Hohe Schneemassen liegen auf Autos und einer Straße.

Stand: 22.10.2025 05:42 Uhr

„Droht Deutschland der Jahrhundert-Winter?“ oder „Jahrhundert-Winter 2025/26?“ sind derzeit im Internet kursierende Schlagzeilen. Doch sind solche Prognosen jetzt schon möglich?

Von Anna Dannecker und Sylvaine von Liebe, BR

In fast jeder Saison erscheinen Meldungen, die für Deutschland länger anhaltende Extremwetterlagen prognostizieren. Im April war es der „Höllen-Sommer 2025“, der vorhergesagt wurde. Jetzt ist es der „Jahrhundert-Winter“, der Deutschland 2025/26 drohen soll. Doch lässt sich das Wetter so weit im Voraus überhaupt vorhersagen? Woher stammen die Spekulationen zum „Jahrhundert-Winter 2025/26“ und welche Ziele verfolgen die Macher von Meldungen mit solchen Langfrist-Wetterprognosen?

Schockierende Wetter-News für möglichst viele Klicks

Was auffällt oder gar schockiert, wird geklickt. Das gilt auch für Wettervorhersagen. Private Wetterdienste und auch Journalisten haben das längst verstanden und nutzen daher Wettermodelle, aus denen sich Meldungen mit schockierenden Begriffen wie „Höllen-Sommer“ oder „Jahrhundert-Winter“ herleiten lassen. Klicks bringen schließlich Geld.

Bei diesem sogenannten Clickbaiting werde dann vielleicht „manche Sorgfaltspflicht etwas verworfen“, sagt Lothar Bock vom Regionalen Klimabüro München des Deutschen Wetterdienstes (DWD) im Interview mit dem BR. „Wir als Behörde würden sowas natürlich nicht machen“, fügt er hinzu.

Schwacher Polarwirbel löst Spekulationen aus

Auslöser der Spekulationen um den „Jahrhundert-Winter für 2025/26“ war wohl vor allem ein Internetartikel, der einen schwächeren Polarwirbel über dem Nordpol mit arktischer Kälte in Deutschland in Zusammenhang bringt. Angeblich gebe es einige Prognosen, wonach dieser Polarwirbel im kommenden Winter relativ schwach sein werde, bestätigt Wetterexperte Bock.

Zusammenhang mit Wetter in Deutschland ungeklärt

Ein schwacher Polarwirbel kann – im Gegensatz zu einem starken Polarwirbel – die kalte Luft der Polarregionen nicht dort festhalten. Wenn die eisigen Luftmassen ausbrechen, können sie auch in unsere Breiten gelangen und das Wetter in Europa beeinflussen. Das kann passieren, muss aber nicht.

Ob es überhaupt einen Zusammenhang zwischen schwachen Polarwirbeln und Kälte in Deutschland gibt, müsse erst noch bewiesen werden, sagt Martin Gudd vom Wetterkompetenzzentrum der ARD. In den vergangenen Jahren habe sich nichts dergleichen gezeigt, „Denn ein schwacher Polarwirbel heißt nichts anderes, als dass die Arktis nicht so kalt ist wie früher“, erklärt der Meteorologe.

Prognose für Winter 2025/26 derzeit unmöglich

Die Vorhersagbarkeit des Wetters hängt laut Wetterexperten ohnehin von unterschiedlichen Faktoren ab, nicht nur vom Polarwirbel. Auch Ozeantemperatur, Meeresströmungen und die Großwetterlage spielen eine Rolle.

Ob wir 2025/26 einen Jahrhundert-Winter haben werden, dazu sagt der Meteorologe Karsten Schwanke: „Wir wissen es nicht“. Auch für Lothar Bock vom DWD in München ist es „reine Spekulation“, Mitte Oktober einen extrem kalten oder gar einen Jahrhundert-Winter vorherzusagen. „Was die seriösen Prognosen für den Winter angeht, so können wir vielleicht, aber auch wirklich nur vielleicht, kurz nach dem Jahreswechsel das Strömungsmuster anschauen. Wie war es bisher? Wie könnte es sein?“, sagt Marin Gudd vom ARD-Wetterkompetenzzentrum. Daraus ließen sich dann ungefähre Voraussagen treffen, wie „der Rest des Winters ungefähr verläuft“.

Wetterprognose für maximal zehn Tage verlässlich

So sehr sich viele möglichst früh eine verlässliche Langzeit-Wetterprognose wünschen, die Möglichkeiten dazu sind begrenzt. Laut Meteorologe Lothar Bock lassen sich die jeweils nächsten drei Tage „relativ gut vorhersagen“. Bei „eingefahrener Wetterlage“, wie zum Beispiel einem länger andauernden Hochdruckgebiet „geht es auch mal bis zu zehn Tage.“

Die Erwartungshaltung hinsichtlich von Wetterberichten ist seiner Ansicht nach „viel zu groß“, auch weil in Wetter-Apps die Vorhersagen oft sicherer scheinen, als sie tatsächlich sind: „Wir meinen, wir können das Wetter jetzt zehn und 20 und 50 Tage vorhersagen, aber das ist nicht so.“ Die „Prognosegüte“ der Wettervorhersagen sei zwar gegenüber früher, also vor 40 oder 50 Jahren, schon besser geworden, „aber wir tun uns für diesen längerfristigen Zeitraum, was das Wetter angeht, noch relativ schwer“, sagt der Wetterexperte.

Wahrscheinlichkeit für Jahrhundert-Winter gering

Ein Jahrhundert-Winter ist statistisch gesehen ein Winter, wie er nur einmal innerhalb von 100 Jahren vorkommt. Ein Winter wie 1962/63 etwa. In Deutschland gilt dieser Winter als strengster Winter des 20. Jahrhunderts. Er hatte gravierende Folgen für die Strom- und Wärmeversorgung, verursachte erhebliche Schäden an der Infrastruktur und forderte viele Todesopfer. Viele Flüsse und sogar der Bodensee waren damals zugefroren.

Ob uns 2025/26 ein solcher Winter bevorsteht, lässt sich derzeit in keiner Weise seriös vorhersagen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist jedoch laut Experten eher gering.