taz | Im Brandenburger Teichland Linum findet ein bisher beispielloses Massensterben von Kranichen statt, die dort auf ihrem Herbstzug Rast machen. Unter den Zugvögeln hat sich die Vogelgrippe ausgebreitet und bisher mindestens 1.000 Tiere versterben lassen. Die Organisation Kranichschutz Ost-Havelland warnt vor unzureichendem Handeln der Ämter.
„Die Vögel fallen gerade wirklich tot vom Himmel“, sagt Matthias Bruck, Sprecher des Brandenburger Umweltministeriums, zur taz. Es handle sich momentan um einen „in dieser Größenordnung bislang einmaligen Ausbruch“ der Grippe unter Kranichen. Es habe in Deutschland zwar schon epidemische Ausbrüche der Vogelgrippe gegeben, insbesondere Kraniche seien aber nie in dem Ausmaß betroffen gewesen.
Das Vogelsterben findet vor allem im Teichland Linum im Landkreis Ostprignitz-Ruppin statt, es gilt als größter Kranichsammel- und Rastplatz in Mitteleuropa. Jährlich sollen hier bis zu 100.000 Kraniche Station machen, um auf ihrem Weg zu rasten und in der Umgebung zu fressen. Abgesehen von Linum sind auch andere von Kranichen überflogene Gebiete wie der Landkreis Oberhavel betroffen.
Bruck sagt, die Infektion mit der Vogelgrippe sei zuerst bei einem Kranich und zwei Graugänsen endgültig im Labor festgestellt worden, die weiteren Untersuchungen liefen jedoch „auf Hochtouren“. Dass es sich auch bei den vielen anderen Kadavern um Opfer der Vogelgrippe handelt, sei aber eine Sache des „gesunden Menschenverstands“.
Unzureichende Maßnahmen?
Die Eindämmung einer weiteren Ausbreitung der Viruskrankheit liegt Bruck zufolge bisher noch vor allem bei den Landkreisen, bisher habe keine „landesweite Aktivierung“ stattgefunden. So fordert der Landkreis Ostprignitz-Ruppin seine Geflügelhalter*innen auf, die Nutztiere nur im Stall zu füttern und äußere Wasserstellen abzuzäunen, um eine Übertragung von Wild- auf Nutztiere zu verhindern. Darüber hinaus appellieren die Behörden an die Bevölkerung, sich umsichtig zu verhalten und die Rastgebiete vorerst nicht übermäßig aufzusuchen, um die sowieso schon belasteten Wildtiere nicht unnötigem Stress auszusetzen.
Um aber ein rasantes Ausbreiten bei den Kranichen selbst zu verhindern, müssen die infizierten Kadaver eingesammelt und unschädlich entsorgt werden – das passiert Swantje Petersen-Mannshardt zufolge nicht in ausreichendem Umfang. Die Koordinatorin der Gruppe Kranichschutz Ost-Havelland kritisert das „zögerliche Verhalten der Ämter bei der Eindämmung des Superinfektionsherdes“.
Seit inzwischen 20 Jahren sei sie im Kranichschutz involviert, habe einen Grippeausbruch dieses Ausmaßes aber auch noch nicht erlebt. Von den zuständigen Veterinärämtern erwartet sie sich mehr Tatendrang. Während „tausende Kraniche qualvoll an der Vogelgrippe“ sterben, kümmern sich die Ämter nicht ausreichend um die Einsammlung der verendeten Vögel, findet Petersen-Mannshardt.
Stattdessen seien momentan überwiegend ehrenamtliche Helfer*innen im Einsatz, die inzwischen „am Limit“ seien und auch nicht alle Vogelrastplätze abdecken könnten. Es gibt Petersen-Mannshardt zufolge jedenfalls dringenden Grund zu handeln: Die Seuche könnte nicht nur den Bestand der Kraniche gefährden, sondern sich darüber hinaus auf die Kolkraben, Seeadler, Gänse und Enten ausbreiten, mit denen die Kraniche auf den Rastplätzen zusammentreffen.