Die schönsten Geschichten schreibt der Fußball, heißt es. Und da ist was dran. Im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund gibt es jede Menge davon zu entdecken. Beispielsweise wie der unvergessene Christoph Daum (1953-2024) seine Profis von Bayer Leverkusen 1999 bei einem besonderen Motivationstraining über Glasscherben laufen ließ. Oder wie der Gladbacher Herbert Laumen 1971 im Spiel gegen Werder Bremen statt des Balles im Netz zappelte und so das Tor zum Einsturz brachte. Das Spiel wurde nach dem „Pfostenbruch vom Bökelberg“ abgebrochen und 2:0 für Werder gewertet. Ab 1972 gab es dann nur noch Tore aus Aluminium.
DFB hatte die Idee
Die Idee, ein nationales deutsches Fußballmuseum zu gründen, hatte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) 2006 nach der WM im eigenen Land. Finanziert aus dem Gewinn des „Sommermärchens“ sollte eine Walhalla des Sports entstehen. 14 Städte hatten sich als Standort beworben. Neben den Spielstätten der WM waren auch Oberhausen und Karlsruhe dabei. Am Ende setze sich Dortmund durch. Schlägt im Ruhrgebiet mit all seinen Traditionsvereinen doch das Herz des deutschen Fußballs. Idealer Standort also für einen solchen „Ballfahrtsort“, der direkt gegenüber des Düsseldorfer Hauptbahnhofs liegt.

Der Ball als Projektionsfläche für Helden und Emotionen: Die weiße Kugel dient als Leinwand, auf der ein Film an den deutschen Sieg bei der Fußball-WM 2014 erinnert. (Foto: DFM)
Beim Architekturwettbewerb setzte sich damals das Düsseldorfer Büro HPP Hentrich-Petschnigg & Partner durch. So entstand auf einer Fläche von 7700 Quadratmetern eine Kultstätte, die mit mehr als 1600 Exponaten die 140-jährige Geschichte des deutschen Fußballs nacherzählt und als Ort für Veranstaltungen gebucht werden kann. Kindergeburtstage und Vereinsfeiern finden hier ebenso statt wie Auslosungen des DFB-Pokals.
Besucherrekord im EM-Jahr
Seit der Eröffnung am 25. Oktober 2015 kommen jährlich im Schnitt 200.000 Besucher. Nach dem Einbrechen der Zahlen während der Corona-Pandemie konnte das Museum in den vergangenen beiden Jahren mit 254.000 Besuchern 2023 und 289.000 im EM-Jahr 2024 Besucherrekorde vermelden. Nicht schlecht. Auch, wenn bis zu den 500.000 im National Football Museum in Manchester als meistbesuchtem Fußballmuseum der Welt noch Luft nach oben ist.

Auch wer kein Fan ist, hat seine Freude an der Ausstellung im Deutschen Fussballmuseum. (Foto: DFM/Stephan Schütze)
Eine Mannschaft besteht aus elf Spielern.
Bundestrainer Sepp Herberger
Und nun mal hineingeschnuppert: Vorbei an eingespielten Fangesängen geht es auf einer Rolltreppe in die erste von drei Ausstellungsebenen. Gemeinschaft beschwörend steht da über dem Eingang in eine Rotunde das berühmte Zitat von Sepp Herberger: „Eine Mannschaft besteht aus elf Spielern.“ Im Inneren schart sich die Weltmeisterelf um den Originalendspielball von 1954. Helmut Rahns in Bronze gegossener Siegtorschuh ist zu sehen und in einem Modellbahn-Diorama der „Triumphzug“ der Weltmeister, dem bei ihrer Rückkehr mit dem Sonderzug aus der Schweiz überall entlang der Strecke die Menschen zujubelten.

Die deutsche Weltmeisterelf von 1954 schart sich um den Originalendspielball. (Foto: Welf Grombacher)
Von der Hauptachse der Ausstellung, die sich der Nationalmannschaft widmet, gehen zwei Nebenstränge ab. Der eine erzählt die Geschichte des im Jahr 1900 in Leipzig gegründeten DFB. Ehemalige Präsidenten werden gefeiert, die Skandale allerdings ausgespart. So kennt man das vom DFB.

