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Die geplante EU-Verordnung zu Nachhaltigkeit wackelt – auf Druck der USA und Katar. Sie fürchten um Milliarden-Geschäfte mit Flüssiggas und drohen mit Konsequenzen.
Washington/Brüssel – Auf Russland folgen weitere Energieriesen: Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 hat Europa seine Abhängigkeit von russischem Gas schmerzhaft zu spüren bekommen – und sucht seither neue Partner. Jedoch sieht sich die EU längst an anderer Stelle der Erpressbarkeit globaler Handelspartner ausgesetzt.
So machen nun die neuen Hauptlieferanten USA und Katar Druck auf die Staatengemeinschaft: Sie verlangen, dass die EU ihre strengen Nachhaltigkeitsregeln für Unternehmen abschwächt oder ganz zurücknimmt. Denn aufgrund derer befürchten Staaten und Konzerne nicht nur ein Bürokratiemonster, sondern auch massive finanzielle Einbußen.
EU-Verordnung: Mächtiger Lieferantenbrief in Richtung Brüssel
Die gemeinsame Warnung der beiden Länder treffen die EU in einer entscheidenden Phase: Das EU-Parlament hat die Richtlinie 2025 wieder geöffnet, um über mögliche Änderungen zu verhandeln. Im Parlament waren entsprechende Vorschläge zur Abschwächung des Lieferkettengesetzes und verwandter Nachhaltigkeitsvorschriften kürzlich jedoch knapp gescheitert.
Amerikanische LNG-Anlage: Die USA und Katar sind zwei der drei größten Flüssiggasexporteure der Welt. © ZUMA Press Wire/Imago
Im November steht die nächste Abstimmung an, genau darauf zielt wohl auch der Brief der beiden Energieminister: Er holt die Verordnung aus der Welt moralischer Absichtserklärungen in die harte Realität von Versorgungssicherheit, Standort-Qualität und geopolitischer Abhängigkeit.
LNG aus den USA und Katar: Massive Kritik an EU-Verordnung
Die beiden größten LNG-Lieferanten der EU, die USA und Katar, richten sich in dem gemeinsamen Schreiben an europäische Staats- und Regierungschefs. Laut Berichten der Financial Times und von Bloomberg bezeichnen US-Energieminister Chris Wright und Katars Energieminister Saad Sherida Al-Kaabi die geplante EU-Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht als „fundamentale Gefahr für die europäische Wirtschaftskraft“.
Kritisch bewerten sie die Auswirkungen auf LNG-Exporte nach Europa, die nach dem Wegfall russischer Lieferungen einen Großteil der europäischen Energieversorgung übernahmen. Al-Kaabi warnte schon zuvor, dass QatarEnergy ohne Änderungen der EU-Regeln nicht mehr in Europa tätig sein könne. Eine mögliche Strafe von fünf Prozent des weltweiten Umsatzes sei „vollkommen inakzeptabel“. Auch Wright betont, die neuen Regelungen gefährden die Gaslieferungen an die EU.
Energie für Europa: LNG als Spielball der Wirtschaftspolitik
Wie groß ist die Abhängigkeit Europas von den USA und Katar? Rund ein Sechstel des in der EU verbrauchten Gases stammt aus den USA, vier Prozent kommen aus Katar. Gemeinsam kontrollieren beide Länder über 40 Prozent des weltweiten LNG-Marktes. Gleichzeitig hat die EU beschlossen, die Gasimporte aus Russland bis 2027 komplett zu beenden – aktuell machen sie noch 19 Prozent aus.
In ihrem Schreiben fordern Wright und Al-Kaabi die EU auf, „unverzüglich entschlossene Maßnahmen“ zu ergreifen. Die USA kritisieren vor allem die „extraterritoriale Reichweite“ der Verordnung: US-Firmen müssten sich an europäische Standards halten, selbst wenn ihre Hauptgeschäfte außerhalb der EU stattfinden.
EU-Lieferkettengesetz: Unternehmen fürchten mehr Bürokratie
Zudem wird auf das Handelsabkommen zwischen der EU und US-Präsident Donald Trump von Juli 2025 verwiesen, in dem Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusicherte, bis Ende 2028 amerikanische Energie im Wert von 750 Milliarden Dollar zu kaufen. „Handel und Investitionen in fast allen Partnerländern der EU“ wären betroffen.
LNG-Tanker transportieren verflüssigtes Erdgas (Liquefied Natural Gas) bei etwa -162 Grad in isolierten Tanks, um große Mengen sicher und effizient über weite Strecken zu befördern. © Avalon.red/Imago
Das gilt auch für mittelständische Unternehmen, die schon heute mit hohen Steuern und den umfassenden Berichtspflichten der EU kämpfen. Doch mittlerweile sollen die neuen Vorgaben nur noch für Großunternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro gelten.
Neue EU-Verordnung: Widerstand auch in Deutschland und Frankreich
Kritik an den Regeln für bessere Umweltverträglichkeit kommt nicht nur von außen. Auch innerhalb der EU gibt es Stimmen gegen die geplante Verordnung. Bundeskanzler Friedrich Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprechen sich für eine Aussetzung der Sorgfaltspflichten aus. Gleichzeitig gibt es Druck von Umweltorganisationen und Teilen des EU-Parlaments, die eine weitere Abschwächung der geplanten Richtlinie strikt ablehnen.
Das geplante Nachhaltigkeitsabkommen der EU
Die neue Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht soll ab 2027 schrittweise in Kraft treten. Firmen und Konzerne, die in der EU tätig sind oder dort einen Umsatz von mehr als 450 Millionen Euro erzielen, müssen sicherstellen, dass ihre Lieferketten umwelt- und menschenrechtskonform sind. Bei Verstößen drohen Geldbußen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Zudem müssen Unternehmen darlegen, wie sie bis 2050 ihre Emissionen im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen senken wollen. Die Regelung gilt auch für Nicht-EU-Unternehmen.
Die EU-Kommission hat bereits reagiert: Die geplante Verordnung zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht (CSDDD) soll abgeschwächt werden. Vorgesehen ist, die potenziellen Bußgelder zu senken und die Überwachung von ESG-Risiken bei Geschäftspartnern zu lockern. Auch der geplante CO₂-Grenzausgleichsmechanismus, der Abgaben auf klimaschädliche Importe vorsah, soll entschärft werden. Zudem sollen die neuen Vorgaben nur noch für Großunternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro gelten.
USA setzen auf LNG – Trump will amerikanische „Energiedominanz“ sichern
Während in Europa über die Verordnung gestritten wird, treiben die USA ihre Fracking-Offensive voran. Laut The Guardian beschleunigt die Trump-Regierung Genehmigungsverfahren für neue LNG-Terminals, um die amerikanische „Energiedominanz“ zu sichern. Dabei warnen Wissenschaftler und Aktivisten vor den Folgen: „LNG-Exporte treiben die Energiekosten der Amerikaner in die Höhe, sind für Gemeinden verheerend, erhöhen die Gesundheitsschäden und verschärfen die Klimakrise“, so ein Aktivist aus Louisiana.
Zeitlinie: So hat Trump den Zoll-Krieg vom Zaun gebrochen
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Soll die EU sich dem Druck beugen und ihre Verordnung abschwächen – oder hält sie an ihren Klimazielen fest und riskiert damit die Versorgungssicherheit und weitere Probleme für Industrie und Wirtschaft? Klar ist: Die Debatte um LNG, Nachhaltigkeit und internationale Wirtschaftsinteressen ist zu einem Machtspiel geworden.
Derweil wurde kürzlich wurde innerhalb der EU ein riesiges Gas-Feld entdeckt. (PF)