Die Regierung in London präsentierte das Abkommen mit Frankreich im Juli dieses Jahres als Schlüsselmaßnahme: Für jede Person, die illegal über den Ärmelkanal nach Großbritannien gelangt und von dort nach Frankreich zurückgeführt wird, soll Großbritannien im Gegenzug eine andere Person mit legalem Asylanspruch aus Frankreich aufnehmen. Genannt wurde das Abkommen „one in, one out“.
Doch nun zeigen sich erste Risse: Ein Mann, der im Rahmen des Abkommens von Großbritannien nach Frankreich zurückgeführt worden war, reiste erneut von Frankreich mit einem kleinen Boot über den Kanal nach Großbritannien ein. Das bestätigte ein Sprecher des britischen Innenministeriums der Deutschen Presse-Agentur.
Abgeschobener Mann fühlte sich in Frankreich nicht sicher
Der Betroffene berichtete dem Guardian, er habe sich in Frankreich nicht sicher gefühlt. Dem Bericht zufolge behauptete er, Opfer von modernen Sklaverei- und Schleppernetzwerken in Nordfrankreich geworden zu sein. „Wenn ich mich in Frankreich sicher gefühlt hätte, wäre ich nie wieder nach Großbritannien gekommen“, sagte er.
Zudem zeigen Regierungs- und Medienangaben, dass die Umsetzung des Abkommens hinter den Erwartungen liegt. So berichtete ebenfalls der Guardian, dass unter dem Pilotprogramm bislang nur eine geringe Zahl von Abschiebungen und Gegenaufnahmen stattgefunden hat. Die Vorsitzende eines britischen Ausschusses erklärte demnach, lediglich zwölf Beamte arbeiteten derzeit an der Umsetzung – im Vergleich zu über 1000 Mitarbeitern bei einem früheren Rückführungsprogramm.
Abkommen gerät juristisch und politisch unter Druck
Ergänzend steht das Abkommen auch rechtlich und politisch unter Druck: Laut der Financial Times sei die Vereinbarung zunächst auf ein Jahr befristet. Mehrere EU-Staaten hätten kritisiert, dass das Modell die Verantwortung ungleich verteile. In Frankreich haben NGOs vor dem Conseil d’État Klage eingereicht, weil sie das Abkommen als rechtswidrig ansehen, berichtete Le Monde.
Die hohe Zahl illegaler Bootsüberfahrten macht die Ausgangslage deutlich: Wie der Guardian berichtete, überquerten an einem einzigen Tag mehr als 1000 Menschen in kleinen Booten den Ärmelkanal. Das seien so viele wie seit Monaten nicht mehr. Beim Versuch einer Überquerung des Ärmelkanals sind Anfang September in Frankreich 14 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 60 weitere wurden vor dem Küstenort Le Portel bei Boulogne-sur-Mer aus dem Wasser gezogen. Es handelte es sich um das schlimmste Unglück auf dem Weg nach Großbritannien in diesem Jahr.
Für die britische Regierung ist dieses Versprechen ein zentraler Punkt ihrer Migrationspolitik. Umso größer ist der Imageschaden, wenn schon ein Rückkehrer das Abkommen erneut durchbricht. Unklar ist, wie hoch die Dunkelziffer ist. Politiker und Menschenrechtsorganisationen stellen deshalb die Wirksamkeit des Modells infrage, wie mehrere britische Medien berichteten.