Uli Hoeneß hat an diesem Abend im Grunde nichts zu befürchten. Kritische Fragen zu seinem Fußballverein sind so wahrscheinlich wie eine misslungene Nummer gleich im Zelt. Schließlich gewinnt der FC Bayern auch Ende Oktober noch ein Spiel nach dem anderen. Da gab es schon andere Premierenbesuche des Ehrenpräsidenten, bei denen er sich den Fragen zum Zirkus in seinem Klub stellen musste. Am Freitagabend hingegen gibt es keine Sportjournalistentraube um Hoeneß und seine Frau, der Genuss der Bratwurstsemmel zum Start in den Premierenabend wird von niemandem unterbrochen. Wobei das immer auch am Anlass liegt. Zirkusdirektor Bernhard Paul und sein Roncalli werben mit der Magie ihrer Show, und schon eine Stunde vor der ersten Nummer ist zu spüren, dass dieser Platz hinter dem Riesenrad im Werksviertel für eineinhalb Monate wohl eine eigene Welt sein wird.

Hoeneß sagt nach der Aperitiv-Wurst, wie er sich aufs Abschalten freut, „aufs Träumen“, mal nicht vom nächsten Titel, sondern vielleicht von Schwerelosigkeit. „Die Leichtigkeit“, nennt er das, was sich gerade aufbaut zwischen den historischen Zirkus-Wagen, der einsetzenden Band und den schon herumalbernden Artisten und Clowns. Die Roncalli-Magie macht aus Männern und Frauen Kinder wie die vielen Enkel, die mit Zuckerwatte oder Popcorn ausgestattet langsam ins Zelt und auf ihre Plätze drängen.

„Und dass es keine Tiere gibt, das gefällt mir besonders“, sagt Hoeneß noch, was ein paar Meter weiter den ebenfalls geladenen Münchner Zoo-Direktor Rasem Baban besonders freut. Währenddessen steht Ilse Neubauer, gerade erst wieder auf die Leinwand zurückgekehrt im neuen Pumuckl-Kinofilm, ein paar Meter weiter und sinniert über Humor. „Den Pumuckl verehren vor allem Männer“, sagt die als Frau Stürzlinger bekannte Darstellerin. „Der darf Dreck machen, böse sein, hat keine Pflichten und wird trotzdem geliebt – alles, was Männer auch wollen.“ Die Anziehung zwischen großen Jungs und dem kleinen Pumuckl scheint ähnlich groß zu sein wie die zwischen Kindern und Clowns.

Günther Sigl von der  Spider Murphy Gang  mit Clown Alan Dereck alias Canutito.Günther Sigl von der Spider Murphy Gang mit Clown Alan Dereck alias Canutito. (Foto: Robert Haas)Clown Omar Alvarez Santana alias Matute.Clown Omar Alvarez Santana alias Matute. (Foto: Robert Haas)

Unangefochtene Hauptperson des Abends ist natürlich nicht Hoeneß, der in einer Loge Platz nimmt, auch nicht Roncalli-Chef Bernhard Paul, der mit einer leicht länglichen Begrüßung den Abend eröffnet, sondern Matute, der Clown, ungeschminkt Omar Alvarez Santana aus Chile, der vom kleinen Mädchen auf den hinteren Bänken bis zum Logen-Promi alle zum Juchzen bringen wird. Und über dessen Handwerk einige Premierengäste zuvor noch Lob ausschütten wie manche der kleinen Gäste Popcorn beim Jubeln.

Hans Sigl, seines Zeichens etwa so lange Fernseh-Bergdoktor wie Paul Zirkusdirektor, spricht davon, dass jeder Gast, ob Kind oder Erwachsener, einen guten Clown ernst nehme. „Und damit ist auch ein simples Stolpern immer ein gelungener Gag.“ Matute wird nicht einmal stolpern müssen, er bringt 1300 Menschen im Zelt nur mit Tönen zum Lachen.

„Clowns sind Archetypen, die berühren das Einfache in einem“, sagt Sigl noch. Und Schauspiel-Kollege Michael Brandner ergänzt, dass es schlicht das Schwierigste sei, ob im Film oder auf einer Bühne wie hier, Menschen zum Lachen zu bringen.

Die Kunst ist es, eine Balance zu halten, nicht nur auf Seilen oder Balken, sondern auch zwischen Spannung und Entspannung. Wenn Jongleur Noel Aguilar seine Keulen mit einer Wucht wirft, als wären sie Propeller, gehen manche Münder schon auf in den vorderen Reihen. Und erst recht, als Justin Philadelphia an einem aufgehängten Mast waagerecht entlangzuspazieren scheint.

Jongleur Noel Aguilar.Jongleur Noel Aguilar. (Foto: Robert Haas)Schauspielerin Michaela May mit Ex-Skifahrer Christian Neureuther.Schauspielerin Michaela May mit Ex-Skifahrer Christian Neureuther. (Foto: Robert Haas)

Da kommt Matute, der Sound-Clown, gerade recht. Am Ende ist es die uralte Klatschnummer, bei der er das Publikum dreiteilt, gegeneinander antreten lässt und das linke Drittel veralbert, die zusammen mit dem Luftakrobatiker-Duo Turkeev am lautesten gefeiert wird.

Hoeneß zuckt immer wieder mal vor Lachen, Michaela May bleibt der Mund offen stehen. Die Magie ist wieder da, Paul macht aus den Besuchern unbeschwert genießende Kinder. Am Ende stehen 1300 Gäste und spenden Applaus. Vielleicht, weil Erwachsene das so machen, wenn sie begeistert sind. Vielleicht aber auch, weil auch erwachsene Kinder hoffen, einen der traditionell ins Publikum geschubsten bunten Luftballons zu ergattern.