Die weltweit grösste Kunstmesse im Grand Palais profitiert von den hochkarätigen Pariser Kunstinstitutionen. So zeigt die Fondation Louis Vuitton eine Überblicksschau zu Gerhard Richter. An der Art Basel kann man seine Werke kaufen.
Laura Helena Wurth, Paris23.10.2025, 15.44 Uhr
Ein ikonisches Werk aus der Wolkenserie von Gerhard Richter am Stand der Galerie David Zwirner aus New York.
Courtesy of Art Basel
Wenn man in Paris Kunst zeigt, dann hat man harte Konkurrenz. Die Institutionen der Stadt buhlen mit Blockbuster-Ausstellungen um die Gunst des Publikums. Und dann ist da auch noch die Stadt selbst, die an jeder Ecke schöner ist, als man sie letztes Mal verlassen hat.
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Umso überraschender scheint es, dass die Art Basel Paris in diesem Jahr einen zusätzlichen und noch exklusiveren Vorbesichtigungstag eingeführt hat, um dem Andrang besser Herr werden zu können. Jede der 206 Galerien durfte dafür sechs Sammler einladen und ihnen ihre mitgebrachte Kunst bereits einen Tag früher präsentieren.
Der Schweizer Galeriegigant Hauser & Wirth vermeldete daraufhin direkt den Verkauf eines Werks von Gerhard Richter aus dem Jahr 1987, für das 23 Millionen Dollar verlangt wurden. Kurz zuvor hatte die Fondation Louis Vuitton eine grosse Retrospektive des Malers eröffnet.
Von anderen Galerien hört man von aufgebrachten Sammlern, die nicht zur Vorbesichtigung vor der Vorbesichtigung eingeladen waren und deswegen um ihre eigene Bedeutung zu fürchten scheinen. Der Fluch der Exklusivität: Ein Galerist zuckt auf Nachfrage ungerührt mit den Schultern und sagt, dass die Sammler dann wohl mehr kaufen müssten, um noch früher eingeladen zu werden. Den Geschäften scheint die weitere Möglichkeit zur Verknappung also nicht zu schaden.
Selbst ein Altmeister findet sich an der Art Basel in Paris: Peter Paul Rubens Gemälde «The Virgin and Christ Child, with Saints Elizabeth and John the Baptist» bei Gagosian für 7 Millionen Dollar.
Foto: Fredrik Nilsen / Courtesy Gagosian
Meister und Schüler
Neben Richter selbst legt auch sein bisher eher unbekannter Schüler, der 1995 verstorbene Ull Hohn, einen grossen Auftritt hin. Erst zu Beginn des Jahres wurde ihm eine umfassende Ausstellung im Berliner Haus am Waldsee ausgerichtet, jetzt ist sein Werk zentral am Stand der Galerie Neu platziert. Wenn man um die Verbindung der beiden weiss, kann man sie auch erkennen: der dichte Farbauftrag und die ganz eigene Verzweigung der Farbschichten. Im Tageslicht, das das Grand Palais als Messestandort einzigartig macht, erkennt man in den dichten Schichten beiger Lackfarbe Rosa, dunkles Braun, sogar an einer Stelle einen kleinen Schimmer Grün.
Ebenso bei Galerie Neu wird der Shootingstar Louis Fratino gezeigt. Er erhielt mit seiner Malerei bei der vergangenen Venedig-Biennale viel Aufmerksamkeit. Um das kleine Bild drängt sich eine Traube Menschen, und so verwundert es nicht, dass es bereits für 45 000 Dollar verkauft ist. Unauffälliger, aber nicht weniger bemerkenswert, ist die filigrane, sich leicht im Messewind wiegende Textilarbeit von Isabella Ducrot (35 000 Euro) am Stand von Standard aus Oslo, die gerade mit ihren 94 Jahren den Höhepunkt ihrer internationalen Karriere erlebt.
Rund um die Art Basel: Installationsansicht von «The Elephant in the Room» (2023) von Julius von Bismarck im Petit Palais in Paris.
Courtesy the artist; Alexander Levy, Berlin; Sies + Höke, Düsseldorf.
