„Die Wälder sind verschwunden, die Häuser verbrannt. Ich habe niemanden gefunden. Niemand erkannte mich. Und als der fremde Vogel schrie, lief ich davon. Wohin ich auch gehe, ich komme ins Nirgendland.“ Die Dichterin Mascha Kaléko schrieb diese melancholischen Zeilen unter dem Titel „Kein Kinderlied“ aus ihrem Exil. Heimatlosigkeit war einer der roten Fäden, die sich durch das Leben der 1907 im heutigen Polen geborenen Dichterin zogen. Als Jüdin musste sie 1938 vor dem NS-Regime aus Deutschland fliehen.
„Nirgendland“ und viele andere Texte von Mascha Kaléko präsentierte der Förderverein Lust am Lesen der Stadtbibliothek Mönchengladbach im Rahmen der „Textstationen“: Im großen Saal des Theaters Mönchengladbach stellte die italienische Musikerin Etta Scollo mit ihren Kolleginnen und der Schauspielerin Corinna Harfouch ihre persönliche Hommage an die Dichterin vor. Die Sängerin Etta Scollo nahm anlässlich des 50. Todestages der Dichterin im Januar 2025 das Album „Nirgendland“ mit deutsch und italienisch vertonten Texten von Kaléko auf.
Die ganze atmosphärische Spannbreite der mal wehmütigen, mal ironischen, mal traurige und mal nüchtern-trockenen Worte führte Etta Scollo, Gesang und Gitarre, gemeinsam mit Tara Bouman, Klarinette und Gesang, und Susanne Paul, Violoncello und Gesang, dem Publikum vor. Die Schauspielerin Corinna Harfouch las (und sang) die Texte dabei auf eine berührende Weise, betonte die Gedanken mit Mimik und Gestik und wirkte hochkonzentriert und im Einklang mit dem Trio.
Im Hintergrund der Performance erschienen Fotografien von Kalékos Notizheften mit Gedichtentwürfen, Anmerkungen und Zeichnungen, außerdem waren Bilder von Großraum-Schreibbüros der Zwanzigerjahre zu sehen. Ein anderer roter Faden in Kalékos Werk war die feine, leicht spöttelnde Wahrnehmung des Alltags, der Menschen um sich herum und ihrer selbst: „Ich bin als Emigrantenkind geboren“, heißt es im „Interview mit mir selbst“. „Mein mein meistgesprochenes Wort als Kind war ‚nein‘. Ich möchte nicht mein Kind gewesen sein.“ In diesem Zusammenhang beschreibt sie auch ironisch ihren eigenen Werdegang: „Es hieß, wir sollten jetzt ins Leben treten. Ich aber leider trat nur ins Büro“.
Die Besucherinnen und Besucher der Lesung spendeten großzügigen Beifall und freuten sich über die kleine Zugabe mit dem „liebsten Gedicht“: „Ich schrieb es nicht. Aus tiefsten Tiefen stieg es. Ich schwieg es.“