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Donald Trump will einen schnellen Deal im Ukraine-Krieg und fordert von Kiew Zugeständnisse. Sollte der US-Präsident mit seiner Initiative scheitern, würde vor allem der russische Präsident Wladimir Putin profitieren.
Im vierten Jahr des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine steht Kiew diplomatisch mit dem Rücken zur Wand. Während die Kämpfe an den Frontlinien nach Ostern wieder zunehmen, laufen hinter verschlossenen Türen intensive Gespräche über einen möglichen Waffenstillstand – unter Federführung von US-Präsident Donald Trump. Sein Ziel ist ambitioniert, seine Mittel drastisch: ein schneller Deal zwischen Kiew und Moskau, notfalls auf Kosten ukrainischer Interessen.
Der Druck ist immens, vor allem auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Denn es zeichnet sich ein Paradigmenwechsel in der US-Außenpolitik ab. Trumps Team – allen voran Außenminister Marco Rubio und der US-Sondergesandte Steve Witkoff – hat dem westlichen Bündnis in Paris eine Liste von Vorschlägen unterbreitet, die tief in die ukrainische Souveränität eingreifen würden.
Die Regierung in Kiew soll die russische Annexion der Krim anerkennen, einem Nato-Beitritt abschwören und möglicherweise sogar strategisch wichtige Infrastrukturen – etwa das Kernkraftwerk Saporischschja – unter Kontrolle der USA stellen. Kremlchef Wladimir Putin kann dagegen die von Russland eroberten Gebiete weiterhin besetzen. Auch darüber hinaus wird er zu keinen Zugeständnissen gezwungen.
Eine ganze Serie diplomatischer Dammbrüche steht im Raum, die für die Ukraine nur schwer zu akzeptieren sein werden. Zwar würden die Kämpfe zunächst enden, aber darüber hinaus hat Kiew keinen Mehrwert von einem Deal. Doch eine Gefahr ist offensichtlich: Sollte Selenskyj ablehnen, könnte Washington dies als Vorwand nutzen, um sich aus der Unterstützung der Ukraine zurückzuziehen. Denn Trump hat längst die Geduld verloren.
Er wolle „sehr bald“ eine Einigung sehen, sagte Trump vergangene Woche im Weißen Haus. Der US-Präsident betonte, dass er bei mangelnder Kompromissbereitschaft beider Seiten kein Interesse an einer Fortsetzung der US-Vermittlungsbemühungen habe. „Wenn nun aus irgendeinem Grund eine der beiden Parteien es sehr schwierig macht, werden wir einfach sagen: Ihr seid dumm. Ihr seid Dummköpfe, ihr seid schreckliche Menschen, und wir werden es einfach lassen“, sagte er.
Der Republikaner wurde am Sonntag konkreter, setzte eine Frist. Trump verkündete in seinem sozialen Netzwerk „Truth Social“, dass er auf einen Deal in dieser Woche hoffe. Und versprach Russland und der Ukraine in dem Fall gute Geschäfte mit den USA.
Die Drohung, sich schmollend aus der Affäre zu ziehen, könnte Taktik aus dem Repertoire eines Unternehmers sein, der sein Gegenüber am Verhandlungstisch weichklopfen will. Doch diese Taktik birgt ein immenses Risiko: Sollte Trump tatsächlich die Unterstützung einstellen, wäre die Ukraine militärisch in großen Schwierigkeiten – mit unkalkulierbaren Folgen für die Sicherheit Europas.
Erst vergangene Woche warnte US-Außenminister Marco Rubio auch die Verbündeten der Amerikaner. „Wenn es möglich ist, sind wir bereit, alles zu tun, was wir können, um dies zu erleichtern und sicherzustellen, dass es dazu kommt, dass er dauerhaft und gerecht beendet wird“, sagte er, wie in einem CNN-Video zu hören war.
„Wenn das nicht möglich ist und wir so weit voneinander entfernt sind, dass das nicht gelingen kann, dann denke ich, dass der Präsident wahrscheinlich an einem Punkt sein wird, an dem er sagen wird: ‚Gut, das war’s.'“ Rubio fügte mit Blick auf ein Ende des Krieges hinzu: „Wir müssen jetzt innerhalb weniger Tage herausfinden, ob das auf kurze Sicht machbar ist. Denn wenn nicht, dann müssen wir einfach weiterziehen.“
Die Motivation ist offenkundig: Trump will den Krieg möglichst rasch beenden, um in den ersten 100 Tagen seiner Präsidentschaft außenpolitische Erfolge vorweisen zu können. In den vergangenen Wochen betonte er wiederholt, dass sein Vorgänger Joe Biden für die Eskalation in der Ukraine verantwortlich sei. Das ist faktisch falsch, weil Russland seit der Annexion der Krim 2014 sein Nachbarland angreift. Aber je länger noch in der Ukraine gekämpft wird, desto mehr wird der Konflikt auch zu Trumps Krieg. Und das möchte der US-Präsident verhindern.