Wegen seiner Rivalität mit den USA nutzt Peking den Krieg Israels gegen die Hamas, um seinen diplomatischen Einfluss in der Region auszuweiten und verstärkt dabei antiisraelische Narrative.
Shimon Sherman
In den letzten zwei Jahrzehnten behandelte Israel China größtenteils als wertvollen, aber distanzierten Partner, als Quelle für Investitionen, technologische Zusammenarbeit und Zugang zu asiatischen Märkten. Die Beziehung war pragmatisch und wurde sorgfältig gepflegt: Israel vermied es, sich offen der Kritik Washingtons an Peking anzuschließen, während China eine Politik der formellen Neutralität in den Konflikten im Nahen Osten verfolgte. Der bilaterale Handel wuchs stetig, chinesische Unternehmen bauten Infrastruktur in ganz Israel auf, und die diplomatischen Beziehungen blieben freundschaftlich, wenn auch vorsichtig.
Dieses Gleichgewicht brach nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 und dem darauffolgenden Krieg zusammen. Seitdem positioniert sich die chinesische Führung als heimlicher Gegner Israels, führt die internationale Kritik an den Aktionen der israelischen Streitkräfte an, blockiert UN-Resolutionen zur Verurteilung der Hamas und wiederholt Vorwürfe von »kollektiver Bestrafung« der Palästinenser und israelischen »Verstößen gegen das Völkerrecht«.
Die Erklärung von Außenminister Wang Yi vom 14. Oktober 2023, Israel habe »die Grenzen der Selbstverteidigung überschritten«, gab den Ton für die Botschaft Pekings vor, die von den staatlichen Medien aufgegriffen wurde und Israel als Aggressor darstellt sowie propalästinensische Narrative verstärkt.
Opposition gegen Israel
Während Israels Beziehung zu China einst auf stiller Pragmatik beruhte, spiegelt die seit dem 7. Oktober 2023 entstandene Front im Informationskrieg offene Feindseligkeit wider. Peking hat seine globale Medienreichweite und seine Kontrolle über digitale Plattformen genutzt, um die internationale Wahrnehmung des Gaza-Kriegs zu beeinflussen, indem es antiisraelische Narrative verstärkt und gleichzeitig sein eigenes Image als Verteidiger des sogenannten globalen Südens fördert.
In den sozialen Medien ist diese Veränderung unübersehbar. Seit Beginn des Kriegs wird TikTok mit antiisraelischen Inhalten überschwemmt. Dazu Carice Witte, Gründerin und Geschäftsführerin der SIGNAL Group: »In China gab es einen wirklich deutlichen Vorstoß der Regierung durch ihre mittels Zensur ausgeübten Kontrolle, um eine antiisraelische Haltung durchzusetzen. Alle sozialen und traditionellen Medien erhielten ununterbrochen Bilder aus Gaza, um die öffentliche Meinung gegen Israel zu wenden. Soziale Medien unter chinesischer Kontrolle in anderen Ländern wurden wahrscheinlich ebenfalls so getrimmt, dass sie einen ähnlichen Effekt erzielen.«
Darüber hinaus haben mit dem Staat verbundene Konten auf chinesischen Plattformen wie Weibo und Douyin Verschwörungstheorien über »jüdische Finanzmacht« und »versteckten Einfluss« verbreitet, die an den Antisemitismus der Sowjetzeit erinnern, der als antikoloniale Kritik neu verpackt wird.
Zustimmung und Unterstützung
Galia Lavi, stellvertretende Direktorin des Diane and Guilford Glazer Israel-China Policy Center am Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) der Universität Tel Aviv, erklärte, dass Pekings prinzipiell gut etablierte Zensur von Social-Media-Inhalten Zustimmung und Unterstützung signalisiere:
»Dies scheint keine zentral gelenkte Maßnahme der chinesischen Regierung zu sein, sondern eher ein Fall von Toleranz und Untätigkeit. Im besten Fall verschließt Peking die Augen, trotz seiner bekannten Fähigkeit, Online-Inhalte innerhalb Chinas zu kontrollieren und zu zensieren. Im schlimmsten Fall gab es Fälle impliziter Zusammenarbeit, in denen offizielle chinesische Accounts oder Diplomaten antisemitische oder antiisraelische Inhalte auf Social-Media-Plattformen geteilt haben.«
Während Peking seine Informationsoffensive gegen Israel verschärfte, intensivierte es seine Partnerschaft mit Teheran und wurde so zur wichtigsten wirtschaftlichen Lebensader und zum wichtigsten diplomatischen Schutzschild der Islamischen Republik Iran. Die Grundlage dieser Beziehung ist der fünfundzwanzigjährige Kooperationspakt zwischen den beiden Ländern aus dem Jahr 2021, ein umfassendes Abkommen, das langfristige Investitions- und Energieverpflichtungen formalisiert. Bei der Unterzeichnung erklärte Außenminister Wang: »Unsere Beziehungen zum Iran werden von der aktuellen Situation nicht beeinträchtigt, sondern sind dauerhaft und strategisch.«
Im Rahmen des Abkommens sagte Peking im Gegenzug für einen bevorzugten Zugang zu iranischem Rohöl Infrastruktur- und Technologieinvestitionen in Höhe von Hunderten von Milliarden Dollar zu. Das Abkommen hat es dem Iran seitdem ermöglicht, die internationale Isolation zu umgehen und trotz globaler Sanktionen stabile Öleinnahmen zu erzielen.
