In den 80er-Jahren feierte sie mit „Twist In My Sobriety“ ihren größten Erfolg. Beim Tourauftakt in Hamburg zeigt die mittlerweile 56-Jährige, warum man sie weiterhin auf dem Zettel haben muss: Tanita Tikaram und Band überzeugen mit Kammerpop vom Feinsten.
Humor hat Tanita Tikaram, das muss man ihr lassen: „Diesen Song habe ich nie verstanden, aber ich glaube, er ist tiefsinnig“, kündigt sie im Kleinen Saal der Laeiszhalle ihren größten Hit von 1988 an: „Twist In My Sobriety“ machte die damals 19-Jährige schlagartig bekannt.
Nicht nur der rätselhafte Text – Augen wie Hologramme, Kinder Gottes mit Wanderschuhen –, auch ihre ungewöhnlich tiefe Stimme ließ international aufhorchen. An den kommerziellen Erfolg ihres Debütalbums „Ancient Heart“ konnte die im westfälischen Münster Geborene (Vater Inder, Mutter aus Malaysia) danach nicht mehr anknüpfen.
Tanita Tikaram wechselt zwischen Gitarre und Klavier
Wie wenig das über ihre Qualität als Musikerin und Songschreiberin aussagt, ist bei dem Konzert mit sechsköpfiger Band – unter ihnen: Violinistin Helen O’Hara von Dexy’s Midnight Runners – schon binnen weniger Minuten klar: Tikaram, mittlerweile 56 Jahre alt, präsentiert sich nicht nur bestens bei Stimme, sondern wechselt mit Leichtigkeit zwischen Gitarre und Klavier, nimmt das Ü40-Publikum mit ihrer bescheidenen Präsenz sofort für sich ein.
Erster Höhepunkt: „This Perfect Friend“ vom neuen Album „Liar“, das mit enthusiastischer Kammerpop-Begleitung von Violinistin O’Hara, Cellistin Midori Jaeger und Akkordeonist Bartosz Glowacki zur furiosen Flutwelle anschwillt.
Zeit für Dinge abseits der Musik
Zwischen den Songs nimmt sich die queere Sängerin viel Zeit, spricht über Dinge, die sie bewegen. „Menschen, die aussehen wie ich, werden immer stärker ausgegrenzt“, mahnt sie etwa. Der „beunruhigende Zustand der Welt“ ist ein großes Thema ihres neuen Albums. Die Zuhörer freuen sich aber auch über launige Beatles-Anekdoten („Mein Vater war großer Fan“) und detaillierte Handlungsanweisungen für neue Partnerinnen („Heavy Pressure“).
Als Tikaram einen älteren Song mit einer nachdenklichen Anekdote ankündigt, seufzt eine Zuschauerin laut hörbar im Saal, was wiederum Tikaram schmunzeln lässt. Lange nicht gesehen, aber immer noch so vertraut. Nach 100 Minuten und zwei Zugaben („Good Tradition“) bedankt sich die Musikerin bei den Hamburgern auch dafür, dass sie „so aufmerksam zugehört haben“ – nicht nur beim unvermeidlichen „Twist In My Sobriety“.