Das ausgestellte Plakat von 1956 wirbt für den „Fußball-Großkampf“ zwischen ost- und westdeutschen Kickern. (Foto: Welf Grombacher)
Fußball in der DDR
Im zweiten Nebenstrang wird der Fußball der DDR gewürdigt. Ein historisches Plakat von 1956 wirbt für den „Fußball-Großkampf“ zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und SC Wismut Karl-Marx-Stadt. Das Ländertrikot von Rekordnationalspieler Joachim Streich (102 Spiele, 55 Tore) ist ausgestellt. Und der Ehrenpokal, den Hans-Jürgen Dörner bekam, weil er dreimal Fußballer des Jahres wurde (1977, 1984, 1985). In einer Vitrine steht der FDGB-Pokal neben dem Europapokal der Pokalsieger, den Magdeburg 1974 gegen den AC Mailand gewonnen hat. Ein Wandtableau zeigt geflohene Fußballspieler wie Norbert Nachtweih, Jens König und André Köhler, die in der DDR als „Sportverräter“ galten.

Mario Götzes Siegtor im Endspiel der Fußball-WM 2014 ist im Museum zu erleben. (Foto: Welf Grombacher)
Mit der Wiedervereinigung und dem Weltmeistertitel 1990 laufen die Erzählstränge zusammen. In einer Miniausgabe des Olympiastadions von Rom lassen sich auf der Anzeigentafel Szenen des Endspiels einspielen. Andi Brehmes Elfmeter! Nebenan erklingen im kleinen Tonstudio WM-Songs der Nationalelf. Im Raum, der sich dem Weltmeister-Titel von 2014 widmet, erwartet die Besucher der Gips von „Capitano“ Michael Ballack, der nach einem Foul von Kevin Prince Boateng die Endrunde verpasste, sowie der Schuh von Mario Götze, der das Siegtor im Endspiel gegen Argentinien schoss. Die Erde aus dem Maracana-Stadion klebt noch an den Stollen. Daneben ist der Abguss des Tintenfisches Paul zu bestaunen, der als „Krakenorakel“ die Siege der Nationalelf voraussagte.

An Mario Götzes Siegtorschuh im Endspiel gegen Argentinien 2014 klebt noch die Erde. (Foto: Welf Grombacher)
Modernste Multi-Media-Technik
Über Lautsprecher schallt der fast schon philosophische Satz von Ex-Bundestrainer Joachim Löw: „Das letzte Unberechenbare ist der Ball.“ Bevor im Kino dann Thomas Müller und Leroy Sané als 3-D-Animationen die Triumphe der „Nati“ Revue passieren lassen und eine Ausstellungsebene tiefer die Historie von Bundesliga und Champions League erzählt wird. Alles mit modernster Multi-Media-Technik und interaktiv. Fußball wird als Spektakel inszeniert, als Hochglanz-Produkt. Auch wer kein Fan ist, wird seine Freude an der Ausstellung haben. Aus vielen kleinen Geschichten setzt sich die große Geschichte zusammen. Den Abschluss bildet eine Hall Of Fame, in welcher verdiente deutsche Spieler versammelt sind. Die jüngsten Neuzugänge sind Guido Buchwald, Bastian Schweinsteiger, Horst Hrubesch, Otto Rehhagel, Bert Trautmann und Jupp Heynckes.

Fußball wird in Dortmund als Spektakel und als Hochglanz-Produkt inszeniert. (Foto: DFM/Angerer)
Zum zehnjährigen Jubiläum gibt es neben zahlreichen Veranstaltungen eine immersive Sonderausstellung über Günter Netzer, den „ersten Popstar des deutschen Fußballs“. Er erzählt selbst, während auf vier riesigen Leinwänden Bilder von ihm vorbeiflimmern, beispielsweise wie er in Mönchengladbach seines extrovertierten Äußeren wegen bestaunt wurde. Oder dass er als Besitzer der Disco „Lovers‘ Lane“ seinen Ferrari davor parkte, weil dann mehr Besucher kamen – sie glaubten nämlich, er sei auch im Lokal. Schöne Geschichte. Eine von vielen, die im Deutschen Fußballmuseum zu entdecken sind.
Deutsches Fußballmuseum Dortmund, Platz der Deutschen Einheit 1, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr; www.fussballmuseum.de