Vierundzwanzig Punkte umfasst die Begründung, mit der im November vergangenen Jahres der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München zu seinem Berufungsurteil kam: Die Stadt Nürnberg muss, wie vom AfD-Kreisverband Nürnberg/Schwabach verlangt, aus der „Allianz gegen Rechtsextremismus“ in der Metropolregion Nürnberg austreten, weil sie durch die Mitgliedschaft in dem Verein gegen das parteipolitische Neutralitätsgebot verstoße.

Besonders interessant ist der letzte Satz der Urteilsbegründung. Er zielt auf die Frage ab, warum die Berufung zulässig war – und weist zugleich in die Zukunft: Die Richter werfen darin die Frage auf, welche Folgen sich aus der staatlichen Neutralitätspflicht ergeben, wenn eine Gemeinde – die Stadt Nürnberg – einer privatrechtlich organisierten Vereinigung – der Allianz gegen Rechtsextremismus – angehört, die sich anhaltend kritisch in der Öffentlichkeit über eine politische Partei – die AfD – äußert. Diese Frage, also ob ein Austritt zu erfolgen hat, sei „bisher höchstrichterlich nicht abschließend geklärt“.

Die Stadt ging gegen das Münchner Urteil in Revision, zuständig ist nun das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Dort wird der Fall am 26. März kommenden Jahres verhandelt. Erhielte die Stadt – wie in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Ansbach und anders als in zweiter Instanz in München – recht, wäre das Verfahren beendet. Schluss wäre auch, wenn die AfD obsiegte. Das wäre zumindest bisher so gewesen.

Nach einer Entscheidung des BVerwG ist die Allianz nun allerdings selbst Prozesspartei, wie zuerst die Nürnberger Nachrichten berichteten und eine Gerichtssprecherin bestätigte. Im Juristendeutsch heißt die von dem Verein beantragte und ihm zugestandene Aufnahme in den Prozess Beiladung. Diese ermöglicht es der Allianz, eigene Anträge in das Verfahren einzubringen.

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Das Bündnis ist nun, wie Kyrill-Alexander Schwarz, Professor für Öffentliches Recht an der Uni Würzburg und Vertreter der Allianz in dem Verfahren, am Telefon sagt, im Falle einer Niederlage der Stadt berechtigt, Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht einzureichen, weil durch den Ausschluss Nürnbergs Grundrechte der Allianz verletzt werden könnten. Sie könnte mithin eine höchstrichterliche Klärung herbeiführen, ob Kommunen wegen des Neutralitätsgebots durch ein Gericht überhaupt aus einem Verein ausgeschlossen werden können.

In den bisherigen beiden Instanzen ging es zwar um die Stadt und ihre Mitgliedschaft in der Allianz – unbeachtet blieb indes, welche Auswirkungen der erzwungene Austritt Nürnbergs auf den 2009 gegründeten Zusammenschluss mit inzwischen mehr als 520 Mitgliedern, darunter 164 Kommunen und Landkreise der Metropolregion, selbst hätte.

Zum einen sieht Jura-Professor Schwarz seine Vereinsfreiheit gefährdet, wenn ein Mitglied zum Austritt gezwungen würde. Zum anderen könne solch ein Austritt die Meinungsfreiheit des Vereins berühren, wenn er auf bestimmte – AfD-kritische – Äußerungen verzichten müsste, wollte er den gerichtlich erzwungenen Austritt weiterer Mitglieder vermeiden. Zwei Grundrechte also.

MeinungMitten in Nürnberg

:Nürnberg muss austreten aus der Allianz gegen Rechtsextremismus – hat aber noch eine Chance SZ PlusKommentar von Olaf Przybilla

Wie das Verfahren im März ausgeht, ob der Weg bis zur letzten Instanz in Karlsruhe für die Allianz nötig wird, hält Schwarz für „völlig offen“. Er spricht von einer „sehr fragilen Grenze“ zwischen „kommunikativer Verfassungsverteidigung“ und „einseitiger, parteiischer Einflussnahme auf den politischen Diskurs“ durch die Stadt, welche die Allianz auch finanziell unterstützt. Es geht darum, was – der Neutralität verpflichtete – Kommunen gegen Extremismus und extremistische Parteien tun, was sie sagen dürfen. Fragen, die aus Schwarz’ Sicht einer grundsätzlichen Klärung bedürfen.

Die Allianz erreichen derweil nach Angaben ihres Vorsitzenden Stephan Doll aus ganz Deutschland sorgenvolle Anfragen, was es bedeuten würde, bekäme die AfD recht – etwa für vergleichbare Bündnisse oder staatlich bezuschusste Jugendarbeit gegen Rechtsextremismus. Für die AfD sei dies „ein Musterverfahren“, sagt Schwarz. Ihr Erfolg würde „zivilgesellschaftliches Engagement gefährden“.

Der AfD-Kreisverband Nürnberg/Schwabach reagierte auf die Bitte der SZ um eine Stellungnahme bis zum Mittwochnachmittag nicht.