Brüssel – Bundeskanzler Friedrich Merz treibt derzeit nichts mehr um, als den Dschungel an EU-Regeln und Vorschriften zu lichten. Kommissionschefin Ursula von der Leyen (67) hatte zuletzt eine Reihe von Initiativen dazu auf den Weg gebracht. Doch gleich die erste – Vereinfachungen beim geplanten Lieferkettengesetz – fiel im EU-Parlament durch.

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Die Pointe: Die Pleite verdankt Merz auch der SPD, mit der er in Berlin regiert. Konkret: einer unbekannten Zahl an Genossen in Brüssel, die den Plan sabotierten. Dazu gehört mindestens eine deutsche Abgeordnete, die sich zu ihrem Nein öffentlich bekannt hat.

Am Mittwoch entschied das EU-Parlament, bekannt für seine Unberechenbarkeit, in einer geheimen Abstimmung über einen Kompromiss zur Abschwächung des EU-Lieferkettengesetzes. Ergebnis: Von 661 abgegebenen Stimmen stimmten nur 309 dafür, 318 dagegen, 34 enthielten sich. Und das trotz vorheriger Einigung von EVP (Konservative), Liberalen und Sozialdemokraten, den Weg für die finalen Verhandlungen mit dem Europäischen Rat (Trilog) freizumachen!

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▶︎ In dem Kompromiss ging es u. a. darum, dass die Vorgaben des Lieferkettengesetzes nur noch für Großunternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro gelten sollten.

SPD-Abweichlerin begründet ihr Nein mit „Erpressung“

Doch der vom Rechtsausschuss ausgehandelte Kompromiss von Anfang Oktober stieß auf Kritik. Seine Gegner erzwangen per Antrag, dass darüber noch einmal im gesamten EU-Parlament im Geheimen abgestimmt werden sollte. Hinter den entsprechenden Antrag stellten sich – neben Linksextremen, Rechtsextremen und Grünen – auch 31 Abgeordnete der S&D Fraktion (Sozialdemokraten). Darunter waren nach BILD-Informationen drei deutsche SPD-Abgeordnete.

Eine von ihnen, die bayerische SPD-Abgeordnete Maria Noichl (58), bekannte hinterher freimütig, gegen das große Merz-Ziel gestimmt zu haben. Sie begründete dies in einer Pressemitteilung mit dem Vorwurf, die Fraktion der Konservativen in Brüssel habe die Sozialdemokratie „erpressen“ wollen.

Plötzlich jeder sauer auf jeden

EVP-Chef und CSU-Vize Manfred Weber (53) wies den Vorwurf der Erpressung zurück, erklärte, man habe weitgehende Angebote gemacht. Der Ball liege bei den Sozialdemokraten: „Die Wirtschaft erwartet von uns Klarheit. Das heißt, Bürokratiethemen müssen jetzt umgesetzt und durchgesetzt werden“, sagte Weber auf „phoenix“.

Zusammen gekämpft, doch von Sozialdemokraten ausgebremst: Valerie Hayer, Chefin der Fraktion Renew (Liberale), und Manfred Weber (CSU), Chef der EVP-Fraktion

Zusammen gekämpft, doch von Sozialdemokraten ausgebremst: Valérie Hayer (39), Chefin der Fraktion Renew (Liberale), und Manfred Weber (53, CSU), Chef der EVP-Fraktion

Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Doch nicht nur Weber und der Kanzler sind sauer. Eingeschnappt ist auch der Chef der deutschen Sozialdemokraten im EU-Parlament, Rene Repasi (45) – und zwar wegen der Kanzler-Kritik. Das Europäische Parlament sei Merz nicht rechenschaftspflichtig, er habe die demokratische Mehrheitsentscheidung zu akzeptieren.

Die spannende Frage vor der nächsten Abstimmung – wohl im November – ist nun: Kann SPD-Chef und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (47) die Abweichler in Brüssel auf die Linie der schwarz-roten Bundesregierung bringen? Oder muss er zusehen, wie die Brüsseler Genossen ein zweites Mal das Bürokratiemonster retten?