Elon Musk

analyse

Stand: 28.10.2025 17:00 Uhr

Grokipedia ist gestartet – Elon Musks Antwort auf die seiner Ansicht nach „politische und ideologische Voreingenommenheit“ von Wikipedia. Doch Grokipedia ist offensichtlich alles Mögliche – nur nicht unvoreingenommen.


Angela Göpfert

Es war ein holpriger Start: Die neue Online-Enzyklopädie „Grokipedia“ funktionierte bereits eine Stunde nach ihrer Inbetriebnahme nicht mehr. Mittlerweile wurde sie zwar wieder in Betrieb genommen. Doch die Kritik an Elon Musks Konkurrenzangebot zu Wikipedia will nicht verstummen – und dabei geht es um weit mehr als technische Probleme.

So sieht die Eingabemaske bei Grokipedia aus.

Von „linksradikalen Aktivisten kontrolliert“?

Musk hatte das Enzyklopädie-Projekt erstmals am 29. September auf seiner Social-Media-Plattform X angekündigt: Grokipedia stelle „eine massive Verbesserung gegenüber Wikipedia“ dar. Twitterte Musk noch 2017 „Ich liebe Wikipedia“, so hat sich seine Einschätzung seither radikal geändert.

Nach heutiger Ansicht des Tech-Milliardärs ist Wikipedia „politisch und ideologisch voreingenommen“. Die von ihm als „Wokepedia“ titulierte Online-Enzyklopädie werde „von linksradikalen Aktivisten kontrolliert“.

Wikipedia lässt Kontroversen zu

Doch ist Wikipedia wirklich voreingenommen? Diese Frage wird seit der Gründung der Online-Enzyklopädie 2001 diskutiert. Die Inhalte von Wikipedia werden von Freiwilligen verfasst und gepflegt. Diese dürfen nur Material zitieren, das bereits in anderen veröffentlichten Quellen vorhanden ist.

Insofern spiegeln Wikipedia-Artikel unweigerlich die Informationen und Einschätzungen der Medien, der Wissenschaft und anderer Institutionen wider, auf die sie sich stützen. Allerdings gehört Neutralität zu den vier „Grundprinzipien“ von Wikipedia. Artikel liefern daher oft mehrere Perspektiven und dokumentieren Meinungsverschiedenheiten, umstrittene Behauptungen werden mit Warnhinweisen gekennzeichnet.

Auch Grokipedia zapft die Freiwilligen an

Die große Ironie bei Musks Wikipedia-Kritik ist nun, dass Grokipedia just auf der Arbeit jener Wikipedia-Freiwilligen fußt, die Musk so scharf kritisiert. Denn jede größere KI wird mit Daten von Wikipedia trainiert – auch Musks xAI und sein Chatbot Grok, welche die Inhalte auf Grokipedia erzeugen.

Kein Wunder also, dass einigen Nutzern bereits aufgefallen ist, dass einige Texte bei Grokipedia direkt auf Artikeln bei Wikipedia basieren. So verwies das Technologie-Blog „The Verge“ auf den Grokipedia-Beitrag zu Apples Macbook Air, unter dem steht, dass er von Wikipedia „adaptiert“ worden sei.

KI erzeugt „Konsensillusion“

Wenn Wikipedia tatsächlich die Voreingenommenheit ihrer menschlichen Redakteure und ihrer Quellen widerspiegelt, dann haben Enzyklopädien wie Grokipedia, die auf KI basieren, ein mindestens genauso großes Problem mit der Voreingenommenheit ihrer Daten.

Schlimmer noch: Forscher machten eine „Konsensillusion“ bei großen Sprachmodellen (LLMs) aus. Schließlich werden diese darauf trainiert, das statistisch wahrscheinlichste nächste Wort zu erzeugen – unterschiedliche Meinungen fallen dabei oft hinten runter, Kontroversen werden geglättet, Mehrheitsmeinungen gegenüber Minderheitsmeinungen bevorzugt. Studien haben zudem gezeigt, dass LLMs bestehende geschlechtsspezifische, politische und rassistische Vorurteile reproduzieren, die in ihren Trainingsdaten gefunden wurden.

Einträge zum Geschlecht

Kritiker warnen daher, dass Grokipedia Desinformation verbreiten und anfällig sein könnte für jene Art von schwerwiegenden Fehlern, die Grok bereits widerfahren sind. So startete Musks Chatbot Anfang des Jahres damit, als Antwort auf unabhängige Fragen eine Verschwörungserzählung über den angeblichen „weißen Genozid“ in Südafrika zu verbreiten. Zudem lobte Grok Adolf Hitler als Lösung gegen „Anti-White Hate“ und bezeichnete sich selbst als „MechaHitler“.

Einige Artikel auf Grokipedia scheinen denn auch „eher rechtsgerichtet“ formuliert, wie nicht nur die Washington Post und Wired bemerken. Die beiden US-Medien verweisen auf die Grokipedia-Einträge zum Thema Geschlecht, welche die „binäre Klassifizierung von Menschen als männlich oder weiblich basierend auf dem biologischen Geschlecht“ herausstreichen.

Darstellung des Sturms auf das Kapitol

Vielsagend ist aber auch ein Blick auf den Eintrag zum Sturm auf das Kapitol. Dazu heißt es auf Grokipedia:

Der Angriff auf das Kapitol der Vereinigten Staaten am 6. Januar 2021 war ein Aufstand, bei dem Anhänger von Präsident Donald Trump, die gegen die Bestätigung von Joe Bidens Wahlsieg im Jahr 2020 protestierten, inmitten weit verbreiteter Vorwürfe von Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe, Sicherheitsbarrieren durchbrachen und während einer gemeinsamen Sitzung des Kongresses das Kapitolgebäude betraten, wodurch die Sitzung vorübergehend unterbrochen und die Evakuierung der Abgeordneten veranlasst wurde.

Ganz anders liest sich das bei Wikipedia:

Der Sturm auf das Kapitol in Washington, D.C. am 6. Januar 2021 war ein Angriff von Anhängern des damals abgewählten, aber noch amtierenden US-Präsidenten Donald Trump auf den Kongress der Vereinigten Staaten. Der in der US-Geschichte einzigartige Vorgang wird von Strafverfolgungsbehörden wie dem FBI als inländischer Terrorismus und von vielen politischen Beobachtern als Teil eines versuchten Staatsstreichs Trumps gewertet.

KI „nicht gut genug, um Enzyklopädie-Artikel zu schreiben“?

In einem Interview mit der Washington Post in der vergangenen Woche sagte Wikipedia-Mitbegründer Jimmy Wales, er sei gespannt auf den Start von Grokipedia – habe aber keine großen Erwartungen. KI-Sprachmodelle seien „nicht gut genug, um Enzyklopädie-Artikel zu schreiben“, sagte Wales. „Es wird viele Fehler geben.“

In einem Interview mit der New York Times gab sich Wales selbstbewusst und erklärte mit Blick auf die wiederholten Anfeindungen Musks gegenüber Wikipedia: „Wir werden in 100 Jahren noch hier sein – und er nicht.“