Die Auseinandersetzung um die politisch motivierte Kündigung von Ahmad Othman geht in eine neue Runde. Letzte Woche hat der Aktivist einen „Etappensieg“ errungen, nachdem sein Arbeitgeber, das Land Nordrhein-Westfalen, eingestehen musste, dass seine erste Kündigung rechtswidrig war. Doch das Land hatte bereits vorsorglich eine zweite Kündigung nachgeschoben.

Ahmad Othman in Wien auf dem Palästina-Kongress [Photo by Stefanie J. Steindl/PalästinaKongress]

Ahmad soll entlassen werden, weil er sich in der Palästina Solidarität Duisburg (PSDU) engagiert hatte, die das nordrhein-westfälische Innenministerium unter Herbert Reul (CDU) am 16. Mai letzten Jahres verboten hat.

Er war daher schon im Juni 2024 von der Arbeit suspendiert und Mitte November zum 31. Dezember 2024 gekündigt worden. Dagegen hatte er Kündigungsschutzklage eingereicht. Bereits im April dieses Jahres hatte das Arbeitsgericht Dortmund in erster Instanz festgestellt, dass diese Kündigung unwirksam war, unter anderem weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt wurde.

Vergangene Woche hat nun das Land NRW seine Berufung gegen dieses Urteil zurückgezogen. Das Land hat damit zwar die Rechtswidrigkeit seines eigenen Verhaltens eingestehen müssen. Doch es denkt offensichtlich nicht daran, das Recht von Ahmad anzuerkennen. Denn das Land NRW hat im Juli 2025, nach dem erstinstanzlichen Urteil, eine zweite Kündigung nachgeschoben.

Diese Kündigung enthält weder einen Hinweis auf Fehlverhalten noch einen Vorwurf oder konkreten Sachverhalt. In seiner ersten Kündigung hatte das Land NRW keinerlei rechtliche Grundlage für die Kündigung genannt, sondern sich auf das Verbot der PSDU durch dasselbe Land NRW gestützt. Ahmad hatte damals der WSWS berichtet, dass die Amtsleitung des Landesamts für Qualitätssicherung und Informationstechnologie der Lehrerausbildung (LAQUILA), für das er arbeitet, keinerlei Kritik an seiner fachlichen Arbeit vorbringen konnte. Das LAQUILA warf ihm seine Solidarität mit Palästina, seine angebliche verfassungswidrige Gesinnung (wegen seiner Mitgliedschaft in der PSDU) sowie sein juristisches Vorgehen gegen das PSDU-Verbot vor.

Ahmad Othman und Leon Wystrychowski, zwei von vier mutmaßlichen Führungspersonen der PSDU, deren Wohnungen am Verbotstag von Polizei und Verfassungsschutz durchsucht worden waren, haben gegen das Verbot vor dem Oberverwaltungsgericht Münster Klage eingereicht. Hier spielt das Gericht auf Zeit.

Bereits als die PSDU verboten wurde, hatte die WSWS festgestellt, dass das Verbot jede Kritik am israelischen Völkermord in Gaza und an der Kriegspolitik der Bundesregierung kriminalisiere. Es sei eine „Blaupause für einen Polizeistaat“ und knüpfe „an die Unterdrückungsmethoden des Kaiserreichs und der Nazi-Diktatur an“.

Ahmad ist einer von vielen, die man einzuschüchtern versucht. So wie er sollen alle mundtot gemacht werden, die sich dem Völkermord an den Palästinensern und damit den imperialistischen Interessen Deutschlands in den Weg stellen.

Im Gespräch mit der WSWS hatte Ahmad die politische Bedeutung seines Verfahrens geschildert: „Ich weiß, dass es nicht nur um mich geht. Wenn ich verliere, verlieren wir alle.“ Er wolle daher alle juristischen Mittel nutzen, um seinen Job zurückzubekommen.

Ahmad selbst sieht seine Kündigung auch als Berufsverbot, da ihm in der Kündigung unterstellt wird, er könnte seine Position als IT-ler nutzen, um das Firmennetzwerk für persönliche Zwecke zu missbrauchen – eine unverhohlene Warnung an zukünftige Arbeitgeber.

