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Technologie als geopolitische Waffe: die USA verhängen Sanktionen, China stoppt Exporte, die Niederlande übernehmen Nexperia. Die Autoindustrie zittert.
Nijmegen – Die niederländische Regierung hat die Kontrolle über den Chiphersteller Nexperia übernommen. Es ist ein beispielloser Vorgang in der europäischen Technologiebranche. Der chinesische Firmenchef Zhang Xuezheng wurde per Gerichtsbeschluss abgesetzt – und das auf Druck der US-Regierung.
Der Grund: Die Weitergabe sensibler Technologie an die chinesische Mutter soll verhindert werden. Doch der staatliche Eingriff löst das eigentliche Problem nicht: Nexperia kann seine Lieferungen an Autobauer nicht mehr garantieren.
Handelsstreit um Nexperia eskaliert: Chip-Exporte in Gefahr
Halbleiter wie jene des niederländischen Unternehmens stecken in fast jedem modernen Auto in Europa – und nun drohen Engpässe wegen des anhaltenden Handelskriegs zwischen den USA und China.
In der ohnehin angeschlagenen Autoindustrie wächst die Sorge vor neuen Produktionsstopps. Ersatz für die Bauteile gibt es kurzfristig kaum – und der europäische Herstellerverband schlägt Alarm.
Chinesischer Konzern, deutsche Produktion und die globale Krise
Der niederländische Chiphersteller ist seit einigen Jahren im Besitz des chinesischen Konzerns Wingtech. Das Unternehmen produziert in Hamburg mit rund 2.500 Angestellten einfache Halbleiter wie Dioden und Transistoren. Nach der Fertigung in Norddeutschland werden die Chips zur Weiterverarbeitung in die Volksrepublik geliefert, schildert die Nachrichtenagentur Reuters.
Handelskrieg zwischen den USA und China: Chiphersteller Nexperia ist mit beidseitigen Ausfuhrbeschränkungen konfrontiert (Symbolbild). © Anadolu Agency/CFOTO/Imago; Bildmontage: IPPEN.MEDIA
Das chinesische Handelsministerium untersagt mittlerweile den Export bestimmter Bauteile, die mit Nexperia-Halbleitern ausgestattet sind. Laut Wingtech betrifft das rund 80 Prozent der Endprodukte. Zuvor geriet das Unternehmen in den USA auf eine Sanktionsliste – US-Firmen dürfen keine Geschäfte mehr machen. Das Ergebnis: Der Chiphersteller kann seine Belieferung der Autobauer nicht mehr sicherstellen. Am 10. Oktober wurden die Kunden informiert, dass die Bestände nur noch für wenige Wochen reichen könnten.
Autoindustrie in Sorge: Von BMW über Mercedes bis Volkswagen
Die Meldung beunruhigt die bereits unter Druck stehende europäische Automobilbranche. Der Verband ACEA warnt in einer Mitteilung vor Produktionsstopps, sollten die Nexperia-Chips ausbleiben. „Wir befinden uns plötzlich in dieser alarmierenden Lage“, so ACEA-Generaldirektorin Sigrid de Vries. „Wir brauchen wirklich schnelle und pragmatische Lösungen von allen beteiligten Ländern.“
Auch die US-Autolobby drängt: „Wenn die Lieferung von Auto-Chips nicht schnell wieder aufgenommen wird, wird dies die Autoproduktion in den USA und vielen anderen Ländern stören und einen Dominoeffekt auf andere Branchen haben“, zitiert Reuters John Bozzella, Chef der Alliance for Automotive Innovation.
Betroffen wären nicht nur deutsche Hersteller wie BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen, sondern auch große Zulieferer wie Bosch, Aumovio oder Valeo.
USA gegen China: Staatlicher Eingriff mit politischen Motiven
Der Fall hat oberste politische Priorität. Laut Gerichtsdokumenten erfolgte die Absetzung des Firmenchefs Zhang Xuezheng auf Drängen der US-Regierung. Das Ziel: Den Transfer sensibler Technologie an den chinesischen Mutterkonzern stoppen.
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Das niederländische Wirtschaftsministerium begründete den Schritt mit „akuten Anzeichen für schwerwiegende Mängel in der Unternehmensführung und Handlungen“ bei Nexperia. Dabei gehe es um den Schutz wichtiger technologischer Kenntnisse und Fähigkeiten für Europa. Details zu den Governance-Problemen nannte die Regierung dem Bericht zufolge nicht.
Nexperia-Chips als geopolitische Waffe im Welthandel
Der Nexperia-Konflikt verdeutlicht, wie Halbleiter zum Instrument der Weltpolitik geworden sind. Die USA haben bereits zuvor den Export modernster Technologien aus den Niederlanden nach China eingeschränkt. China wiederum reagierte mit Exportbeschränkungen für Seltene Erden, die für die Chipproduktion und andere Branchen unverzichtbar sind. Das chinesische Handelsministerium verwies explizit auf die US-Maßnahmen als Grund für diese Schritte.
Bereits früher geriet Nexperia aufgrund seiner chinesischen Besitzer ins Visier westlicher Sicherheitspolitik: Schon 2022 verhinderte Großbritannien den Kauf einer Chipfabrik durch Nexperia, aufgrund von nationalen Interessen. Die USA versuchen schon länger, wirtschaftspolitisch den Druck auf China zu erhöhen.
Halbleiter: Fragile Lieferketten bedrohen Nexperia-Partner
Die europäischen Automobilhersteller sehen sich an einer weiteren Front mit ernsten Problemen konfrontiert. BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen betonen, dass ihre Produktion aktuell weiterläuft. Dennoch bleibt die Ungewissheit bestehen, und die Konzerne pflegen intensiven Austausch mit ihren Zulieferern, um Gefahren rechtzeitig zu identifizieren. Warum sich die Lage entspannen könnte: Der bisherige deutsche Finanzvorstand Stefan Tilger übernimmt bei Nexperia übergangsweise die Führung.
Die Erinnerungen an die Corona-Pandemie, als Halbleiter aus Asien Mangelware waren, sind noch frisch. Klar ist: Die Kontrolle über kritische Lieferketten wird für Europa aus wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten immer wichtiger.