Das Kriterium für die Aufnahme Teodor Currentzis’ in die österreichische Kurie für Kunst ist eindeutig erfüllt. Nun entsorge man endlich das Konzept von der Kunst als dem „Wahren und Guten“.
„Mit seinen Fesselbildern kommt die westliche Kunstkritik nur schwer zurecht“, heißt es auf der Website der österreichischen Kurie für Kunst über den Fotokünstler Nobuyoshi Araki. Feministinnen liefen immer wieder Sturm gegen seine Aktfotografien, warfen ihm Ausbeutung, Degradierung von Frauen vor. Egal, ob das berechtigt ist oder nicht – Araki repräsentiert eher nicht den bei uns als vorbildlich geltenden Diskurs über Frauen oder Sexualität. Wenn Araki sich jetzt mit der Künstlerin Kiki Smith, ebenfalls Kurienmitglied, unterhält, die nach dem Motto „Frauen sind die besseren Menschen“ Utopien eines Matriarchats entwirft, das die Welt friedlich und frei machen soll: Können wir uns davon großartige Früchte für die österreichische Gesellschaft versprechen? Oder angenommen, die zwei diskutieren mit Kurienmitglied Michel Houellebecq über das weibliche Geschlecht, Islam, Liberalismus?
Houellebecq ist ja auch längst in der Kurie, so wie alle Träger des Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst, der höchsten Auszeichnung der Republik Österreich in diesen Bereichen. Diese soll, laut Kulturministerium, unter anderem „die Integration von Wissenschaft und Kunst einerseits und der Gesellschaft andererseits durch Meinungsäußerungen zu aktuellen und relevanten Anliegen“ fördern. Die „Diskussion von Problemen aus wissenschaftlicher und künstlerischer Sicht“ solle oder könne „zu Empfehlungen von allgemeiner Bedeutung und Akzeptanz führen“. Aber dafür wurde Houellebecq wohl nicht hineingewählt …
Wozu dann die ganze Aufregung rund um den griechisch-russischen Dirigenten Teodor Currentzis, der zum Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine schwieg und schweigt? Andreas Babler hat zwar als Kulturminister den Antrag auf Aufnahme Currentzis’ in die Kurie gestellt (nun fehlt nur noch, als Formalie, die Unterschrift des Bundespräsidenten). Gewählt haben Currentzis aber die österreichischen und ausländischen Künstler, die bereits Kurienmitglieder sind. Und das offiziell „ausschlaggebende Kriterium für die Aufnahme“ dabei sind – „herausragende künstlerische Leistungen“. Genau dieses Kriterium ist auch erfüllt.
Und alles wäre klar, würde man endlich die beharrliche Überhöhung und Selbsterhöhung der Kunst entsorgen. Würde man endlich aufhören, die menschliche Kompetenz zum „Schönen“, also zum ästhetisch Gelungenen, diese spezifische Art von Ausdruckskraft, aufblähen zur Meisterschaft im „Wahren“ und „Guten“. Würde das Ministerium auf Formeln von der „Integration von Kunst und Gesellschaft“, von „Empfehlungen von allgemeiner Bedeutung“ verzichten; und ein Künstler wie Currentzis darauf, sich als – durch die Musik „sprechender“ – Lebenslehrer zu gebärden.
anne-catherine.simon@diepresse.obfuscationcom
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