Wutbürger stoßen auf Gegenwind: Ein junger Mann aus Sachsen-Anhalt ist mit einem Video viral gegangen, das ihn bei einer Rede auf einer Versammlung von sogenannten Querdenkern in einer ostdeutschen Stadt zeigen soll. Der Jugendliche, der seinem X-Profil zufolge Max heißt und in der Linkspartei aktiv ist, teilte das Video Montagnacht selbst auf der Plattform. Dazu schrieb er: „Seit 5 Jahren laufen Querdenker ungestört durch meinen Wohnort. Keine Gegenrede.“ Nun habe er sich ein Herz gefasst und sei zum „offenen Mikrofon“ gegangen, denn Schweigen ändere nichts.
„Ich bin nicht hier, um zu gefallen. Ich habe eine ganz andere Meinung als ihr alle. Ich bin hier, weil ich persönlich – und Achtung, Triggerwort – Antifaschist bin“, sagt er zu Beginn seiner Rede. Als Schüler einer 10. Klasse lerne er, wie gefährlich es sei, wenn Geschichte verdreht wird. „Ich habe genug davon, wie ihr euch hier als Freiheitskämpfer darstellt, während ihr Seite an Seite mit Faschos marschiert“, wirft er ihnen vor. Aus dem Hintergrund ist daraufhin johlendes Gelächter zu hören, die Menge selbst ist nicht zu sehen.
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Unbeirrt fährt der Jugendliche fort und bescheinigt den Anwesenden einen Realitätsverlust, der seit der Corona-Pandemie anhalte. Während die Intensivstationen damals übergelaufen seien, „habt ihr euch über Masken beschwert, als wäre es der Beginn einer Diktatur“. Doch wer einen Pieks mit einem KZ vergleiche, habe im Kopf weniger Schutz als auf dem Gesicht, sagt er. „Ihr sagt, ihr werdet unterdrückt. Ihr sagt, man darf ja nichts mehr sagen. Und trotzdem steht ihr hier mit Mikrofon und redet den größten Unsinn seit der Flacherdentheorie.“
Dann kommt der junge Mann auf Sympathien für Russlands Präsident Wladimir Putin zu sprechen. Er attestiert den Anwesenden, westliche Medien abzulehnen, aber Putins Propaganda zu glauben. „Ihr nennt euch Friedensfreunde, aber feiert einen Diktator, der Wohnhäuser in der Ukraine zerbombt“, wirft er ihnen vor. „Und wenn ihr euch in eurem Weltbild noch tiefer vergrabt, kommt euch irgendwann Goebbels entgegen und nickt“, fährt er fort.
Der Jugendliche prangert zudem die „jämmerlichen Vergleiche“ der Querdenker an. Exemplarisch nennt er Impfungen, die in diesen Kreisen gern mit Menschenversuchen gleichgesetzt werden. Oder auch Masken und Judensterne oder Querdenken und Widerstand gegen die NS-Diktatur. „Ihr seid nicht Sophie Scholl“, sagt der Jugendliche energisch. Faschismus fange nicht mit dem ersten Schuss an, sondern der ersten Verharmlosung.
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Neutralität bedeute in Zeiten des Hasses, auf der Seite der Täter zu stehen, betont er. „Ihr seid nicht das Volk, nicht die Mehrheit. Ihr seid eine laute Minderheit mit zu viel Telegram, zu wenig Geschichtsverständnis und keiner Ahnung, was echte Unterdrückung bedeutet.“ Zum Schluss verspricht er, laut und antifaschistisch zu bleiben. Den Anwesenden gibt er mit auf den Weg, dass sie so bleiben könnten, wie sie sind – „mit Aluhüten und Applaus von den Falschen“. „Aber wundert euch nicht, wenn euch draußen dann keiner mehr zuhört“, schließt er seine Rede.
Das Video wurde von Montagnacht bis Dienstagnachmittag allein auf X rund 350.000 Mal gesehen. Dazu bekam es fast 7500 Likes. Der junge Mann bedankte sich am Dienstag für den Zuspruch. „Das bestärkt mich sehr – gerade weil viele vergessen, dass das hier nicht irgendwo passiert ist, sondern mitten in einer ostdeutschen Kleinstadt. Dort, wo 44 % AfD wählen. Dort, wo man schnell aneckt, wenn man widerspricht“, schrieb er. (Tsp)