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In einem langen Prozess wurden Verwerfungen in den Erdschichten nahe der deutschen Grenze wieder fester. Das steigerte in einem Erdgasreservoir die Erdbebengefahr.

Groningen – Die Ursache von Erdbeben sind vielfältig. Neben der Plattentektonik der Erde, erregten in Europa in diesem Jahr vor allem durch vulkanische Aktivitäten ausgelöste Erdbeben für Aufsehen. Erschütterungen am Supervulkan bei Neapel treten mittlerweile schon regelmäßig auf, Anfang des Jahres suchten hingegen tausende Beben die Region um Santorin im Mittelmeer heim – ebenfalls ausgelöst durch aufsteigendes Magma.

NAM Gasförderung in Niederlande Groningen Gasfelder stillgelegt Risiko Im niederländischen Groningen wurden über Jahrzehnte hunderte Milliarden Kubikmeter Gas gefördert – mit spürbaren Folgen für das Erdreich. (Collage/Symbolbild) © ANP/YAY/IMAGO

Doch auch der Mensch selbst hat Einfluss auf das Vorkommen von Erdbeben. Nicht nur indirekt über den menschengemachten Klimawandel, sondern auch direkt über die Förderung von fossilen Rohstoffen aus der Erde. Besonders eindrucksvoll zeigt sich das in der Provinz Groningen in den Niederlanden, wo es seit Jahrzehnten zu tausenden Erdbeben gekommen ist. Forscher haben nun einen wichtigen Aspekt dahinter ergründet.

„Immer und immer wieder passiert“ – Erdgasförderung befeuert Erdbeben in Niederlande

In den Niederlanden zittert seit Jahrzehnten die Erde. Das Groninger Gasfeld, einst Europas größter Gaslieferant, verwandelte sich in eine Erdbebenzone. Milliarden Kubikmeter Gas wurden dort jedes Jahr gefördert. Doch mehrere tausende Beben, ausgelöst durch die Erdgasförderung, erschütterten seit 1986 die Region, beschädigten Zehntausende Gebäude und trieben die Bewohner zur Verzweiflung.

„Es hat uns älter gemacht. Viel Stress. Herzprobleme … sie haben uns unsere Freude genommen. Wir versuchen, wieder auf die Beine zu kommen, aber es ist schwierig, weil man sieht, wie es um einen herum immer und immer wieder passiert“, zitiert die britische BBC Betroffene im Jahr 2022.

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Wie konnte aber eine Region, die tektonisch seit Millionen von Jahren ruhig war, plötzlich zum Erdbebenherd werden? Forschende der Universität Utrecht könnten darauf nun eine Antwort gefunden haben. In einer Studie, die im Oktober 2025 in Nature Communications veröffentlicht wurde, zeigen Meng Li, Andre R. Niemeijer und Ylona van Dinther, dass scheinbar stabile Verwerfungen durch einen natürlichen „Heilungsprozess“ über geologische Zeiträume zu tickenden Zeitbomben werden können.

Langwierige Prozesse im Erdreich können durch menschliches Eingreifen zu Erdbeben führen

„Verwerfungen können über Tausende bis Millionen von Jahren eine erhebliche Oberflächenstärke entwickeln, die sich als Zunahme der statischen Reibung um etwa 0,25 ausdrückt“, heißt es in der Studie. Diese über lange Zeiträume wiedergewonnen Festigkeit kann dann bei menschlichen Eingriffen freigesetzt werden und Erdbeben auslösen.

Die Computersimulationen der Forschenden zeigen: Nach 30 Millionen Jahren Ruhe entwickeln Verwerfungen genug Spannung, um bei Gasförderung Erdbeben mit Stärken von bis zu 3,6 auszulösen. Das entspricht exakt dem stärksten gemessenen Beben in Groningen im Jahr 2012. Die Forschung zeigt darüber hinaus, dass das erste induzierte Erdbeben oft das gefährlichste ist, da es die über geologische Zeiträume angesammelte Festigkeit freisetzt. Nachfolgende Erdbeben sind typischerweise weniger gefährlich.

Die Forscher halten aber fest, dass Erdbeben benachbarte geheilte Verwerfungen „auslösen können, die noch nicht gebrochen sind.“ Dadurch könne sich die seismische Gefahr nach einem relativ starken Erdbeben sogar noch weiter erhöhen. Allerdings sind auch gegenteilige Effekte möglich, etwa wenn benachbarte Verwerfungen die Entstehung neuer Erschütterungen einhegen.

Induzierte Erdbeben in den Niederlanden bleiben ein Problem

Die niederländische Regierung zog bereits Konsequenzen und beschloss 2022 die Gasförderung nördlich der Stadt Groningen einzustellen. Seit 2024 wird dort kein Erdgas mehr gefördert. Erdbeben in der Region können Fachleuten zufolge aber noch weiter auftreten. Forschende warnen andernorts vor sogenannten „Supershear“-Beben, die ihre eigenen seismischen Wellen überholen.

Die Erkenntnisse haben vor allem vor dem Hintergrund der Energiewende weitreichende Bedeutung. Ob Geothermie, Kohlendioxid-Speicherung oder Gasförderung – überall wo Menschen den Untergrund nutzen, können lange ruhende Verwerfungen reaktiviert werden. Zu wissen, wie die Vorgänge im Erdboden genau ablaufen, sei laut Fachleuten entscheidend, um vom Menschen induzierte seismische Gefahren korrekt zu bewerten. Indes bebt auch in Deutschland die Erde, ein mögliches Indiz für einen bevorstehenden Vulkanausbruch – ein Experte ordnet ein. (Quelle: Studie Nature, BBC) (jm)