Genf. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) hat das Hepatitis-D-Virus (HDV) in die höchste Risikogruppe der krebserregenden Faktoren eingestuft. Damit steht HDV nun in einer Reihe mit bekannten Erregern wie dem Hepatitis-B– und dem Hepatitis-C-Virus, die schon länger als Auslöser von Leberkrebs anerkannt sind. Grundlage sind Studien, die einen klaren Zusammenhang zwischen HDV und der Entstehung von Leberkrebs belegen.
Hepatitis-D-Virus: Was ist HDV?
HDV ist ein ungewöhnliches Virus, das nur Menschen infizieren kann, die bereits mit Hepatitis B (HBV) infiziert sind. Es handelt sich um ein sogenanntes Satellitenvirus, das die Hülle von HBV benötigt, um sich im Körper zu vermehren. Infizierte leiden häufiger unter schweren Verläufen: Aus einer akuten Infektion entwickelt sich schneller eine chronische Hepatitis, die das Risiko für Leberzirrhose und Leberkrebs stark erhöht.
Warum gilt HDV jetzt als krebserregend?
Die IARC, eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), geht nach Sichtung der aktuellen Daten davon aus, dass die wissenschaftliche Evidenz ausreicht, um HDV in die Kategorie „krebserregend für den Menschen“ (Gruppe 1) einzustufen. Demnach zeigen epidemiologische Studien, dass Patienten mit HBV- und HDV-Koinfektion deutlich häufiger ein hepatozelluläres Karzinom entwickeln als Personen mit HBV-Infektion allein. Die Befunde am Menschen seien stark genug, um die Neubewertung zu rechtfertigen.
Weltweit sind Schätzungen zufolge bis zu 10 Prozent aller chronisch HBV-Infizierten zusätzlich mit HDV infiziert. Die Infektion ist jedoch ungleich verteilt: Besonders hoch ist die Belastung in einigen Regionen Afrikas, Osteuropas, des Mittleren Ostens und Südamerikas. Auch in Risikogruppen, etwa bei Menschen mit intravenösem Drogenkonsum, ist die Infektionsrate überdurchschnittlich hoch. Für Gesundheitssysteme bedeutet dies, dass die Gefahr durch HDV bisher womöglich unterschätzt wurde.
HDV- Prävention durch Hepatitis-B-Impfung konsequent ausbauen
Ein wichtiger Unterschied zu anderen Viren, die Krebs verursachen können: Da HDV ohne HBV nicht überleben kann, schützt die Hepatitis-B-Impfung gleichzeitig auch vor einer Infektion mit Hepatitis D. Damit bleibt die HBV-Impfung das zentrale Instrument in der Prävention. Die IARC weist darauf hin, dass ein konsequenter Ausbau der Impfprogramme nicht nur Hepatitis B, sondern auch Hepatitis D und deren Folgen verhindern kann.
WHO fordert umfassende Strategien zur Bekämpfung viraler Hepatitiden
Angesichts der neuen Einstufung von HDV als krebserregend fordert die WHO, Strategien zur Bekämpfung viraler Hepatitiden zu verstärken und die Vorbeugung von Hepatitis D konsequent in nationale Programme zu integrieren. Insbesondere soll die Versorgung mit Impfungen, Testung, Diagnostik und Therapie ausgebaut werden. Nationale Gesundheitssysteme müssten Hepatitis-D-Programme in ihre Regelversorgung übernehmen und koordinieren. Es komme darauf an, die Krankheitslast zu senken und Todesfälle durch Leberzirrhose sowie Leberkrebs einzudämmen. Laut WHO könnten durch Erreichen der globalen Ziele zur Hepatitis-Bekämpfung bis 2030 Millionen Menschenleben gerettet und Neuinfektionen verhindert werden.