Symbolbild zeigt Hand mit Victory-Zeichen und gewandet in Farben der chinesischen Flagge vor einem Hafen mit Exportgütern.

Illustration: Shutterstock.com

Seltene Erden sind das neue Öl des 21. Jahrhunderts. China dreht den Hahn zu – und verlangt tiefe Einblicke in deutsche Produktionsgeheimnisse.

Chinas neue Exportbeschränkungen für Seltenerdmetalle treffen die deutsche Industrie mit größerer Wucht.

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Seit Oktober benötigen ausländische Unternehmen eine Genehmigung aus Peking, um Produkte mit diesen kritischen Rohstoffen zu exportieren. Für militärische Zwecke ist der Export komplett untersagt, wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) berichtet.

Die Abhängigkeit ist enorm: Über 90 Prozent der in Europa verbrauchten Seltenerdmagnete stammen aus China, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Die Mineralien sind elementar für Elektroautos, Haushaltsgeräte, KI-Chips, Rechenzentren, Windturbinen und die Rüstungsindustrie.

Deutsche Firmen müssen Geheimnisse preisgeben

Besonders brisant sind die Informationen, über die Bloomberg aktuell berichtet.

Demnach müssen deutsche Unternehmen äußerst detaillierte, vertrauliche Daten einreichen, um eine sechsmonatige Einfuhrlizenz für seltene Erden zu erhalten. Die Formulare verlangen Produktfotos, Fertigungsdiagramme, Kundendaten und Produktionsprognosen für die nächsten drei Jahre.

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Diese Informationen könnten Peking helfen, Deutschlands Verwundbarkeit zu kartieren und aufzuzeigen, welche Firmen nur einen chinesischen Zulieferer haben oder geringe Lagerbestände vorhalten, wird Rebecca Arcesati vom China-fokussierten Think Tank Merics von Bloomberg zitiert.

Das Bundeswirtschaftsministerium betrachtet „die fortlaufende Ausweitung der chinesischen Exportkontrollen mit großer Sorge“ und nutzt „alle verfügbaren Kanäle“, um die Angelegenheit anzusprechen, wird die Sprecherin Luisa-Maria Spoo wiedergegeben.

Produktionsstopps

Die Auswirkungen zeigen sich bereits: Eine September-Umfrage der Europäischen Handelskammer in China unter 22 Unternehmen ergab, dass nur 19 von 141 Ausfuhranträgen genehmigt wurden. Das dürfte laut Bloomberg 46 Produktionsstillstände verursachen und bis Dezember weitere zehn, wie Bloomberg berichtet.

Zusätzlich verschärft der Konflikt um den niederländischen Chiphersteller Nexperia die Lage. China verhängte einen Exportstopp für das Unternehmen, nachdem die niederländische Regierung die Kontrolle übernommen hatte.

„Die Situation könnte zu erheblichen Produktionsbeschränkungen, möglicherweise sogar zu Produktionsstillständen in naher Zukunft führen“, warnte Hildegard Müller, Vorsitzende des deutschen Automobilverbands VDA.

EU plant ResourceEU-Initiative

Als Antwort kündigte von der Leyen das „ResourceEU“ genannte Vorhaben an, das dem Plan „RepowerEU“ zur Energieunabhängigkeit von Russland ähnelt. Die EU will Partnerschaften mit Ländern wie Australien, Kanada, Chile, Grönland, Kasachstan, Usbekistan und der Ukraine beschleunigen, berichtet das Handelsblatt.

Ein wichtiger Baustein sei das Recycling, verspricht die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: „Manche Unternehmen können bis zu 95 Prozent von kritischen Rohstoffen und Batterien recyceln.“

Die EU will außerdem Investitionen in strategische Projekte für die Produktion und Verarbeitung kritischer Rohstoffe in Europa fördern.

Rohstofffonds kommt nicht in Gang

Doch die Umsetzung stockt. Der vor einem Jahr mit einer Milliarde Euro ausgestattete deutsche Rohstofffonds hat noch kein einziges Projekt genehmigt, kritisiert die FAZ. 50 Interessensbekundungen liegen vor, doch erst im Juli wurde die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC mit der Prüfung betraut.

Der BDI fordert Reformen: Das Regelwerk sei zu bürokratisch, die Mindestgrenze von 50 Millionen Euro zu hoch angesetzt. „Deutschland und die EU müssen risikobereiter werden, wenn es darum geht, Rohstoffprojekte zu erschließen und abzusichern“, mahnt der Verband.

Japan als Vorbild

Japan zeigt, wie es anders geht. Nach einem chinesischen Exportverbot für seltene Erden 2010 reduzierte das Land seine Abhängigkeit von China von 90 auf 60 Prozent. Neue Lieferanten, mehr Recycling und findige Ingenieure, die Ersatzmaterialien fanden, halfen dabei, berichtet die FAZ.

Einige deutsche Unternehmen sind bereits aktiv geworden. Erik Eschen von der Hanauer Vacuumschmelze hat für militärische Aufträge eine separate Lieferkette mit Bergbaukonzernen in Australien und Südamerika sowie Raffinerien in Japan und den USA aufgebaut. Rheinmetall verfügt nach eigenen Angaben über „stabile und sichere Lieferketten“ und sichert Bedarfe „durch strategische Einkäufe und Lagerhaltung für mehrere Jahre ab“.

Die Zeit drängt. Wie die FAZ in einem Kommentar, betitelt mit Berlin hat die Rechnung ohne China gemacht warnt: „Bis Lieferketten diversifiziert, geschweige denn eigene Minen gebaut sind, vergehen Jahre.“

Die Abhängigkeit von den seltenen Erden entwickelt sich zu einem geopolitischen Risiko, das die EU und insbesondere Deutschland nun unter Druck setzt, ihre Rohstoffstrategien neu auszurichten.

Überzeugende Lösungen sind bislang nicht in Sicht. Die Krise um die Seltenen Erden zeigt, wie eng wirtschaftliche und geopolitische Abhängigkeiten miteinander verflochten sind.