Interview

Standdatum: 27. Oktober 2025.

Autorinnen und Autoren:
Alexander Schnackenburg

Frau mit glattem schulterlangem Haar, braunem Pulli und Brille guckt für Portraitfoto in die Kamera

Schulleiterin Daniela Gottschalk sieht in einem etwas späteren Schulbeginn fast ausschließlich Vorteile.

Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

Bremens Ökumenisches Gymnasium experimentiert seit Beginn des Schuljahrs mit einem späteren Schulstart. Bis jetzt läuft das sehr gut, sagt Schulleiterin Daniela Gottschalk.

Die Herbstferien sind vorüber. Die Schule ruft. Nach zwei Wochen der Erholung müssen die Kinder und Jugendlichen in Bremen, Bremerhaven und umzu wieder früh aus dem Bett – zumindest die meisten. Nicht ganz so hart wie andere trifft es die Schülerinnen und Schüler des Ökumenischen Gymnasiums (ÖG) in Oberneuland. Denn dort beginnt die Schule seit Beginn des Schuljahrs nicht mehr um 7.45 Uhr, sondern erst um 8.30 Uhr. Schulleiterin Daniela Gottschalk berichtet von den Erfahrungen, die das ÖG bislang damit gemacht hat.

Frau Gottschalk, wie ist es dazu gekommen, dass Sie den Schulstart ein wenig nach hinten verlegt haben?

Wir haben uns überlegt: Wie können wir Schule so gestalten, dass wir sagen können: So wollen wir in zehn oder in fünfzehn Jahren lernen oder lehren? Da wurde uns bewusst, dass sich an der Schule eine Menge ändern muss. Meist entsteht Schulentwicklung aus einer Notsituation heraus. Man denke an die Fortschritte bei der Digitalisierung infolge von Corona.

Jetzt hatten wir zwar keine Notlage. Aber durch das Eindringen von KI in den Schulalltag haben wir uns gefragt: Was ist inhaltlich relevant, mit welchen Kompetenzen müssen wir die Schülerinnen und Schüler ausstatten – und in diese Ideenfindung haben wir weitere Aspekte einbezogen. Es gibt Studien, die beweisen, dass ein späterer Schulstart eher dem Biorhythmus der Jugendlichen entspricht und auch ihrer Gesundheit zuträglich ist. Das haben wir uns dann noch von einem Biologen erklären lassen.

Dann haben wir die Idee vom Kollegium mit Schülervertretern und mit Eltern besprochen. Und dann haben wir das gemacht – nach einem Testtag, der in die Hose gegangen war und nachdem wir das Konzept mehrfach wieder umgestaltet hatten. Das war ein langer Prozess mit vielen Diskussionen.

Ein etwa 11jähriger Schüler schläft im Unterricht

Der frühe Schulstart läuft dem Biorhytmus vieler Kinder zuwider. Dieser Junge hält ein Nickerchen während des Unterrichts (Symbolbild).

Bild: Radio Bremen | KI generiert

Inzwischen haben Sie Erfahrungen mit dem späteren Schulstart sammeln können. Wie finden das die Schülerinnen und Schüler, die Eltern und Ihr Kollegium?

Die Schüler stehen besonders dahinter. Ich schätze: mindestens 80 Prozent von ihnen. Sie waren von Anfang an diejenigen, für die wir das hauptsächlich gemacht haben. Ich erinnere mich noch an eine Versammlung mit den Eltern, bei der ein Schülervertreter aufstand und zu Eltern sagte: „Jetzt machen Sie uns das bitte nicht kaputt.“

Wir haben versprochen, dass wir es zum Halbjahr evaluieren. Aber ich sehe jetzt schon, dass die große Mehrheit den späten Schulstart gut findet. Ich könnte mir aber vorstellen, dass es innerhalb des Schulalltags noch zu einigen Verschiebungen kommen wird. Das betrifft etwa die Länge einer Pause, die mir derzeit mit 15 Minuten etwas kurz erscheint. Aber, ich will da nicht vorgreifen, und so etwas bestimmen wir außerdem gemeinsam. Es soll schließlich auch von der gesamten Schulgemeinschaft getragen werden.

Wirkt sich der spätere Schulstart auch auf die Leistungen der Schülerinnen und Schüler aus?

Das kann ich aus eigener Anschauung nicht sagen. Es gibt aber Studien, die belegen, dass die Schülerinnen und Schüler leistungsfähiger sind. Das hängt einfach damit zusammen, dass sie sich wohlfühlen. Und wenn sie gesund sind und sich wohlfühlen, dann können sie auch bessere kognitive Leistungen erbringen.

Aber das ist gar nicht das Allerwichtigste. Das Allerwichtigste ist, dass sie sich wohlfühlen. Ich höre immer wieder, dass die Situation jetzt morgens entspannter ist bei den Schülerinnen und Schülern. Und auch die Verkehrssituation vor dem Schulstart ist etwas entspannter, seit wir erst um 8.30 Uhr anfangen.

Was ist aus Ihrer Erfahrung das stärkste Gegenargument gegen den späteren Schulanfang?

Das kam aus der Elternschaft. Einige Kinder haben ein sehr volles Programm. Wenn sie nach der sechsten Stunde Schulschluss haben, dann ist das jetzt um 13.45 Uhr – und damit eine halbe Stunde später als früher. Einige Eltern stört, dass dadurch das Mittagessen um eine halbe Stunde nach hinten gerückt ist und diese halbe Stunde am Nachmittag fehlt, wo zum Beispiel Sport oder Musikunterricht auf dem Programm stehen.

Für alle Eltern, die darauf angewiesen sind, dass ihre Kinder weiterhin am frühen Morgen betreut werden, bieten wir eine Frühbetreuung an. Derzeit kommen aber nur ein bis drei von 700 Kindern in diese Frühbetreuung.

Inwiefern könnte das Beispiel des Ökumenischen Gymnasiums Schule machen?

Ich gehe mal von anderen Gymnasien aus. Denn ich weiß, dass einige Oberschulen bereits sehr flexibel in der Rhythmisierung sind. Ich glaube: Unser Beispiel würde dann Schule machen, wenn die Schulgemeinschaft es möchte. Wenn eine starke Schülervertretung dafür einsteht, wenn die Eltern das unterstützen und das Kollegium.

Was spricht dagegen, erst um 9 Uhr mit der Schule anzufangen?

Das wäre ein Traum! Ich habe in England an Schulen gearbeitet, da ist das so. Da stehen pädagogische Gesichtspunkte stärker im Vordergrund als strukturelle – wie der Stundenplan. Aber: Dann wären wir bei der Ganztagsschule.

Könnten Sie sich vorstellen, dass das der nächste Schritt Ihrer Schule wird?

Ich weiß es nicht. Ich lasse mich überraschen. Wir haben eine Impulsgruppe, die sich mit ganz unterschiedlichen Konzepten befasst. Also: Vielleicht kommt die Ganztagsschule irgendwann bei uns.

Information zum Thema
Zur Person: Daniela Gottschalk

Daniela Gottschalk ist im vierten Jahr Schulleiterin des Ökumenischen Gymnasiums in Bremen. Sie unterrichtet Deutsch und Englisch. Früher hat die heute 53-Jährige im In- und Ausland an internationalen Schulen gearbeitet. Die gebürtige Chemnitzerin wohnt seit 2006 in Bremen.

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Quelle:
buten un binnen.

Dieses Thema im Programm:
buten un binnen, 22. September 2025, 19:30 Uhr