Warschau – Deutschland sprengt seine Atom-Vergangenheit in die Luft. Andere Staaten denken laut über eine Atom-Zukunft nach. In Polen entsteht aktuell sogar das erste Kernkraftwerk der Landesgeschichte – mit breiter Unterstützung im Grunde aller politischer Parteien.
Als in Gundremmingen noch die Sprengung der dortigen AKW-Kühltürme vorbereitet wurde, setzte der polnische Regierungschef Donald Tusk Mitte Oktober einen stolzen Post auf der Plattform „X“ ab: „Baubeginn des ersten polnischen Atomkraftwerks!“, geknüpft an den Hashtag: Wir reden nicht, wir machen.
Große Zustimmung in der Bevölkerung
„Der hier erzeugte Strom wird den Bedarf von zwölf Millionen Haushalten decken und verdeutlicht das Ausmaß dieser enormen Investition“, sagte Tusk beim Besuch der Baustelle in Słajszewo laut dem Regionalsender Polskie Radio Koszalin.
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Rund 100 km nordwestlich von Danzig wird das Kraftwerk stehen, weniger als einen Kilometer vom Ostseeufer entfernt; mit dem Meerwasser soll der Mega-Reaktor gekühlt werden. Vorangegangen war dem Bau eine ebenso gigantische Rodung des Küstenwaldes in der Gemeinde Choczewo (deutsch: Chottschow).
Vor Ort gab es deshalb Widerstand. „Wir haben Angst, dass sich hier alles ändern wird“, zitierte die links-liberale Tageszeitung Anwohner. Das nationale Interesse überwog. Laut früheren Umfragen sind mittlerweile mehr als 70 Prozent der Polen für den Bau, doppelt so viele wie unmittelbar nach Russlands Überfall auf die Ukraine.
Von den Projektkosten in Höhe von rund 45 Milliarden Euro versprechen sich die Polen Wirtschaftswachstum und Energiesicherheit oder – in den Worten des Premiers – „bezahlbaren Strom, sichere Familien und warme Wohnungen“.
Kritik an den Plänen kam von den deutschen Grünen: Die damalige Bundesumweltministerin Steffi Lemke (55/Grüne) äußerte sich bei ihrem Warschau-Besuch 2022 ablehnend, weil Atomkraft „weder gut noch sicher“ sei. Seinerzeit kündigte sie vollmundig „geeignete rechtliche Instrumente auf europäischer Ebene“ gegen das Projekt an.
Steffi Lemke (57) war in der damaligen Ampel-Koalition Umweltministerin
Foto: Geisler-Fotopress
Doch die EU weist Atomstrom als „grün“ aus und wird Polen deshalb kaum Steine in den Weg legen. Während auch die Slowakei eine neue Anlage errichtet, lassen auch zwei weitere EU-Staaten aufhorchen:
▶︎ Beispiel Dänemark: Das Land soll unabhängig von russischem Gas werden. Deshalb wackelt das 40 Jahre alte Atomkraftverbot. Im vergangenen Mai hatte das Parlament in Kopenhagen eine Prüfung für einen Wiedereinstieg auf den Weg gebracht.
▶︎ Beispiel Italien: Dort wurden alle vier Atomkraftwerke nach der Katastrophe von Tschernobyl 1986 vom Netz genommen. Im Februar kündigte Premierministerin Giorgia Meloni (48) an, sie prüfe eine Rückkehr. Und der italienische Energiekonzern gründete Mitte Mai die Tochterfirma Nuclitalia – für den Bau von SMR-Mini-Atomkraftwerken.