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Peking startet Charme­offensive für Europa – doch Brüssel reagiert kühl

Jan Diesteldorfaus Brüssel,

Publiziert heute um 18:18 UhrChinas Präsident Xi Jinping und Spaniens Premierminister Pedro Sanchez treffen am 11. April 2025 im Diaoyutai Gästehaus in Peking zu einem bilateralen Treffen ein.

Besuch aus der EU in China: Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez und Xi Jinping bei einem kürzlichen Treffen in Peking.

Foto: AFP

In Kürze:

  • Chinas Regierung erwägt, die Sanktionen gegen fünf EU-Parlaments-Mitglieder einseitig aufzuheben.
  • Brüssel reagiert skeptisch auf Pekings Angebot wegen anhaltender Menschen­rechts­verletzungen in Xinjiang.
  • Europäische Diplomaten berichten über eine neue chinesische Offenheit bei Geschäfts­beziehungen.
  • Ein EU-China-Gipfel in Peking könnte im Juli stattfinden.

Während sich im Handelskrieg zwischen China und den USA die Fronten verhärten, ändert die Volksrepublik ihre diplomatische Strategie im Umgang mit der Europäischen Union. Nach Recherchen unserer Redaktion will die Regierung in Peking einseitig ihre Sanktionen gegen fünf aktuelle und ehemalige Abgeordnete des Europäischen Parlaments aufheben.

Die Gespräche stehen kurz vor dem Abschluss, nachdem sich Parlamentspräsidentin Roberta Metsola in den vergangenen Wochen mehrmals mit dem chinesischen Botschafter in Brüssel getroffen hat.

Man spreche weiter mit den chinesischen Behörden und befinde sich «in der Endphase», bestätigte ein Sprecher Metsolas. «Dem EU-Parlament war es immer wichtig, die Sanktionen aufzuheben und die Beziehungen zu China wieder aufzunehmen.»

Von den Sanktionen betroffen waren der deutsche Christdemokrat Michael Gahler, der französische Sozialist Raphaël Glucksmann, der liberale Abgeordnete Ilchan Kjutschjuk aus Bulgarien und die slowakische Konservative Miriam Lexmann als aktuelle Mitglieder des EU-Parlaments sowie der deutsche China-Kritiker Reinhard Bütikofer (Grüne), der mit der Europawahl 2024 aus dem Parlament ausschied.

EU hält trotzdem an eigenen Sanktionen fest

Auch die Sanktionen gegen den Unterausschuss für Menschenrechte des EU-Parlaments sollen aufgehoben werden. Die übrigen Massnahmen Chinas gegen fünf andere Personen sowie gegen drei weitere europäische Institutionen, darunter ein Forschungsinstitut, bleiben in Kraft.

Die EU reagierte kühl auf die diplomatische Offerte aus Peking und hält an ihren eigenen Sanktionen fest. «Die EU hat keine Veränderungen der Menschenrechtslage in Xinjiang festgestellt», teilte ein EU-Sprecher mit. Brüssel hatte im März 2021 wegen der Unterdrückung der Uiguren in der Region Xinjiang vier Mitglieder der dortigen Parteiführung und die paramilitärischen Einheiten des «Produktions- und Baukorps Xinjiang» sanktioniert, in Absprache mit Grossbritannien, Kanada und den USA.

Noch am selben Tag folgte Chinas Antwort, die in Europa als ungewöhnlich heftig wahrgenommen wurde. Peking begründete seine Gegensanktionen damit, dass die betroffenen EU-Politiker, Institutionen und Thinktank-Mitarbeiter «die Souveränität und die Interessen Chinas schwer schädigen und böswillig Lügen und Desinformationen verbreiten».

Fast fertiges Investitions­abkommen auf Eis gelegt

Zur Verwunderung der Chinesen wiederum legte die EU daraufhin das fast fertige gegenseitige Investitionsabkommen auf Eis. Das EU-Parlament hätte am Ende darüber abstimmen müssen. Versuche, das Abkommen wiederzubeleben, blieben erfolglos. Stattdessen verschärften sich die Auseinandersetzungen zwischen der EU und China in Handelsfragen.

Der Ex-Parlamentarier Bütikofer bleibt skeptisch. «Diese Sanktionen von chinesischer Seite waren von Anfang an eine grosse strategische Dummheit», sagt er. «Peking hat sich damit selbst am meisten geschadet.» Bevor er mögliche Schritte Chinas bewerte, wolle er das Ergebnis sehen – sollten die Sanktionen aufgehoben werden, dann müsse das alle betreffen.

«Die EU sollte nicht über eine vermeintliche chinesische Charmeoffensive sinnieren», warnt China-Kritiker Bütikofer, solange sich die strategische Position Chinas nicht ein Jota geändert habe. «Auch Trump macht das totalitäre China nicht zu Europas Partner.» Die EU müsse diese Situation im Sinne lange vertretener Forderungen nutzen, zuvorderst mit Blick auf Chinas Unterstützung für Russlands Angriffskrieg in der Ukraine sowie eine drohende Schwemme von «hoch subventionierten Überkapazitätsexporten» aus China.

Europäische Gäste werden offener empfangen

Chinas Interesse an einem besseren Verhältnis zu Europa sei unverkennbar, berichten europäische Diplomaten in Peking. Während die chinesische Führung zuvor noch diplomatische «Wolfskrieger» entsandte, die durch ihr aggressives Auftreten Empörung auslösten, zeigt sich Peking plötzlich gesprächsbereit.

Chinas Ministerien empfangen europäische Gäste heute deutlich offener, nachdem während der Coronapandemie teilweise der Austausch komplett verweigert wurde. Seit 2024 können auch Staatsbürger mehrerer EU-Länder, darunter Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien, ohne Visum einreisen.

Im März empfing Staatschef Xi Jinping unter anderem die Chefs von europäischen Konzernen. Dabei warb Xi für Investitionen in China und versprach mehr Austausch und Schutz der Rechte ausländischer Firmen: «In China zu investieren, heisst, in die Zukunft zu investieren», sagte Chinas Staatschef. Ausländische Unternehmen seien ein entscheidender Bestandteil von Chinas Modernisierung.

Möglicher EU-China-Gipfel im Juli in Peking

Beim Besuch des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez vor einigen Tagen in Peking sagte Xi, China habe die EU stets als «tragenden Pfeiler in einer multipolaren Welt» betrachtet. Nur durch Solidarität und Koordination könnten die «immer weiter ansteigenden Risiken und Herausforderungen» in der Welt bewältigt werden.

Damit ist auch die Erwartung Pekings gemeint, dass sich die EU statt auf Werte verstärkt auf gemeinsame Wirtschaftsinteressen besinnt und Peking nicht mehr für Menschenrechtsverletzungen oder sein aggressives Auftreten gegen Taiwan und im Südchinesischen Meer kritisiert. Das dürfte ein frommer Wunsch bleiben.

Mit Blick auf einen möglichen EU-China-Gipfel im Juli in Peking sagt ein europäischer Diplomat: «Die Chinesen sollten das nicht falsch verstehen, wir werden mit klaren Forderungen kommen.»

Die China-Politik der Schweiz

Lea Sahay ist Korrespondentin in China. Sie berichtet aus Peking über Politik und Gesellschaft. @Lea_Sahay

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