In der Landeshauptstadt gibt es Flächen, die schreien geradezu nach einer Wohnbebauung. Eine davon liegt in Bad Cannstatt an der Ecke Hofener Straße/Zuckerleweg am Fuß der Weinberge. Eine idyllische Lage, zumal der Neckar ganz in der Nähe fließt. Doch seit mehr als 20 Jahren beißt sich die Stadt an der gewünschten Wohnbebauung auf dem ehemaligen Bettfedernfabrik-Gelände die Zähne aus. Wobei es nicht hilfreich war, dass die Eigentümer sich dort die Klinke in die Hand gaben und Feuerwehr und Polizei eine Zeit lang Stammgäste waren.

Das Thema Wohnungsbau auf dem Areal der einstigen Cannstatter Bettfedernfabrik, die sich dort vor fast 130 Jahren angesiedelt hatte, beschäftigt die Stadtplaner schon lang. Denn das Unternehmen, das im Zweiten Weltkrieg zerstört und anschließend vom damaligen Besitzer F. F. Hanauer wieder aufgebaut wurde, verkaufte Anfang der 1990er-Jahre einen kleinen Teil des Firmengeländes. Binnen weniger Jahre entstanden gut 50 Wohnungen von privater Hand. Vier Millionen Mark kostete das Projekt, das eine Tiefgarage und sogar einen Kinderspielplatz enthielt.

Schöne Lage zwischen Weinbergen und Neckar. Seit Längerem machen sich auf dem Gelände Pflanzen breit. Foto: Uli Nagel

Im Jahr 2002 war schließlich „Zapfenstreich“ für die ruhmreiche Bettfedernfabrik und bei der Stadtverwaltung rieb man sich die Hände. Denn die rund 10 000 Quadratmeter große Fläche war für den Wohnungsbau bestens geeignet. Leider reiben sich die Stadtplaner bis heute die Hände, denn seitdem hat sich auf dem städtebaulichen Filetstück – von dem Gebäudeabbruch vor drei Jahren einmal abgesehen – nichts getan.

Auch Neuapostolen hatten Interesse an Bettfedernfabrik

Gründe dafür gibt es viele. Das größte Übel war in den ersten Jahren eine Erbengemeinschaft, die sich nicht grün war und folgerichtig auch nicht einig darüber wurde, wie mit dem Gelände verfahren werden sollte. Dabei gab es zunächst reichlich Interessenten. Darunter auch die Neuapostolische Kirche – warum auch immer. Doch der Bezirksbeirat war damals einstimmig für Wohnungsbau und lehnte eine kirchliche Nutzung ab.

2008 tauchten die Stadtplaner erneut im Bürgergremium auf und stellten ein neuartiges, für Stuttgart außergewöhnliches Vorgehen vor: das sogenannte kooperative Verfahren. Zusammen mit der Erbengemeinschaft, die die Kosten tragen wollte, sollte ein Baukonzept entwickelt werden. In den Prozess sollten Ingenieurbüros, Architekten und die Kommunalpolitik involviert werden. Die einzigen Vorgaben dabei: Eine gewisse Wohndichte und -größe, eine Geschossbauweise sowie eine Kindertagesstätte sollten vorhanden sein.

Wohnbebauung scheiterte mehrmals

Die Kommunalpolitiker zeigten sich angetan und die Stadt optimistisch. Zumal die Erbengemeinschaft auch noch einen Architektenwettbewerb finanziert hatte. Der Sieger, die Ackermann + Raff, konnte einen attraktiven Entwurf präsentieren: Insgesamt fast 100 Wohneinheiten, darunter Stadtvillen und Penthousewohnungen, sowie einen Quartiers- und Spielplatz, eine Kita, Tiefgaragen und ein eigenes Blockheizkraftwerk versprachen viel Lebensqualität und energetisch modernes Bauen. Doch die Realisierung scheiterte damals genauso krachend, wie alle weiteren Versuche unter verschiedenen Eigentümern in den folgenden Jahren.

Im Oktober 2022 wurde der Gebäudekomplex in Bad Cannstatt abgerissen. Foto: Sebastian Steegmüller

Zuletzt befand sich das Areal im Besitz der Isaria Projektentwicklung, doch nachdem sich deren Pläne für die Bettfedernfabrik – offenbar mangels Wirtschaftlichkeit – ebenfalls nicht realisieren ließen, gibt es mittlerweile mit BUWOG Immobilien Deutschland schon den nächsten Eigentümer. Dabei handelt es sich um eine Tochtergesellschaft von Vonovia, die als deren Bauträger fungiert.

Doch nicht nur die ständigen Eigentümerwechsel waren ein Bremsklotz für eine städtebauliche Entwicklung. Auf anderem Terrain sorgte die Bettfedernfabrik ebenfalls für negative Schlagzeilen. So war in den Jahren 2019 und 2020 die Feuerwehr quasi Stammgast auf dem Gelände und musste mehrfach Brände löschen. Da ließ sich die Polizei nicht lange Bitten und tauchte ebenfalls in schöner Regelmäßigkeit in der Hofener Straße auf, da Anwohner aus dem angrenzendem Zuckerleweg sich über nächtlichen Lärm beschwert hatten.

Aktivisten besetzten Bettfedernfabrik

Jugendliche, die grölend auf den Dächern herumkletterten oder auf dem Gelände Partys feierten, sorgten für Unmut. Auch die vielen Wohnsitzlosen, die in den leer stehenden Gebäuden hausten, waren keine gern gesehenen Nachbarn. Negativer Höhepunkt: Im Juli 2020 wurden die Gebäude der Bettfedernfabrik von Aktivisten besetzt. Sie forderten, aus dem baufälligen Gemäuer ein alternatives Kulturzentrum zu machen. Erst ein Großaufgebot der Polizei sorgte wieder für den Dorffrieden am Zuckerleweg.

Wieder ein neuer Besitzer des Areals in Stuttgart-Bad Cannstatt

Der Eigentümer Isaria bereitete im Oktober 2022 dem Spuk ein Ende und ließ die Gebäude abreißen. Doch getan hat sich seitdem trotzdem nichts, obwohl der Gemeinderat für den neuen Bebauungsplan bereits 2021 grünes Licht gegeben hat.

Mit BUWOG als neuem Eigentümer darf die Stadt wieder optimistisch sein, dass nach mehr als 20 Jahren auf dem Areal der ehemaligen Bettfedernfabrik endlich die Bagger auffahren. Auf der Homepage der Vonovia-Tochter macht die Projektbeschreibung unter dem Arbeitstitel „Zuckerle-Quartier“ jedenfalls Hoffnung, dass fast 120 Wohnungen in bester Lage bald Realität werden könnten.