Eine Amerikanische Flagge an einer Ölraffinerie in Kalifornien.

analyse

Stand: 27.10.2025 16:50 Uhr

Mit Scope hat eine führende europäische Ratingagentur die Bonitätsnote der USA gesenkt. Nicht nur die stetig steigende Verschuldung beunruhigt die Experten.


Detlev Landmesser

Die Vereinigten Staaten sind die weltweit größte Volkswirtschaft, die sich durch eine unerreichte Innovationskraft und hohe Arbeitsproduktivität auszeichnet. Aber auch über den höchsten Schuldenberg der Welt verfügt.

Beides ist zwar seit Jahrzehnten so, aber die Relationen verschieben sich: Die Schuldenquote, die die Staatsschulden ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung setzt, steigt seit Jahren. Während der Schuldenstand zuletzt 38 Billionen Dollar überschritten hat, ist die Schuldenquote auf über 122 Prozent gestiegen. Der Internationale Währungsfonds rechnet für dieses Jahr mit 123 Prozent, was etwas mehr ist als in Frankreich mit 116 Prozent.

Das ist kein triviales Problem, denn es führt zwangsläufig in einen Teufelskreis. Da die Staatseinnahmen stark von der Wirtschaftsleistung abhängen, bedeutet eine höhere Schuldenquote, dass ein immer größerer Teil der Einnahmen für den Schuldendienst aufgewendet werden muss. Das Geld, das der Staat seinen Gläubigern als Zinsen zahlen muss, fehlt auf der anderen Seite, um konjunkturelle Impulse zu setzen, etwa die Infrastruktur zu verbessern oder innovative Branchen zu fördern.

Harsche Kritik an US-Politik

Auf dieses Problem hat zuletzt die europäische Ratingagentur Scope hingewiesen, die am Freitag die Kreditwürdigkeit der USA herabgestuft hat. Die in Berlin ansässige Agentur senkte die Bonitätsnote von AA auf AA-. Sie verwies aber nicht nur auf die dauerhaft hohen Haushaltsdefizite und die steigende Zinslast der Vereinigten Staaten.

Bemerkenswert ist vor allem die harsche Abrechnung mit der Politik von US-Präsident Trump. „Die Schwächung von Standards bei der Regierungsführung, insbesondere das Aushöhlen der etablierten Gewaltenteilung, verringert die Vorhersehbarkeit und Stabilität der US-Politik“, heißt es im jüngsten Gutachten der Agentur.

Die Scope-Analysten beklagen vor allem „die zunehmende Machtansammlung der Exekutive“, die eigentlich von Parlament und unabhängigen Gerichten eingehegt werden sollte: „Die Regierung hat mehrfach Gerichtsurteile missachtet, die Autorität der Justizbehörden infrage gestellt, Kontrollen durch den Kongress unterlaufen und unabhängige Institutionen ins Abseits gedrängt.“ Ein Beispiel seien die vielen präsidialen Dekrete, mit denen Trump seine Regierungspolitik im Alleingang durchboxe und den Kongress schwäche.

„Spaltung erschwert dringende Reformen“

Die vom Gebaren der Regierung begünstigte „politische Polarisierung und Lahmlegung der Gesetzgebung“ zeige sich auch bei der aktuellen Haushaltsblockade – der schon jetzt zweitlängsten in der US-Geschichte. Diese Spaltung erschwere dringend notwendige Reformen, die etwa beim Steuer-, Gesundheits- und Rentensystem überfällig seien. Sollte die Regierung nicht gegensteuern, werde die Schuldenquote bis 2030 auf 140 Prozent steigen, warnen die Experten.

Das sind klare Worte, die sich der nach eigenen Angaben führende europäische Dienstleister für unabhängige Kreditratings wohl eher leisten kann als seine weltweit führenden Wettbewerber aus den USA, S&P Global, Moody’s und Fitch.

