Zahlreiche Menschen nehmen an einer Demonstration auf dem Heldenplatz im Zentrum von Budapest teil.

Stand: 23.10.2025 19:43 Uhr

Im Frühjahr wählt Ungarn ein neues Parlament. Mit Großkundgebungen von Regierung und Opposition hat nun der Wahlkampf begonnen. Sie standen im Zeichen gegensätzlicher Positionen zu Russland und zum Krieg gegen die Ukraine.

In der ungarischen Hauptstadt Budapest sind Zehntausende Regierungs- und Oppositionsanhänger auf die Straße gegangen. Die beiden Kundgebungen, zu denen jeweils die Regierungspartei Fidesz und Oppositionsführer Peter Magyar von der Tisza-Partei aufgerufen hatten, gelten als Startschuss für den Wahlkampf.

Bei der Parlamentswahl nächsten April hat die Opposition reelle Chancen, den seit 15 Jahren regierenden Ministerpräsidenten Viktor Orban im Amt abzulösen.

„Einziges Land in Europa frei von Migranten“

Am Vormittag hatten sich Anhänger von Orbans Fidesz am Donauufer versammelt, von wo aus sie zum gegenüberliegenden Parlament zogen. Orban machte in seiner Rede auf die gespannten Beziehungen zu Brüssel aufmerksam und lobte den Einsatz seiner Unterstützer für konservative Werte. Ungarn sei heute als „einziges Land in Europa frei von Migranten“, so der Rechtspopulist.

„Diejenigen, die glauben, sie würden einen Regierungswechsel (in Ungarn) unterstützen, unterstützen in Wirklichkeit den Krieg, ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht“, sagte der prorussische Regierungschef vor zahlreichen fahnenschwenkenden Anhängerinnen und Anhängern. Erneut kritisierte er die Militärhilfe europäischer Staaten für die Ukraine, die den Krieg hinauszögere. Ungarn sei das einzige Land in der Region, das sich für Frieden einsetze.

Die Kundgebung am Jahrestag des ungarischen Volksaufstands gegen die sowjetischen Besatzer (1956) war als „Friedensmarsch“ bezeichnet worden.

Peter Magyar, Vorsitzender der Oppositionspartei Tisza, legte mit seinem „nationalen Marsch“ nach.

Oppositionsführer mit guten Chancen

Am Nachmittag legte Oppositionsführer Magyar mit seinem „nationalen Marsch“ nach, der zugleich den Abschluss seiner 80-tägigen Wahlkampftour durch Ungarn bildete. Im Regen waren die Tisza-Unterstützer mit Plakaten durch die Innenstadt gezogen. Darauf war zu lesen: „Eine bessere Zukunft kommt nicht, sie muss geschaffen werden“ und „Zurückholen, was dem Volk gehört“.

Magyar warf Orban dessen gute Beziehungen zu Kremlchef Wladimir Putin vor. Der heutige Ministerpräsident war 1989 als aufstrebender Politiker gegen den Ein-Parteien-Staat aufgetreten. Heute sei Orban „der treuste Verbündete des Kremls“ und wolle das damals von ihm verurteilte System wieder aufbauen. Mit Blick auf die guten Beziehungen Orbans zum Kreml rief Magyar in russischer Sprache: „Tovarischtschi, konjets (Genossen, Ende).“ Etliche Demonstrierende in der Menge skandierten „Russen, geht nach Hause“, wie eine Reporterin der Nachrichtenagentur dpa beobachtete.

Erstes großes Kräftemessen der Lager

Expertinnen und Experten werten die Kundgebungen als erstes großes Kräftemessen vor der Parlamentswahl. „Es ist das erste Mal, dass beide Lager gleichzeitig Massendemonstrationen abhalten, insofern ist es auch ein Wettbewerb um Teilnehmerzahlen und Bilder“, so Politologe Peter Techet vom Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) in Wien.

Magyar gilt derzeit als größte Bedrohung für die umstrittene Orban-Regierung, seine Tisza führte zuletzt die Umfragen an. Beliebt sei der Oppositionelle nicht vorwiegend wegen seiner Persönlichkeit oder seines Programms, sondern weil er die einzige Möglichkeit für Orbans Abwahl darstelle, so Techet. „Das heißt: Nicht für Magyar wird gestimmt, sondern gegen Orban.“