Zwei Mitarbeiter der taiwanesischen Küstenwache nehmen ein unter togolesischer Flagge fahrendes Frachtschiffs ins Visier.

weltspiegel

Stand: 26.10.2025 18:20 Uhr

Fremde Schiffe schleifen ihre Anker hinter sich her: Rund um Taiwan häufen sich die Schadensfälle an Seekabeln. Aus Sicht von Sicherheitsexperten spricht viel für Absicht – und eine Verwicklung Chinas.


Ulrich Mendgen

Der Fall sorgte international für Schlagzeilen. Im Februar 2025 setzte die taiwanische Küstenwache einen Frachter in der Taiwanstraße fest. Der chinesische Kapitän wurde festgenommen und später wegen Sabotage zu einer Haftstrafe verurteilt. Die Behörden sind sich sicher: Er hatte mit Absicht ein Seekabel nahe der strategisch wichtigen Insel Penghu durchtrennt.

Nach Ansicht von Athena Tong zeigt sich an diesem Beispiel die Vorgehensweise von Akteuren, die Taiwans Datenverbindungen planmäßig beschädigen wollten. Tong forscht für das Institut „China Strategic Risks Institute“ über die Resilienz der taiwanischen Infrastruktur.

„Es scheint ein Muster für die absichtliche Beschädigung zu geben“, so die Politikwissenschaftlerin, die von Tokio aus zum Thema recherchiert. Zivile Schiffe dümpeln immer wieder verdächtig lange nahe taiwanischer Hoheitsgewässer. Sie verschleiern ihre Identität, indem sie ihre Tracking-Systeme ausschalten oder den Namen wechseln. Später fallen auf ihrer Route durchtrennte Seekabel auf.

Auffällig viele Vorfälle

Ähnliche Vorfälle sind in Bezug auf russische Schiffe in der Ostsee bekannt. Rund um Taiwan häufen sich die Beschädigungen allerdings. Sieben bis acht Schadensfälle im Jahr, das ist nach Einschätzung von Athena Tong in Relation zur Größe des Gebiets und der Anzahl der taiwanischen Seekabel eine auffällig hohe Zahl.

Im Jahr 2023 traf es die Matsu-Inseln. Ihre Besonderheit: Sie liegen dicht am chinesischen Festland, werden aber von Taiwan verwaltet. Gleich zwei Seekabel wurden innerhalb kurzer Zeit durchtrennt, mutmaßlich durch chinesische Schiffe. Die Folgen für die Inselbewohner waren drastisch. 50 Tage lang waren die Kommunikationsverbindungen gestört.

„Nach dem Kabelbruch geriet die ganze Stimmung auf Matsu in eine Krise“, berichtet Wang Chung-ming, der Landrat des betroffenen Kreises. Aber das Erlebnis habe auch Gutes bewirkt. So sei die Mikrowellentechnik für die Kommunikation im Notfall verbessert worden.

Mit Schuldzuweisungen hält sich Wang zurück. Der Landrat will nicht ausschließen, dass die Beschädigung der Seekabel versehentlich geschah. Traditionell ist den Matsu-Inseln aufgrund ihrer geografischen Nähe an einem guten Verhältnis zu China gelegen.

„Extrem ungewöhnliches Verhalten“

Keinen Zweifel an der Verantwortung der chinesischen Seite zeigt hingegen Chiueh Her-ming, ehemaliger Vize-Digitalminister in Taiwan. Der Experte für Computertechnik lehrt an der National Yang Ming Chiao Tung University in Hsinchu. 

Wenn Schiffe mit geringer Geschwindigkeit in Zickzack-Linien fahren und den Anker hinter sich herschleifen, dazu noch in der Nähe wichtiger Seekabel, dann kann das nach Einschätzung von Chiueh kein Zufall sein. „Ein solches Verhalten ist extrem ungewöhnlich und legt den Verdacht nahe, dass diese Schiffe gezielt nach Unterseekabeln suchen und versuchen, sie zu beschädigen.“

Für Taiwan sei der Schutz der Kabel daher von hoher Bedeutung. Die wichtige Rolle Taiwans als Volkswirtschaft hängt stark vom Internet ab. Die international führende Chip-Industrie auf der Insel ist weltweit vernetzt. „Wenn unsere Internetverbindung beeinträchtigt wird, hat das nicht nur massive Folgen für die Bevölkerung bei uns, sondern auch für die Weltwirtschaft.“

Willkommene Nebeneffekte

Auch Risikoexpertin Athena Tong hält die Häufung für ein Ergebnis gezielter Attacken. Es handele sich um eine „Grauzonen-Taktik oder Grauzonen-Kriegsführung“. Die möglichen Kommunikationsausfälle gefährdeten auch die Verteidigungsfähigkeit Taiwans. Außerdem werde durch die Störungen das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung untergraben.

Misstrauen in die taiwanische Regierung – dieser Effekt käme der Volksrepublik China wohl gelegen. Peking betrachtet die selbst regierte Insel als Teil des eigenen Staatsgebiets und will sie erklärtermaßen anschließen, notfalls mit Gewalt.

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