Was macht die Stadt gegen überhöhte Mieten in Stuttgart, wie greift sie ein? Laut Rolf Gaßmann können Vermieter einfach machen. Die Stadt verteidigt sich.
Rolf Gaßmann, der Vorsitzende des Mietervereins Stuttgart, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Stadt: „Wir haben inzwischen den Eindruck, dass die Stadt Stuttgart gar nichts gegen überhöhte Mieten unternimmt“.
Sein Ärger rührt daher, dass der Wohnungsmangel in Stuttgart die Angebotsmieten explodieren lässt. Eine Tatsache, die Rolf Gaßmann schon seit Jahren umtreibt – schließlich wird er täglich mit den Themen Mietpreisbremse, Mietpreisüberhöhung und Mietwucher konfrontiert. Auch deshalb dringt er vehement darauf, dass das Problem im Sinne der Bürger bald gelöst werden solle – oder zumindest Erleichterungen und Hilfen für sie geschaffen werden.
Der Stuttgarter OB Nopper schrieb an Verein für Mieter
„Im Jahr 2021 kam Oberbürgermeister Frank Nopper auf unsere Mitgliederversammlung“, sagt Gaßmann. „Wir haben ihm damals empfohlen, dass die Stadt das Angebot einer Firma aus Freiburg nutzen sollte.“ Der sogenannte Mietenmonitor überprüft mittels einer Software Mietwohnungsangebote auf vermutete Verstöße gegen die Mietpreisbremse, Mietpreisüberhöhung und Mietwucher. „So hat die Stadt die Möglichkeit, diese Vermieter direkt anzuschreiben“, sagt Gaßmann.
An wen können sich Mieter in Stuttgart wenden, wenn ihre Miete überhöht ist? Foto: Imago/blickwinkel
Die Stadt Stuttgart hat dann tatsächlich über einige Monate hinweg den Mietenmonitor in Anspruch genommen – sich schließlich allerdings dagegen entschieden. OB Nopper schrieb aber in einem Brief vom 8. November 2022, der unserer Redaktion vorliegt, an Gaßmann: „Die Analyse von in Inseraten oder in Internetportalen geforderten überhöhten Mieten soll in Stuttgart nicht mittels externer Software, sondern vielmehr mit eigenem Personal und mit eigener Software durchgeführt werden“, so Nopper. „Seit Anfang Oktober 2022 ist deswegen beim Amt für Stadtplanung und Wohnen im Bereich Mietpreisangelegenheiten eine zusätzliche Stelle besetzt worden. Der Stelleninhaber soll unter anderem auch in Fällen von überhöhten Mieten tätig werden.“
Da sich auf dem Mietmarkt zwischenzeitlich wenig zum Besseren hin bewegt hat, schrieb Gaßmann am 14. August 2025 erneut an OB Nopper: „Besonders besorgniserregend ist, dass die Angebotsmieten insbesondere deshalb unbezahlbar werden, weil offensichtlich eine Vielzahl an Vermietern sich nicht an Recht und Gesetz hält. Unseres Erachtens darf die Stadt nicht tolerieren und wegschauen, wenn viele Vermieter die Wohnungsnot zu ungesetzlichen Extraprofiten nutzen.“ Konkret fragt Gaßmann, ob es „diese Stelle mit der Aufgabenzuordnung ‚Kontrolle von Angebotsmieten‘ noch gibt und welche Erfolge die Stadt gegebenenfalls vorweisen kann“. Eine Antwort darauf habe er bis heute nicht erhalten.
Rolf Gaßmann findet, die Stadt falle bei diesem Thema vor allem durch Nichtstun auf – er meint überhöhte Mietpreise Foto: Lichtgut/Leif Piechowski
Auf Anfrage unserer Redaktion äußert sich die Stadt dazu folgendermaßen: „Die Stelle wurde geschaffen und ist seit Herbst 2022 durchgehend besetzt.“ Im Amt für Stadtplanung und Wohnen kümmern sich demnach zwei Leute darum. Allerdings hätten sie auch noch andere Aufgaben. Eine eigene Softwar gebe es nicht.
So viele Inserate für Mieter hat die Stadt Stuttgart überprüft
Das Unterfangen sei nicht ganz einfach. Aus einem Angebot lassen sich zunächst noch keine rechtlichen Schritte gegen überhöhte Mieten ableiten. Dazu sei der Abschluss eines Mietvertrags erforderlich. Das ergibt sich sowohl aus dem § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG) als auch aus dem § 291 Strafgesetzbuch. „Unser Vorgehen bei vermuteten überhöhten Angebotsmieten ist, dass wir die Inserierenden postalisch anschreiben“, erklärt die Stadt. Das wirke in vielen Fällen. Oftmals fehle es auch einfach an Wissen über Mietspiegel, Mietpreisbremse und Mietpreisüberhöhung.
