Ein Mann mit hellbraunen Haaren und Brille lächelt in die Kamera.

AUDIO: Florian Illies präsentiert sein Sachbuch über die Familie Mann (3 Min)

Stand: 23.10.2025 17:38 Uhr

Bestsellerautor Florian Illies hat im Lichthof der Universitätsbibliothek in Hamburg sein neues Sachbuch über die Familie von Thomas Mann im Exil vorgestellt – ein historischer Rückblick, der sich wie ein atemloser Kinofilm liest.

von Peter Helling

Es ist Thomas-Mann-Jahr, der Autor wurde vor 150 Jahren geboren, und gegen Ende des Jubiläumsjahres erscheint jetzt ein neues Sachbuch über seine Familie im französischen Exil. Das schöne Foto auf dem Buchcover trügt – eine Frau sitzt auf einer sonnigen Terrasse, den eleganten Strohhut tief ins Gesicht gezogen. Hinter ihr das Mittelmeer im kleinen französischen Ort Sanary-sur-Mer.

Idyll deutet Tragödie an

„Was ich verraten kann: Es ist exakt die räumliche Situation jener Villa, in der die Familie Mann in Sanary später gelebt hat, auf einer Landzunge“, erzählt Illies dem Publikum. Was hier wie ein Idyll aussieht, deutet auf eine Tragödie hin, zeigt das Exil. Und setzt die Atmosphäre seines dichten Sachbuches: „Wenn die Sonne untergeht - Familie Mann in Sanary“.

Es geht um den Schicksalssommer 1933, das Jahr, als Hitler in Deutschland die Macht übernahm – das Jahr, in dem das Exil für die vielleicht bekannteste Künstlerfamilie überhaupt begann. „Ich glaube, dass die Momente, in denen wir uns unbeobachtet fühlen, am meisten über uns erzählen, und in diesem Sommer ’33 fühlten sich Thomas und diese Familie unbeobachtet. Die ist so aus der Bahn geworfen durch dieses plötzliche Aufkommen des Nationalsozialismus in Deutschland – dieses plötzliche Exil“, erklärt der Autor.

Familie unter dem Mikroskop

Florian Illies wählt einen zeitlichen Ausschnitt, nähert sich dieser Familie von Genies und vertrackten Existenzen mit gebotener Ironie und liebevoller Distanz, setzt sie unter sein Mikroskop:

Thomas Mann unterdrückt seine Wut und zieht das nach Veilchen duftende Taschentuch aus der Jacke. Er entfaltet den Seidenstoff dabei nie, sondern tupft sich nur ernst und kurz die Stirn.

Leseprobe

Der Autor liest, ohne in seine Texte zu blicken, als kenne er jede Zeile auswendig, die Finger aneinandergelegt. Florian Illies hat die Villa der Manns vor Ort tatsächlich besucht, eine Baustelle, ist über den Bauzaun geklettert, hat gelauscht, was die Manns damals hörten. „Man hört das Meer, und so saß ich da, lange“, schwelgt er in der Erinnerung. Eine Badezimmerfliese hat er aus dem Bauschutt gerettet.

Cover: Florian Illies, "Wenn die Sonne untergeht – Familie Mann in Sanary"

Florian Illies erzählt gewohnt charmant und kenntnisreich. Er montiert Dutzende Anekdoten zu einem packenden Erzählstrom.

Mikro-Einblick statt Vorgelperspektive

„Der Mikro-Einblick in diese Zeit: Es gibt ja etliche Bücher über diese Zeit, und da ist so ein kleiner Ausschnitt manchmal erhellender als die Vogelperspektive“, erzählt ein Besucher. „Die Familie ist natürlich an sich schon spannend. Ich mag aber auch die leicht ironische Art von Florian Illies, so ein Geschichtsbild zu entwerfen“, bemerkt eine Besucherin

Die Manns mussten sich finanziell keine Sorgen im Exil in Sanary machen, sie lebten auf großem Fuß, fast wie die Royals. Illies nennt es ein „Exil de luxe“. Hinter der Mittelmeer-Idylle bricht aber eine Welt zusammen. Das Haus der Manns in München wird geplündert, ihre Bücher werden verbrannt. „Er hat einfach das Gefühl dafür, eine besondere Zeit auszuwählen“, betont eine Besucherin. „Informativ und unterhaltsam, besser kann’s gar nicht sein.“

Abend zwischen Ironie und Abgrund

Was Florian Illies gelingt, ist das Porträt eines dramatischen Übergangs: Er erzählt, wie das Elternpaar Mann aus München, ohne es zu ahnen, Deutschland für immer verließ, wie Golo Mann die Tagebücher von Thomas und Klaus vor den Nazis rettete, wie Erika und Klaus sich Drogen spritzten. Immer in Angst vor dem Übervater.  

Da kommt der Hausherr aus seinem Arbeitszimmer und geht mit festem Schritt zu seinem Platz – mit einem kleinen Kopfnicken gibt er seinen Kindern das Zeichen, sich setzen zu dürfen.

Leseprobe

So entsteht ein nachdenklich-poetischer Abend zwischen Ironie und Abgrund. „Der Weltgeist, er war in diesem Jahr 1933 eindeutig nicht in Berlin. Ich glaube, er war auch im Exil, in Sanary“, sagt Illies. Exil kennt keine Romantik. Ist immer existenziell, ob de luxe, oder in blanker Armut.

Ein Mann mittleren Alters steht, die Hände in die Hosentaschen, vor einer Flusslandschaft. Es ist der Autor Thomas Mann (Schwarz-Weiß-Bild) 1953 bei einem Besuch Hamburgs.

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