Das Land NRW hat jede sich bietende Möglichkeit genutzt, den Druck auf ihn zu erhöhen. Über die Bundesagentur für Arbeit setzte das Land Ahmad finanziell zu. Die Agentur verweigerte ihm systematisch Leistungen. Zunächst wurde eine Sperrzeit gegen ihn verhängt, in der er keine finanzielle Unterstützung erhielt. Das Land zögerte die Arbeitgeberbescheinigung für die Agentur monatelang hinaus.

Als das Land diese dann nach Aufforderung des Arbeitsrichters der ersten Instanz doch noch schickte, stand darin, Ahmad sei verhaltensbedingt gekündigt worden – was aber nicht der Fall war. Die Agentur behauptete, Kündigungsschreiben und Arbeitgeberbescheinigung nicht abgeglichen und daher die Leistungen einbehalten zu haben. Dies sei ein Versehen gewesen. Ahmad glaubt nicht daran.

Nach dem erstinstanzlichen Sieg wurde er dann bei der Agentur abgemeldet, obwohl das Urteil nicht rechtskräftig ist und er bis heute nicht wieder eingestellt wurde. Er wurde darüber nicht informiert. So wurden nicht nur erneut sämtliche Zahlungen an ihn eingestellt, sondern er verlor auch seinen Krankenversicherungsschutz. Selbst als sein Anwalt sich an die Agentur wandte, schwieg die Behörde wochenlang und ignorierte dessen Mails.

David North

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Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.

Erst Ende Juni 2025 musste die Bundesagentur einräumen, dass Ahmad zu Unrecht sanktioniert und abgemeldet worden war. Das Arbeitslosengeld wurde ihm dennoch erst einen Monat später wieder ausgezahlt.

Im Verlauf des nun beendeten ersten Kündigungsschutzverfahrens hat das Land mehrfach Fristen verlängert und es bewusst in die Länge gezogen, zuletzt im Berufungsverfahren bis zum 13. Oktober. Es war klar, dass keine gerichtsfeste Begründung existiert, es sollte Zeit gewonnen werden, um den Druck gegen Ahmad aufrechtzuerhalten. Erst als sich abzeichnete, dass keine weitere Fristverlängerung mehr durchsetzbar war, blieb dem Land nichts anderes übrig, als die Berufung zurückzuziehen und damit das eigene Unrecht einzugestehen.

Nun steht die Auseinandersetzung gegen seine zweite Kündigung bevor. Auch dagegen hat Ahmad geklagt. Dieses Verfahren war vom Arbeitsgericht Dortmund Anfang dieses Monats zunächst ausgesetzt worden, weil auf den Ausgang des ersten Kündigungsverfahrens gewartet werden müsse. Da dieses nun abgeschlossen ist, wird das Verfahren zur zweiten Kündigung fortgesetzt. Die Schikanen gegen ihn gehen also weiter.

Das Vorgehen gegen Ahmad und viele andere Gegner des Genozids in Palästina und der israelischen Regierung dienen der Unterdrückung jeder Opposition gegen die imperialistische Neuaufteilung der Welt. Israel dient Deutschland, wie auch den USA, als militärischer Brückenkopf in einer Region, die über riesige Rohstoffvorkommen verfügt und von zentraler geopolitischer Bedeutung ist. Der Widerstand der Palästinenser, der unter den arabischen Massen große Unterstützung genießt, steht der imperialistischen Kontrolle über die Region im Wege. Deshalb muss er ausgeschaltet werden.

Das jetzt von US-Präsident Donald Trump verordnete „Friedensabkommen“ soll Israels Kontrolle über den Gazastreifen institutionalisieren und die Vormachtstellung der USA im Nahen Osten festigen. Gaza wird in ein koloniales Protektorat verwandelt, das von Israels Militär besetzt und von Trumps „Board of Peace“ ausgeplündert wird, während die ethnische Säuberung Gazas weitergeht.

Die wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen Deutschlands und die weitverbreitete Opposition in der Bevölkerung gegen das Vorgehen Israels und der Bundesregierung sind die eigentlichen Gründe für die erbarmungslose Verfolgung der Gegner des Völkermords in Gaza.

Um den Völkermord in Gaza zu beenden, ist die Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse notwendig, in einem vereinten Kampf gegen den Kapitalismus, die Wurzel von Völkermord und Krieg. Die Repressionen gegen Völkermord- und Kriegsgegner sollen genau das verhindern. Umso wichtiger ist der jetzige Erfolg Ahmads gegen das Land NRW.