Laut der Stadt wurden insgesamt 384 Inserate überprüft. Davon waren ausgehend vom Mittelwert des Mietspiegels 82 Inserate rechnerisch oberhalb der Mietpreisbremse, aber unterhalb der Mietpreisüberhöhung und 132 oberhalb der Mietpreisüberhöhung und unterhalb des Mietwuchers. 62 Inserate ergaben vom Mittelwert ausgehend rechnerisch einen Mietwucher.
153 Inserierende wurden von der Stadtverwaltung angeschrieben. In 112 Fällen erfolgte eine Rückmeldung. In 45 Fällen konnte die Miete plausibilisiert werden. In 15 Fällen wurde die Miete auf ein zulässiges Maß reduziert. In etlichen Fällen fehlten laut Stadt die Adressen der Objekte und Daten der Inserierenden, Kontaktaufnahme nicht möglich.
Gaßmann reicht das nicht. „Wenn in drei Jahren nur insgesamt 384 Inserate überprüft wurden, dann sind das mit elf pro Monat erschreckend wenig“, sagt er. Der Mietenmonitor prüfe dieselbe Anzahl in einem Monat. „Das wenige Tun klingt mehr nach Placebo wie nach engagiertem Handeln der Stadt, zumal die Stadt sich gegen eine Auswertung mit einer bewährten und preisgünstigen Software entschieden hat.“ Weil es die vom OB versprochene eigene Software nicht gebe und die Arbeit deshalb händisch erfolge, liege die Vermutung nahe, „dass die Stadt alles tut, damit ihre Mietpreisüberwachung wirkungslos bleibt“, so Gaßmann.
Stadt Stuttgart könne das keinem Vermieter nachweisen
Zudem sei ein zentrales Ziel des Mietervereins, dass die Maßnahmen auch abschreckend wirken. „Wichtig wäre, dass die Stadt ihre Überwachungstätigkeit öffentlich macht“, sagt er. „Kein Vermieter weiß, dass die Stadt überhöhte Mieten nicht hinnimmt und dagegen etwas tut. Kein Mieter weiß, an wen er sich bei der Stadt wenden kann, wenn seine Miete maßlos überhöht ist.“
Die Stadt klagt indes über fehlenden Handlungsspielraum und verweist auf die Bundesregierung. Seit einem Urteil von 2004 liegt die Beweislast beim Mieter. Das heißt es, eine Mietpreisüberhöhung liegt nur vor, wenn der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags die Zwangslage des Mieters kannte und diese bewusst ausnutzte. Dies einem Vermieter nachzuweisen, ist laut der Stadt Stuttgart kaum möglich.
Gaßmann bestätigt das. Er sagt aber auch, dass die Stadt „ihr fehlendes Engagement nicht mit dem Verweis auf Bundesgesetze begründen sollte“. Sie habe heute schon Möglichkeiten, auf Mietpreise dämpfend einzuwirken. Andere Städte tun dies laut Gaßmann mit Erfolg. So habe Frankfurt gegen uneinsichtige Vermieter pro Jahr jeweils Geldbußen von etwa 150 000 Euro erwirkt.
Freiburg, Tübingen und neuerdings Esslingen arbeiten erfolgreich mit Mietenmonitor zusammen. Tübingen bewirbt ein Mietertelefon und hilft Mietern bei der Rückforderung überhöhter Mieten, verhandelt mit Vermietern und droht ihnen mit Bußgeldern.
Rechtliches zur Miete
Mietpreisbremse
Bei der Mietpreisbremse sind Vermieter verpflichtet, die Miete bei Neuvermietung auf maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete zu begrenzen und bestimmte Auskünfte zu geben. Mieter müssen aktiv werden, indem sie die Einhaltung der Mietpreisbremse prüfen und diese innerhalb der Frist schriftlich rügen, um eine zu hohe Miete zu beanstanden und zu viel gezahlte Beträge zurückzufordern. Dies gilt nach § 556f des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Mietpreisüberhöhung
Diese liegt vor, wenn die Miete 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Sie stellt eine Ordnungswidrigkeit dar.
Mietwucher
Mietwucher liegt vor, wenn die Miete in einem deutlichen Missverhältnis zum zur Verfügung gestellten Wohnraum steht und bei Vertragsabschluss die Unerfahrenheit, eine Zwangslage oder ein Mangel an Urteilsvermögen (Intelligenzminderung) oder eine erhebliche Willensschwäche des Mieters (durch Krankheit oder Sucht) bewusst ausgenutzt wurden. Im strafrechtlichen Sinne liegt Mietwucher erst dann vor, wenn die Miete um mehr als 50 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt und sich der Mieter in einer Zwangslage befindet, die der Vermieter ausnutzt. (anj)