Wenn jemand „aus Scheiße Geld macht“, ist seine Ware nicht das Geld wert, das sie dem geschäftstüchtigen Händler bringt. Anders verhält es sich mit den Bildern, die der Illustrator, Zeichner und Maler Werner „Weeh78“ Härtl aus Kuhdung schöpft. Diese Bilder sind jeden Cent wert. Und weil die aus Exkrementen gewonnene Farbe, sobald sie getrocknet ist, auch nicht unangenehm riecht, ist Härtls Idee, „aus Scheiße Kunst zu machen“ ohnehin unbezahlbar. Nun steht er mit Lederhose und Trachtenhut bekleidet auf einer 360-Grad-Rundbühne inmitten der Olympiahalle und malt mit Kuhdung die Oberammergauer Band Kofelgschroa, wie sie dort gerade das großartige Vorprogramm zum eigentlichen Konzert bestreitet. Zehn Jahre Dicht & Ergreifend.
Reunion fürs Jubiläumskonzert in der Olympiahalle: die Oberammergauer Band Kofelgschroa. (Foto: Foto: Robert Haas)
Insbesondere, weil es Kofelgschroa seit Jahren eigentlich gar nicht mehr gibt, ist deren Reunion-Konzert zu Ehren von Dicht & Ergreifend ein weiterer Höhepunkt an diesem Jubiläumsabend, der allerdings durchaus eine bessere Akustik verdient hätte. So mischt sich deren Musik mit dem arg lauten Grundgeräusch eines aufgeregten Publikums, weswegen die großartigen Texte des Kofelgschroas oft nur schwer bis gar nicht zu verstehen sind. Überhaupt hätte die Band ruhig auch mal die Position auf der Rundbühne wechseln dürfen, weil so die Mehrzahl der Besucher sie nur von hinten oder eben auf den über der Bühne hängenden Videowänden sehen kann.
Dicht & Ergreifend nutzen im Anschluss immerhin die gesamte Bühne, in deren Mitte nun auch noch ein drehbares DJ-Pult steht, von wo aus DJ Spliff die Halle mit fetten Beats versorgt. Gleichwohl auch hier der Sound leider etwas breiig ausfällt, ist er jetzt immerhin laut genug. Wenn da nicht jede Zeile zu verstehen ist, die Fabian Frischmann alias Lef Dutti und Michael Huber alias George Urkwell hier zumeist im bayerischen Dialekt rappen, macht das schon darum nichts, weil das Publikum die Songs ohnehin textsicher mitsingt.
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Zusammen mit dem Gastsänger und Münchner „Tatort“-Kommissar Miroslav Nemec mimt das Publikum dabei auch schon mal korrupte Waffenschieber, die in ausgelassener Partystimmung fordern: „Gönn mir mein Highlife auf Kosten eurer Freiheit.“ „Wir schmieden einen Waffendeal für den Frieden“, heißt es bezugnehmend auf die aktuelle Weltpolitik im Song, und einmal mehr wird deutlich: Was bei Dicht & Ergreifend so mitreißend partytauglich daherkommt, sind häufig als Stimmungslieder getarnte Protestsongs, die sich sehr deutlich in den aktuellen politischen Debatten positionieren.
Zugleich beschreiben diese Songs sehr treffend ein Lebensgefühl, das die Zuschauer in der ausverkauften Olympiahalle mit den auftretenden Musikern eint. Zu diesen gesellen sich im Laufe des Abends zahlreiche Stargäste wie der Trompeter und Sänger Stefan Dettl von La Brassbanda, wie die Oberpfälzer Rapper Liquid & Maniac oder wie Lef Duttis Mitstreiter Frank Freitag im Projekt null8sprachrohr.
Wie gewohnt im Janker: Gerhard Polt bleibt sich auch im Hexenkessel der Olympiahalle treu. (Foto: Foto: Robert Haas)
Vor allem aber Gerhard Polts Gastauftritt inmitten dieser illustren Jubiläumsshow liefert einen ganz besonderen Höhepunkt an diesem Abend voller Höhepunkte. Entsprechend euphorisch wird Polt von einem begeisterten Publikum gefeiert. Fast möchte man meinen, der Applaus, der dem Großmeister des Humors gilt, ist lauter und ausgelassener als der, mit denen die Fans an diesem Abend ihre eigentlichen Idole Dicht & Ergreifend nebst ihrer Ausnahme-Tubistin Goldie Horn feiern.
Ausnahmetubistin Jutta Keeß als „Goldie Horn“. (Foto: Foto: Robert Haas)
Polt rockt die Olympiahalle geradezu, wie er so alleine auf der runden Bühne inmitten des jubelnden Publikums steht und in seiner irrwitzigen Erzählung so sprachgewitzte Sätze wie „Dabei geht mir der Shitstorm am Arsch vorbei“ prägt. Wie sehr ihn dafür die Hip- Hop-Gemeinde feiert, scheint auch ihn zu irritieren, schließlich sei er auch kein junger Hüpfer mehr: „Ich bin ja keine 80 mehr“, sagt Polt und erzählt vom Kauf des neuen Autos, das sich als ein wenig zu groß für die alte Garage erweist. Diese hin und wieder zu vergrößern, würde einen nicht zu bewältigenden Kampf mit den Behörden voraussetzen.
Abgeschlossen wird solche irrwitzige Einlassung Polts von den ihm stets begleitenden Well-Brüdern, die musizierend nun zusammen mit den Kollegen von Dicht & Ergreifend über einen Steg zur Rundbühne schreiten.
Nur ein weiterer geplanter Höhepunkt fällt an diesem Abend aus: der versprochene Weltrekord im Massen-Stagedive, den man nämlich ohnehin schon in einer früheren Show erbracht hätte. Stattdessen wird das Publikum zum lautesten Jubel aller Zeiten animiert, nachdem es auf den Vorschlag, dass alle auf Kommando gemeinsam einen „Schoaß“ lassen, nicht eingehen wollte. So ein Schoaß kann schließlich nach hinten losgehen.