Schwäbische Tafel Stuttgart: Respekt vor den Lebensmittelrettern! Tonnenweise Kartoffeln für die Stuttgarter Tafel vom Unteren Berghof in Wildberg. Foto: Schwäbische Tafel

Auf die Arbeit der Schwäbischen Tafel fällt wenig Scheinwerferlicht . Dabei ist sie auch 30 Jahre nach ihrer Gründung unverzichtbar. Ein Kommentar von Jan Sellner.

Manchmal steht man vor einem Berg, den man im ersten Moment kaum überblickt. So geht es aktuell der Schwäbischen Tafel in Stuttgart. Sie steht vor einem Berg von Kartoffeln! Soeben wurden ihr 50 Tonnen davon angeboten, nicht irgendwelche, sondern Demeter-Ware und damit richtig tolle Knollen. 50 Tonnen, das sind um die 500 000 Stück. Laut Statistik isst jeder Bundesbürger 65 Kilo Kartoffeln im Jahr. Die 50 Tonnen entsprechen dem Jahresbedarf von 770 Menschen. Allerdings können die Erdäpfel nicht unbegrenzt gelagert werden. Sie müssen unter die Leute – und zwar unter die, die bedürftig sind. Das sind in Stuttgart unverändert viele. Mehr als jeder Zehnte gilt als armutsgefährdet.

Der Kartoffelberg, der von einem biologisch-dynamischen Vorzeigehof stammt, dem Unteren Berghof in Wildberg, und der von dem Friedrichshafener Unternehmen Followfood gespendet wurde, ist deshalb aber kein Problemberg. Im Gegenteil. Die Tafel freut sich darüber. Die Menge erklärt sich aus einem Überangebot. 2025 ist ein Kartoffeljahr. Dei Rede ist von einer „Kartoffelschwemme“ – und nun schwimmt auch die Schwäbische Tafel in Kartoffeln.

Die Tafel betreibt Lebensmittelrettung in großem Stil

So ungewöhnlich die 50-Tonnen-Ladung ist, so wenig scheuen Geschäftsführerin Hilli Pressel und die Mitarbeitenden die logistische Herausforderung. Als „Verteiler-Tafel“, die in Stuttgart vier Tafelläden unterhält und 22 weitere Tafeln in in der Region mit gespendeten Lebensmitteln beliefert, ist man erfahren darin, mit plötzlichen Überschüssen umzugehen. Täglich schlägt die Tafel rund 40 Tonnen Lebensmittel um. Darunter allein in dieser Woche zwölf Paletten Molkereiprodukte. Diese Lebensmittelrettung in großem Stil – und damit auch die Leistung der Stuttgarter Tafel und der rund 450 Menschen, die sich dort einbringen – steht selten im Scheinwerferlicht; oft nimmt man nur die Warteschlagen vor den Tafelläden war. Da braucht es schon mal 50 Tonnen Demeter-Kartoffeln auf einen Schlag, dass man hinhorcht, hinsieht und sagt: Respekt!

Den verdient die Schwäbische Tafel zweifelsohne. 30 Jahre nach ihrer Gründung ist ihr zweigleisiges Hilfskonzept – gerettete Lebensmittel für Bedürftige bereitzustellen und Teilhabe- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen in prekären Lebensverhältnissen anzubieten – immer noch gefragt und damit unverzichtbar. Und was den Berg Kartoffeln betrifft: „In vier Wochen sind wir durch“, sagt Hilli Pressel. Der nächste Berg zeichnet sich schon ab: Bei Köln liegen noch mal 50 Tonnen. Abholbereit.