China ist heute mit Abstand der größte Abnehmer von Rohöl aus dem Iran und hält damit dessen Energiesektor am Leben. Bis 2023 kaufte Peking etwa 91 Prozent der iranischen Ölexporte und pumpte damit Milliarden von Dollar in die von Sanktionen geplagte Wirtschaft des Landes. Ein Großteil dieses Handels wird durch andere Kennzeichnungen und die Nutzung von Zwischenhändlern bemäntelt, um die iranische Herkunft des Öls zu verschleiern.
Diese ursprünglich rein wirtschaftlichen Beziehungen haben mittlerweile auch eine militärische Dimension angenommen. Nachdem Peking die israelischen Angriffe auf den Iran im vergangenen Juni verurteilt hatte und Zurückhaltung forderte, verstärkte es Berichten zufolge stillschweigend seine Unterstützung für Teheran. Westliche Geheimdienstbewertungen und Verteidigungsanalysen deuten darauf hin, dass China den Iran mit HQ-9B-Boden-Luft-Raketen sowie mit Komponenten für die Raketenproduktion, Dual-Use-Elektronik und Leitsystemen versorgt hat, die für den Wiederaufbau der durch die israelischen Luftangriffe beschädigten Anlagen notwendig sind.
Aufrüstung gegen Israel
Der israelische Botschafter in den USA, Yechiel Leiter, warnte kürzlich vor beunruhigenden Anzeichen für eine chinesische Unterstützung Teherans und betonte, dass Jerusalem zwar »gute Beziehungen zum chinesischen Volk wünscht«, aber »nicht akzeptieren kann, dass Peking Hand in Hand mit einem Regime arbeitet, das offen unsere Vernichtung androht«.
Chinas materielle Unterstützung für den Iran geht über den direkten Handel und die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich hinaus und reicht bis zu den Stellvertreter-Netzwerken, auf die sich Teheran in der gesamten Region stützt. So haben im Gazastreifen israelische Streitkräfte in China hergestellte Gewehre, Maschinengewehre und Panzerabwehrwaffen entdeckt, wobei es Hinweise auf iranische Schmuggelkanäle gibt.
Über Beschaffungswege via China und Hongkong wurden auch Präzisionskomponenten für iranische Drohnen geliefert – dieselben unbemannten Luftfahrzeuge, die von der Hisbollah im Norden Israels und von den Huthi im Jemen gegen die Schifffahrt im Roten Meer eingesetzt werden. Im Jemen hat der US-Geheimdienst ein seit 2024 in China operierendes Versorgungsnetzwerk identifiziert, das Steuerchips und Antriebssysteme für ballistische Raketen und Marschflugkörper an die Huthi liefert.
Laut einem Bericht des israelischen Nachrichtensenders i24 NEWS verwendet die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz bei ihren Angriffen Waffen aus chinesischer Produktion und plant, Hunderte von Raketen mit chinesischen Komponenten herzustellen. Washington hat deshalb detaillierte Listen der beteiligten chinesischen Unternehmen an Peking weitergeleitet und davor gewarnt, das Netzwerk stelle eine regionale Bedrohung dar.
Zwischenzeitlich haben die Vereinigten Staaten fünfzehn chinesische Unternehmen auf die schwarze Liste gesetzt, weil sie elektronische Komponenten geliefert haben, die von der Hamas und den Huthi in ihren – iranischen – Drohnen eingesetzt werden. Aufgelistet werden Firmen, die »den Kauf und die Beschaffung dieser elektronischen Komponenten erleichtert haben«.