Von den Krisen der Welt ist im Grand Palais kaum etwas zu spüren. Am Stand von Jack Shainman hat eine besonders schöne, grossformatige Malerei dreier Äpfel essender schwarzer Frauen von Lynette Yiadom-Boakye bereits für 750 000 Dollar den Besitzer gewechselt. Und auch der im Sonnenuntergang trottende Bär, den Friedrich Kunath gemalt hat, wurde am Stand von Max Hetzler für 115 000 Dollar abgesetzt. Sonnenuntergänge scheinen ein beliebtes Motiv, und so ist auch Rob Pruitts «Month of Sunsets» bei der Galerie 303 für 175 000 Dollar schon nicht mehr verfügbar.
Obwohl die Pariser Messe auf den ersten Blick übersichtlich erscheint, darf man sich nicht täuschen lassen. In den weit verzweigten Hallen des Gebäudes verbergen sich noch so manche Schätze. So kann man in der «Emergence»-Sektion, die jungen Galerien die Möglichkeit für Einzelpräsentationen bietet, die beeindruckende Spiegelinstallation der jungen Künstlerin Mira Mann sehen. Die Galerie Drei aus Köln hat sie mitgebracht und bietet jetzt müden Messebesuchern die Möglichkeit zum raschen Blick in den Spiegel.
Aus der Aufteilung des Grand Palais ergibt sich eine interessante Allegorie auf die Beschaffenheit des Kunstmarkts. Die etablierten Galerien tragen die Aufstrebenden, und so sind die Riesen, die die grossen Verkäufe einfahren, ebenerdig angesiedelt und die Jüngeren im oberen Stockwerk. Das führt jedoch auch dazu, dass es etwas dauert, bis die Sammler hochgespült werden und sich und ihr Kapital gleichmässig verteilen.
Tageslicht erhellt die Messestände unter der Glaskuppel des Grand Palais.
Courtesy of Art Basel
Begehrte Kleinformate
Es gibt überraschend kleine Momente auf dieser Art Basel Paris. Etwa die angefaulten Orangen aus bemaltem Beton bei der Galerie Marian Goodman von Álvaro Urbano, die in einer Ecke liegen und vom geschulten Publikum als Kunst wahrgenommen werden (13 500 Euro), in jedem anderen Kontext jedoch sofort vom Reinigungspersonal entfernt werden würden.
Oder die kleinen Brotlaibe (30 000 Euro), die bei Sfeir-Semler auf dem Boden liegen und einen Besucher dazu verleiten, laut zu verkünden, dass er das jetzt sehr gern essen würde. Sie sind von Sung Tieu, die im kommenden Jahr den deutschen Pavillon auf der Venedig-Biennale bespielen wird, und wurden mit exakt sieben Millilitern Alkohol injiziert: ein Kommentar auf die komplizierten Verflechtungen der französischen Kolonialmacht in Vietnam zur Lizenzierung von Alkohol.
Die Pariser Kunstinstitutionen fahren zur Art Basel hochkarätige Ausstellungen auf: Gerhard Richter in der Fondation Louis Vuitton.
Luc Castel / Getty
Es scheint eine gewisse Freude am kleinen Format zu geben. Nicht nur Louis Fratinos Werke bei Galerie Neu sind klein, auch die surrealistische Malerei der bereits 1977 verstorbenen Gertrude Abercrombie bei Karma International ist von bescheidenem Format, ganz im Gegenteil zum opulenten Rahmen (450 000 Dollar). Die Grenzen dessen, was man als zeitgenössisch verkaufen kann, sind dehnbarer geworden. Und so hat Blue-Chip-Händler Gagosian gleich ein Gemälde des Altmeisters Rubens für 7 Millionen Dollar mitgebracht, das die versammelte Gegenwartskunst in ihre Schranken weist.
Das dicke Kind, das sich weich an die Jungfrau schmiegt, die Farben, die die Jahrhunderte überdauert haben, erinnern die Besucher daran, dass Kunst, wenn man sich gut um sie kümmert und gut auf sie aufpasst, geradezu ewig existieren und auch ewig gehandelt werden kann. (Bis 26. Oktober.)