„Sonderstellung der USA in Gefahr“

Die jüngste Abkehr von bewährten Erfolgsfaktoren lässt sogar lange verankerte Gewissheiten über die USA wanken. Seit 2008 seien die Vereinigten Staaten der große Gewinner der Weltwirtschaft gewesen, erklärte jüngst Werner Krämer, Senior Economic Analyst bei Lazard Asset Management Deutschland. „Im Vergleich zu den G7-Staaten sahen wir hier die beste Entwicklung beim Bruttosozialprodukt und bei der Arbeitsproduktivität.“ Die USA führten bei Innovation und auf dem Aktienmarkt, bei der militärischen Stärke und bei kulturellen Werten und positiver Außenwahrnehmung. „In den letzten 17 Jahren haben die USA ein goldenes Zeitalter erlebt.“

Doch obwohl das Land in hohem Maße von der Globalisierung und vom Freihandel profitiert habe, kehre es genau diesen Grundlagen den Rücken. Freie Universitäten und freie Finanzmärkte würden genauso in Frage gestellt wie verbindliche und regelgebundene Abkommen der Staaten untereinander. „Die Sonderstellung der USA gerät zunehmend in Gefahr“, resümierte Krämer. „Was wir derzeit erleben, ist nichts weniger als eine neue Weltordnung.“

„Trumponomics“ scheinen nicht nachhaltig

Steuern die USA also auf eine Schuldenkrise zu? Experten sind skeptisch, ob sich die „Trumponomics“, die Errichtung von Handelsschranken bei gleichzeitigen Stimuli für die Wirtschaft, nachhaltig tragbar sind. Zwar sind in den bilateralen Handelsvereinbarungen, allen voran mit China, noch nicht alle Zollsätze endgültig, doch scheinen sie sich auf einen Prozentsatz im hohen Zehnerbereich einzupendeln, hat der britische Vermögensverwalter Insight Investment vorgerechnet.

Das bedeute monatliche Zolleinnahmen von etwa 29 Milliarden Dollar, verglichen mit durchschnittlich acht Milliarden im vergangenen Jahr, so Gareth Colesmith von Insight Investment. Das reiche aber nur etwa zur Hälfte aus, um die Kosten aus Trumps gigantischem Fiskalprogramm („Big Beautiful Bill“) zu decken, so der leitende Analyst.

Gleichzeitig setzt Trump, dessen Amtszeit Anfang 2029 endet, weiterhin unbeirrt auf die Anziehungskraft der „Marke“ USA, der er selbst großen Schaden hinzugefügt hat. Immerhin hat er nun auch eine lockerere Zinspolitik der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) im Rücken, die in diesem Jahr noch zweimal den Leitzins senken dürfte, um die Wirtschaft zu stützen.

Das letzte Wort haben die Finanzmärkte

Das letzte Wort werden hier die Finanzmärkte haben. Entscheidend ist ihr Vertrauen, kurz gesagt die Bereitschaft der nationalen und internationalen Gläubiger, weiterhin amerikanische Staatsanleihen zu kaufen und den Dollar als Währungsreserve zu nutzen.

Ein wesentlicher Gradmesser dafür ist die Rendite der amerikanischen Staatsanleihen. Diese zeigt, dass Trump insbesondere mit seiner erratischen Zollpolitik und den Angriffen auf die Fed für starke Irritationen gesorgt hat. Aber zuletzt haben sich die Märkte wieder etwas beruhigt. Die Rendite 30-jähriger Staatsanleihen, die auf den Höhepunkt der Unsicherheiten im Mai noch über fünf Prozent gesprungen war, hat sich zuletzt wieder auf einen Wert von 4,6 Prozent verringert. Zehnjährige US-Anleihen rentieren derzeit mit 4,02 Prozent, nach bis zu 4,6 Prozent im Mai.

Um zu beurteilen, wie es um die Finanzstabilität der weltgrößten Volkswirtschaft bestellt ist, sind diese Kennziffern ein gut zugänglicher und wichtiger Indikator.