Die große Geburtstagsfeier, zu der die Stadt Korntal-Münchingen ihre Bewohner eingeladen hatte, empfing die Besucher in der Stadthalle in Korntal mit einem köstlichen Duft: Die Abordnung aus der belgischen Partnerstadt Tubize bereitete haufenweise Waffeln vor, die nach dem offiziellen Festakt ausgegeben wurden.

Rund 450 Korntaler und Münchinger waren gekommen, um das 50-jährige Bestehen der gemeinsamen Stadt zu feiern. Und nicht nur das. Gefeiert wurde ebenfalls die seit 60 Jahren bestehende Partnerschaft mit Mirande in Frankreich und Tubize in Belgien. Beide Kommunen hatten Vertretungen entsandt, die später für die Bewirtung der zahlreichen Gäste sorgten.

Korntal sollte ursprünglich zu Stuttgart kommen

Dass der Weg zum Zusammenschluss von Korntal und Münchingen im Jahr 1975 schwierig war, machten Bürgermeister Alexander Noak und sein Vorgänger Joachim Wolf deutlich. Im Zuge der Verwaltungsreform Anfang der 1970er war für Korntal zunächst die Eingemeindung nach Stuttgart vorgesehen, gegen den Willen der Stadt.

Als mögliche Partnergemeinde wurde Münchingen ausgewählt, das jedoch andere Pläne hatte, so Noak. „Dort wollte man sich lieber mit Schwieberdingen und Hemmingen zusammenschließen – zur großen Kreisstadt mit dem klangvollen Namen Nippenburg.“

Weil aber Hemmingen auf einem Schuldenberg saß, wollten die Münchinger dann doch lieber allein bleiben: Bei Bürgeranhörungen stimmten fast alle gegen einen Zusammenschluss mit Korntal, dort wiederum stimmten knapp 80 Prozent für eine Vereinigung mit Münchingen. Einen freiwilligen Zusammenschluss lehnte der Münchinger Gemeinderat ab, obwohl dieser mit 750 000 D-Mark belohnt worden wäre.

Bürgermeister Noak machte eine launige Rechnung auf. „Bei einer Anlage dieser Summe über 50 Jahre und einem durchschnittlichen Zins von 3,3 Prozent wären dies heute etwa 1,9 Millionen Euro. Genug, um mein Herzensprojekt, eine attraktive Fuß- und Radwegeverbindung zwischen unseren Ortsteilen, in die Tat umzusetzen“, sagte er unter dem Beifall der Anwesenden.

Landrat sprach einst von „wesensfremdem Zusammenschluss“

„Das war der wesensfremdeste Zusammenschluss im Kreis“, soll der damalige Ludwigsburger Landrat Ulrich Hartmann zur Vereinigung der pietistisch geprägten Stadt Korntal mit der landwirtschaftlich geprägten Gemeinde Münchingen gesagt haben. „Das ging mir gegen den Strich, aber der Stuttgarter Rachen war schon weit geöffnet“, zitierte ihn Joachim Wolf.

Er kenne keine andere Stadt, bei der man sogar den Landkreis verlassen müsse, um von einem Stadtteil zum anderen zu kommen, so Wolf. Tatsächlich liegt Korntal näher an Stuttgart als an Münchingen. Man solle den Weg des Zusammenwachsens weiterverfolgen, aber dabei nicht alle Ecken und Kanten schleifen. „Die machen doch die besondere Strahlkraft dieses außergewöhnlichen Konstrukts aus“, meinte der frühere Bürgermeister.

Dass sie gut miteinander können – und zwar Musik machen, demonstrierten die Musikvereine Korntal und Münchingen eindrucksvoll. Auch Kinder der drei Kitas Chamäleon, Tubizerstraße und Kallenberg rätselten gemeinsam zum Vergnügen der Zuschauer in einem von den Erzieherinnen gedrehten Video über so seltsame Dinge aus den 1970er Jahren wie Telefone mit Wählscheiben, Kassetten oder Handkaffeemühlen.

Etwa 450 Besucher sind zum Festakt gekommen. Foto: Simon Granville

Als Festredner spannte Günther Oettinger, EU-Kommissar und Ministerpräsident a. D., einen weiten Bogen über das aktuelle politische Geschehen sowie die wirtschaftlichen und weltpolitischen Herausforderungen. Zuvor erzählte er auch von seiner Zeit als Schüler am Korntaler Gymnasium. Er habe sich dort neun Jahre lang sehr wohl gefühlt und mit der Schwarzwaldbahn von seinem Wohnort Ditzingen nach Korntal und zurück pendeln dürfen.

Auch die europäischen Partnergemeinden gratulieren

Eine deutlich weitere Anreise hatte Patrick Fanton, der Bürgermeister der südwestfranzösischen Gemeinde Mirande, der mit Vertretern des Partnerschaftskomitees zur Feier des 60-jährigen Bestehens der Freundschaft von Korntal-Münchingen, Tubize und Mirande gekommen war. 1964 unterzeichneten Mirande und die Stadt Korntal die Vereinigungsurkunde. Das sei damals eine starke Botschaft der Versöhnung, des Respekts und des gegenseitigen Vertrauens gewesen.

Foto: Simon Granville

Schon 1965 habe Mirande 400 Gäste aus Korntal empfangen. Inzwischen gebe es viele gemeinsame Aktivitäten etwa der Schulen, der Chöre und bei Sportwettkämpfen. Patrick Fanton ließ ebenso wie Lyseline Louvigny, die Beigeordnete der Stadt Tubize und Vorsitzende des dortigen Partnerschaftskomitees, die Freundschaft zwischen den Städten und den Ländern hochleben. Sie sei schon zum 50-jährigen Bestehen in Korntal-Münchingen gewesen, so Louvigny. „Es ist gut zu spüren, wie sehr unsere Verbindung gewachsen ist.“ Eine Städtepartnerschaft sei auch ein lebendiges Abenteuer, eine Freundschaft, die gepflegt werden muss.

Ehrenmedaille für belgischen Ex-Bürgermeister

Dazu gehört auch eine besondere Ehrung, mit der die Stadt Korntal-Münchingen den früheren Bürgermeister von Tubize bei einer eigenen Feier auszeichnete. Der Gemeinderat von Korntal-Münchingen hatte beschlossen, Michel Junath die Ehrenmedaille der Stadt zu verleihen. Der Politiker habe sich jahrzehntelang umfangreich für die Städtepartnerschaft engagiert und viele Freundschaften gepflegt.

Er ist noch heute Vorsitzender des Partnerschaftskomitees. Zuletzt habe er eine große Delegation nach Tubize eingeladen, berichtete Lucia Costa, bei der Stadt für Städtepartnerschaften zuständig, vom Engagement von Michel Junath.