitskontrolle bekommt“, sagt er. Sein Tipp: sich kurzfristig an unterschiedlichen Schlangen anstellen. „Falls Sie den Ring auspacken müssen.“
Und was, wenn der Antrag schief geht und die Angebetete „Nein“ sagt? „Wir müssen den Ring nicht zurücknehmen“, sagt Haenschen. Das sei aber auch keine Frage, die sich wirklich stellt. In seinen mehr als vierzig Jahren sei es ein einziges Mal passiert, dass ein junger Mann kam und den extra konstruierten Ring zurückgeben wollte. „Ich hatte das Gefühl, er war so geknickt, dass sich ihn tatsächlich zurückgenommen habe“, sagt Haenschen.
Verlobungsring zurückgegeben – zwei Jahre später kam er wieder
Offenbar hatte sich der junge Mann das Zuvorkommen gemerkt. „Zwei Jahre später kam er wieder“, sagt er. „Mit der gleichen Frau“. Wie sich herausstellte, war der Zeitpunkt des Antrags einfach noch nicht richtig gewesen. Beim zweiten Mal suchte er mit ihr gemeinsam einen Verlobungsring aus. Aber einen anderen – der erste war für die beiden verbrannt.
Stuttgarter Familiengeschäft mit Tradition
Das Geschäft
Der Juwelier Jacobi hat seinen Ursprung 1949 auf der Stuttgarter Königstraße. Schon immer schmiedeten die Juweliere ihren Schmuck selbst. Zwischenzeitlich gab es eine weitere Filiale im Breuninger. Inzwischen gibt es ein Geschäft in der Eberhardstraße.
Der Inhaber
Thomas Haenschen hat das Geschäft im Jahr 2015 übernommen, nachdem zwei Generationen der Jacobi-Familie Inhaber gewesen waren. Als Einzelhandelskaufmann gestartet, fing er 1986 als Praktikant beim Juwelier Jacobi an und durchlief verschiedene Positionen. Sein Sohn Felix Haenschen ist ebenfalls Geschäftsführer, seine Frau Dominique Haenschen hat die kaufmännische Leitung inne.