Separate Maßnahmen des amerikanischen Finanzministeriums im vergangenen April richteten sich gegen weitere chinesische Betriebe, die Treibstoffmaterialien und Lenktechnologie für die iranische Raketenproduktion exportierten. Verteidigungsanalysen haben Teile chinesischer Herkunft mit iranischen Systemen wie den Mittelstreckenraketen Shahab-3 und den taktischen Kurzstreckenraketen Fatah-110 in Verbindung gebracht, während achthundert in China hergestellte Drohnenpropeller auf dem Weg in den Jemen beschlagnahmt wurden. Wie US-Beamte feststellten, sei das Netzwerk von Lieferanten auf dem chinesischen Festland, die oft über Scheinfirmen operieren, zu einer wichtigen Quelle für Dual-Use-Technologie geworden, die das Arsenal der Stellvertreter des Irans versorgt.
Galia Lavi vom INSS wies darauf hin, dass chinesische Komponenten zwar zweifellos in den Waffen iranischer Stellvertreterorganisationen zu finden sind, dieser Umstand jedoch nicht unbedingt die Politik der Regierung widerspiegelt: »China unterstützt den Iran und seine Stellvertreter nicht vorsätzlich oder explizit. Stattdessen sehen wir ein Muster stillschweigender Toleranz und eine Bereitschaft, gegenüber chinesischen Akteuren ein Auge zuzudrücken, darunter private Unternehmen, kriminelle Akteure und Zwischenhändler, die terroristischen Organisationen im Austausch gegen Geld oder andere Vorteile Ausrüstung oder Informationen liefern. Doch auch wenn diese Handlungen möglicherweise nicht die offizielle Politik des Staates widerspiegeln, hat Peking nicht genug unternommen, um sie einzudämmen.«
Chinas Motivation
Die Feindseligkeit Pekings gegenüber Israel hat eher strategische als ideologische Gründe. Der Nahe Osten bleibt für Pekings wirtschaftliche und energetische Sicherheit unverzichtbar, da er mehr als die Hälfte des von China importierten Rohöls liefert. »China betrachtet den Nahen Osten in erster Linie als wirtschaftliche Chance, als eine Region, die für die Energiesicherheit, Infrastrukturprojekte und Marktexpansion von entscheidender Bedeutung ist«, betonte Lavi.
Der Iran und Produzenten aus der Golfregion wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate bleiben wichtige Handelspartner im Rahmen der Belt and Road Initiative (»Neue Seidenstraße«) Pekings. Darüber hinaus dienen chinesische Infrastrukturprojekte in arabischen Ländern als wichtige Verbindungswege zur Unterstützung anderer chinesischer Initiativen auf dem afrikanischen Kontinent. In dieser Hinsicht ist die Beschwichtigung antiisraelischer Regime durch Kritik am jüdischen Staat und Unterstützung der palästinensischen Sache eine kalkulierte wirtschaftliche Investition.
Gleichzeitig hat die zunehmende Konfrontation Chinas mit den Vereinigten Staaten den Nahen Osten zu einem sekundären Schauplatz der Konkurrenz beider Staaten gemacht. »In den letzten Jahren hat Peking versucht, seine politische Rolle zu stärken, indem es sich als potenzieller Vermittler in regionalen Konflikten und als Gegengewicht zum Einfluss der USA präsentiert«, so Lavi.
SIGNAL-Gründerin Carice Witte ergänzte diese Einschätzung: China sehe »Israel als Instrument zur Erreichung bestimmter geopolitischer Ziele. An erster Stelle steht dabei die Abgrenzung von den Vereinigten Staaten. Wenn die USA zu Israel stehen, nimmt China automatisch die gegenteilige Position ein.«
Pekings Annäherung an Teheran und seine lautstarke Kritik an Israel dienen dem Ziel, das Bündnisnetzwerk der USA zu untergraben und Washington als destabilisierende Kraft darzustellen. Als der Krieg gegen die Hamas und später der Konflikt zwischen Israel und dem Iran im vergangenen Juni zu erneuten amerikanischen Truppenentsendungen in die Region führten, änderte China seine Narrative und behauptete nun nicht mehr, Amerika würde sich aus dem Nahen Osten zurückziehen, sondern warf Washington »übermäßige Einmischung« vor.
Die Konzentration auf den Nahen Osten, die zu einem verstärkten Engagement der US-Streitkräfte führt, bietet China auch einen sekundären geopolitischen Vorteil, da diese Truppen weiterhin mit der Sicherung der für seine Wirtschaft lebenswichtigen Transportrouten beschäftigt sind, während Washingtons Aufmerksamkeit für Ostasien nachlässt.
