Berlin – Auf dem Hardenbergplatz hängt an einem hölzernen Blumenkübel ein großes grünes Schild. Darauf steht in weißer Schrift: „Wusstest du, dass Ratten sehr sauber sind? Sie putzen sich mehrmals täglich und verbringen mehr Zeit mit Körperpflege als Katzen.“ Daneben ist eine violettfarbene Ratte aufgemalt, die in einer Badewanne sitzt.

Auch interessant

Anzeige

Auch interessant

Anzeige

Das Ratten-Schild ist Teil eines „Stadttierpfades“, der Kindern auf dem Weg zum Zoo die Stadttiere näherbringen soll (auch Eichhörnchen, Krähen und Tauben). Initiator des Stadtteilpfades“ ist die „Insel-Projekt.Berlin GmbH“, die vom Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf und vom Regierenden Bürgermeister unterstützt wird.

Der zuständige Stadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) teilte uns auf Anfrage mit, es handele sich um ein „niedrigschwelliges Umweltbildungsangebot für Familien, das dazu einlädt, die Berliner Stadtfauna bewusster kennenzulernen“.

Das ist gut gemeint, doch geht dieser „Stadttierpfad“ am Thema vorbei. Mag sein, dass sich die Ratte öfter putzt als die Hauskatze – wenn sie als Haustier in der Stube wohnt, tut sie das vielleicht. Nicht aber, wenn sie in Millionenstärke die Kanalisation bevölkert und Müllberge und Papierkörbe plündert.

An diesem Blumenkasten auf dem Hardenbergplatz hängt das Rattenplakat

An diesem Blumenkasten auf dem Hardenbergplatz hängt das Rattenplakat

Foto: Ufuk Ucta

Dann ist die Ratte ein Schädling, der schwere Krankheiten auf den Menschen überträgt, „unter anderem Hepatitis, Tuberkulose, Tollwut, Fleckfieber, Salmonellen, Typhus, Toxoplasmose und Cholera“. So schreibt es das Bezirksamt Neukölln unter dem Datum vom 16. Juni.

In Neukölln ist der Hermannplatz das Zentrum der Rattenplage. Das Bezirksamt scheiterte mit dem Versuch, den Bestand durch Giftköder zu reduzieren, und erließ ein allgemeines Verbot für das Füttern von Vögeln und Haustieren in der Öffentlichkeit. Außerdem wurde die Beseitigung der Müllablagerungen am Platz angeordnet, die regelmäßig nach dem Wochenmarkt zu finden sind und den Ratten Nahrung liefern.

Alle 12 Bezirke leiden unter einer zunehmenden Rattenplage. In Friedrichshain-Kreuzberg sind vor allem die Kottbusser Brücke, der Traveplatz, der Boxhagener Platz und der Lausitzer Platz befallen.

Mehr zum Thema

In Charlottenburg-Wilmersdorf mussten wegen Rattenbefalls „wiederholt Spielplätze gesperrt werden, zum Beispiel am Klausener Platz oder am Grieser Platz“, erklärt der Senat in seiner Antwort auf eine aktuelle Anfrage der Grünen.

Wenn die Probleme so groß und ernst sind, ist es unpassend, den Kindern zu erklären, wie sauber sich die Ratten halten. Das ist lächerlich. Aufgabe des Senats wäre es, die Rattenplage zu beenden. Davon kann keine Rede sein. Vor zwei Jahren wollte die Landestierschutzbeauftragte einen „Runden Tisch“ zur Rattenplage einberufen. Doch nicht einmal dazu ist es gekommen.

Der Regierende Bürgermeister Wegner (CDU) hat mehrfach angekündigt, Berlin in eine saubere Stadt zu verwandeln. Das sei „für die Vorgängerregierungen oft eine Nebensache gewesen“, kritisierte er in diesem Sommer und versprach: „Das ändern wir jetzt“. Darauf warten wir.

Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de