Schonungslose Netflix-Doku
Schonungslose Doku über Haftbefehl – „Ich war schon tot“
Aktualisiert am 27.10.2025 – 12:41 UhrLesedauer: 4 Min.
Haftbefehl (links, bürgerlich Aykut Anhan) und Elyas M’Barek bei einer Sonderaufführung der Dokumentation „Babo – Die Haftbefehl-Story“ in der Astor Film Lounge (Quelle: Christophe Gateau)
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Von der Straße ins Rampenlicht und in den Drogensumpf. „Babo – Die Haftbefehl-Story“ zeigt viel Persönliches über den Offenbacher – ohne Rapper-Klischees.
Straßenkriminalität, Ruhm, Drogen, eine schwierige Familiengeschichte, Depression – das sind Zutaten einer Dokumentation über den Deutschrapper Haftbefehl aus Offenbach. „Babo – Die Haftbefehl-Story“ ist ab Dienstag (28. Oktober) auf Netflix zu sehen. Der Film ist dabei keine bedingungslose Huldigung des 39-jährigen Aykut Anhan, wie Haftbefehl mit bürgerlichem Namen heißt. Und es ist die erste Produktion von Elyas M’Barek.
Die Doku spannt einen Bogen vom Offenbacher Hochhausviertel Mainpark, in dem Anhan aufwächst, über seinen kometenhaften Aufstieg als Musiker bis hin zu psychischen Problemen und Drogenkonsum, die fast in den Tod führen – schonungslos, bisweilen verstörend, ähnlich wie seine oft brachialen Songs.
Die erste Einstellung zeigt einen schlichten Sessel vor schwarzem Hintergrund, Anhan, sichtlich gezeichnet, setzt sich, steckt eine Zigarette an. Auf die Frage, wie es ihm gehe, antwortet er: „Mir geht’s gut, Brudi. Ich war in Therapie.“ Dann ergänzt er: „Ich war schon tot.“
Es folgt eine Rückblende auf ein von Brüchen durchzogenes Leben eines Menschen, der als Musiker von vielen verehrt wird, der mit dem Titel „Chabos wissen, wer der Babo ist“ das Jugendwort des Jahres 2013 bekannt machte, nämlich „Babo“ für Vater oder Chef. Ein Mensch, der zugleich umstritten ist, mit dem Gesetz in Konflikt kam, mit Texten wie „Fick deine Integration, ich lade die Kugel direkt durch dein‘ Schädel“ aus dem Song „069“ schockierte.
Die Netflix-Doku nimmt mit nach Frankfurt, Istanbul, zeigt ekstatische Massen auf dem Frauenfeld-Festival in der Schweiz, lässt andere Musik-Größen zu Wort kommen – den inzwischen gestorbenen Rapper Xatar, Moses Pelham, Jan Delay. Sie attestieren Haftbefehl „wahnsinnige Energie“, sprechen vom „König“, vom größten Künstler, den die Deutschrap-Szene hervorgebracht habe.
Und da sind Bilder vom schockierenden Auftritt 2022 in Mannheim, als sich Anhan kaum auf den Beinen halten kann, vom Aufwachen auf einer Intensivstation nach einem Drogenexzess, auf den kein Umdenken folgt, sondern der Griff zu den nächsten Drogen. Für die Macher des Films war nach Mannheim erstmal nicht klar, wie es weitergeht.
„Es ist kein Geheimnis, die Doku stand mehrere Male vor dem Abbruch“, erzählt Juan Moreno. Er entlarvte einst den Geschichten-Fälscher Claas Relotius, nun führte der in Hanau bei Offenbach aufgewachsene Moreno gemeinsam mit Sinan Sevinç („Split Second“) Regie. Rund zwei Jahre begleiteten die beiden Haftbefehl immer wieder mit der Kamera – bis November 2024.