»Die begrenzten Durchsetzungsbemühungen deuten auf eine gewisse strategische Zweckmäßigkeit hin: Ein Konflikt geringer Intensität im Nahen Osten dient den allgemeinen Interessen Chinas«, sagte Lavi. Dadurch könne sich »Peking als neutrale Macht und diplomatische Alternative zu den Vereinigten Staaten präsentieren und gleichzeitig wirtschaftlich und politisch von der regionalen Instabilität profitieren, die den westlichen Einfluss schwächt, ohne China in eine direkte Konfrontation zu verwickeln«.
Sprecher der Unterdrückten?
Schließlich verleiht Pekings ideologische Positionierung als Führer des sogenannten globalen Südens seiner antiisraelischen Haltung zusätzliche Bedeutung. Indem China die Sprache des »antikolonialen Widerstands« übernimmt und sich als Verteidiger der Unterdrückten präsentiert, stärkt es sein Image in arabischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten. Außenminister Wang hat China wiederholt als moralisches Gegengewicht zum Westen dargestellt.
Wesley Hill, stellvertretender Direktor des Programms für Energie, Wachstum und Sicherheit am International Tax and Investment Center in Washington merkte an, dass »China sich als verantwortungsbewusste Alternative zu den Vereinigten Staaten darstellt. Die Unbeliebtheit Israels bei vielen Nationen des ›globalen Südens‹ bedeutet, dass selbst bloß performative Kritik vonseiten Pekings die Reichweite Chinas erhöht«. Mit dieser ideologischen Positionierung hat Peking den Krieg Israels zu einer Gelegenheit gemacht, seinen diplomatischen Einfluss auszuweiten und die weltweite Meinung zu seinen Gunsten zu beeinflussen.
Chinas Nutzung globaler Institutionen stelle laut Witte einen weiteren Anreiz dar, sich gegen Israel zu positionieren: »Chinas Rolle als Führer des ›globalen Südens‹ verschafft China wegen seiner Verbindungen zu den meisten Ländern einen Vorteil in internationalen Foren wie den Vereinten Nationen. Diese Dynamik hilft China, seine verschiedenen globalen Initiativen voranzutreiben. In diesem Sinn ist Israels Darstellung als Antagonist in der UNO ein quasi natürliches Ziel der chinesischen Strategie.«
Lavi wies darauf hin, dass es China trotz seiner informellen Rolle als wichtiger Unterstützer der antiisraelischen Koalition während des gesamten Kriegs nicht gelungen war, die Vorherrschaft der USA in der Region infrage zu stellen. »Das Massaker vom 7. Oktober 2023 und der darauffolgende Krieg sowie die Störungen durch die Huthi im Roten Meer haben die Grenzen des tatsächlichen Einflusses Chinas aufgezeigt. Trotz seiner wachsenden Präsenz wurde deutlich, dass Peking entweder nicht willens oder nicht in der Lage ist, seine Macht zu nutzen, um die Entwicklungen in der Region zu beeinflussen, selbst wenn seine eigenen wirtschaftlichen Interessen auf dem Spiel stehen.«
Hinzu kommt, dass mit der Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten der Einfluss Chinas im Nahen Osten erheblich zurückgegangen ist, da Trump die Allianzen der USA in der Region wiederbelebt und gefestigt habe. »China scheint kurzfristige wirtschaftliche Verluste in Kauf zu nehmen, um seine politische Position gegenüber den USA zu stärken. Diese Bemühungen haben jedoch weitgehend keine nennenswerten diplomatischen Erfolge gebracht. In der Praxis hat sich China als irrelevant für die wichtigsten Entwicklungen in der Region erwiesen, wie jetzt deutlich wird, wo sich fast alle wichtigen Akteure der jüngsten Waffenstillstandsinitiative von Präsident Trump angeschlossen haben.«
Zu Jerusalem hingegen hätten sich die Beziehungen Chinas in den letzten Monaten aufgrund der militärischen Erfolge Israels allmählich verbessert, beobachtete Witte: »Wegen der Rolle Israels als militärische und nachrichtendienstliche Führungsmacht im Nahen Osten hatte China ein ausgeprägtes Interesse daran, die Beziehungen aufrechtzuerhalten. Nach dem 7. Oktober 2023 kam China jedoch zu dem Schluss, dass Israel keine militärische Supermacht mehr ist und verlor damit seinen Anreiz, enge Beziehungen zu pflegen. Nachdem Israel massive militärische und nachrichtendienstliche Erfolge im Zusammenhang mit seinen Kampagnen im Libanon und im Iran erzielt hatte, änderte China seinen Ton und erkannte, dass es die Bedeutung des 7. Oktober möglicherweise überinterpretiert hatte.«
Shimon Sherman ist Kolumnist und berichtet über globale Sicherheit, Angelegenheiten des Nahen Ostens und geopolitische Entwicklungen. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)