Die Stadt Stuttgart muss sparen. Das deutete sich schon bei der Klausur des Jugendhilfeausschusses im Frühjahr an. Die Evangelische Gesellschaft (Eva) als freier Träger der Jugendhilfe zog daraus den naheliegenden Schluss, dass es im Doppelhaushalt 2026/2027 wohl schwieriger werden würde, Förderungen für soziale Projekte zu bekommen.
Um gegenzusteuern gab sie eine Analyse beim Instituts für europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft (IEGUS) in Berlin in Auftrag und ließ drei ihrer Projekte auf ihre langfristige Rentabilität untersuchen. In den Blick genommen hat Benjamin Herten, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler und Mitglied der Geschäftsleitung von IEGUS, diese Angebote:
- Im „Haus der Lebenschance“ können junge Erwachsene ihren Hauptschulabschluss nachholen.
- Bei „Cambio“ werden junge Menschen begleitet, die Unterstützung in der Ausbildung benötigen.
- „Aufwind“ kümmert sich um Kinder und Familien, in denen ein Elternteil psychisch erkrankt ist.
Sozialrendite vergleicht Kosten und Nutzen
Als wissenschaftlichen Bezugsrahmen hat Benjamin Herten den „Social Return of Investment“ (SROI) herangezogen, also die Sozialrendite. Der SROI vergleicht die eingesetzten Mittel mit den langfristigen finanziellen Rückflüssen und den vermiedenen Kosten. So lässt sich zeigen, nach welcher Zeit der finanzielle Nutzen die Höhe der eingesetzten Mittel übersteigt. Im Fachjargon wird das als Break-Even-Point bezeichnet.
„Meine Berechnungen fokussieren sich auf den kommunalen Haushalt. Wenn durch präventive soziale Angebote für junge Menschen der Bezug von Transferleistungen wie Bürgergeld vermieden wird, kommt das direkt der Kommune zugute“, sagte Herten bei der offiziellen Vorstellung der Ergebnisse.
Klausjürgen Mauch ist Abteilungsleiter bei der Eva. Foto: Lichtgut/Kovalenko
Die Mittel, mit denen die Stadt Stuttgart das „Haus der Lebenschance“ mitfinanziert, erreichen den Break-Even-Point nach neun Jahren – unter der realistischen Annahme, dass von den durchschnittlich zwölf Teilnehmenden pro Jahrgang fünf in Ausbildung und Arbeit kommen. Nach zehn Jahren erzielt die Kommune einen Ertrag, der die Investitionen um den Faktor 1,2 übersteigt. Nach zwanzig Jahren ist der finanzielle Nutzen dreimal so hoch wie die eingesetzten Mittel.
Bei „Cambio“ werden im Jahr rund 35 junge Menschen in der Ausbildung oder bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz begleitet. Hier ergeben die Modellrechnungen: Die Investition der Kommune erreicht den Break-Even-Point nach vier Jahren, selbst wenn nur zehn junge Erwachsene durch die Teilnahme langfristig kein Bürgergeld beziehen.
Auch „Aufwind“ kann der Stadt Geld sparen
Bei dem Angebot „Aufwind“ ist die Berechnung der Sozialrendite besonders eindrucksvoll. Die Eva betreute im Jahr 2024 57 Familien mit 96 Kindern. Wenn fünf Kinder und ihre Familien durch die sozialpsychiatrische Beratung so stabilisiert werden, dass keine Unterbringung in einer Wohngruppe nötig wird, spart das der Kommune innerhalb eines Jahres Kosten in Höhe von mehr als dem Dreifachen der eingesetzten Mittel.
„Soziale Arbeit lohnt sich also nicht nur für die Menschen, sondern auch für den städtischen Geldbeutel“, sagte Silke Banning, Abteilungsleiterin bei der Eva. Ihr Kollege Klausjürgen Mauch ergänzte: „Prävention ist kein Kostenfaktor, sondern wirtschaftlich rentabel.“ Denn durch vermiedene Transferleistungen fließe ein Vielfaches der Anfangsinvestition an die Kommune zurück, so der Eva-Abteilungsleiter.