Berliner Pfarrerssohn geht zum Kunst-Studium nach Dresden

Der heute 75jährige beginnt schon als Kind, Selbstporträts zu malen. Christoph Wetzel wächst mit zwei Geschwistern in einem Berliner Pfarrhaushalt auf. Der Vater rät ihm ab, eher brotlose Kunst zu studieren. Auch die Mutter versucht, ihn davon abzubringen. Er hält sich nicht dran.

Mit Anfang 20 bewirbt er sich an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden und wird zum Studium der Malerei angenommen: „Das war natürlich das Größte. Aber später habe ich gemerkt, was alles so bröckelt und dass die Professoren mir leider nichts vormachen konnten, nicht sagten: „Geben Sie mal den Pinsel her, ich zeige Ihnen, wie man das macht.‘ Nichts! Meine eigentlichen Lehrer sind alle tot, sie sind alle da drüben – in der Gemäldegalerie Alte Meister. Dort war meine eigentliche Akademie.“

Die Gemäldegalerie Alte Meister, das war meine eigentliche Akademie.

Christoph Wetzel, Maler

„Ich bin ein Menschenmaler“

Malen lernen durch genaues Studieren der alten Vorbilder. Viele Gemälde, die derzeit in der Meißner Albrechtsburg zu sehen sind, sind so entstanden. Aus Anlass seines 75. Geburtstages sind in der Retrospektive mehr als 60 Gemälde, 25 Zeichnungen und mehrere Skulpturen unter dem Titel „Passion Mensch“ vereint. 

Fast eintausend Porträts brachte Christoph Wetzel bereits auf die Leinwand. Für manche Bilder benötigt er Jahre, andere malt er an einem Tag. So wie das des kleinen syrischen Jungen Alan Kurdi, der auf der Flucht übers Mittelmeer ertrank. Das Foto, das 2015 um die Welt ging, erschütterte auch Christoph Wetzel: „Es gibt so viele Entrechte, so viel Sprachlosigkeit, und ich finde, dieses Einmischen ist eine Gewissensfrage.“

Retrospektive zum 75. Geburtstag in der Albrechtsburg Meißen

Oft wählt Wetzel auch Motive des christlichen Glaubens. Gemeinsam mit seinem Freund und Kurator Uwe Michel wählte er die Bilder für die Meißner Ausstellung aus. Michel bewundert ihn für seine Fähigkeit, so tief ins Innere eines Menschen vorzudringen, sein Einfühlungsvermögen. Wetzel sagt lakonisch, er sei ein „Menschenmaler“, was ihm einiges abverlangt. Das Gemälde seines schlafenden Vaters entstand an dessen Sterbebett: „Was von einem Menschenleben übrig bleibt …“, sagt der Maler, als er vor dem bewegenden Bild steht, das ebenfalls in der Albrechtsburg zu sehen ist.

Wetzels Passion

Tod und Schuld – um damit umgehen zu können, malt Christoph Wetzel. Die Kraft dazu schöpft er auch aus seinem Glauben.

Es ist wohl seine Art zu beten und Gott anzurufen: Meine Botschaft – mit Bildern, die etwas mit dem Glauben oder mit Jesus Christus zu tun haben – ich will, dass er auf meine Sünden schaut, denn deswegen ist er ja am Kreuz gestorben. Dieses Gefühl, dass ich eben wirklich den Gekreuzigten so gemalt habe, dass es weh tut, dass noch die Dornen von der Geißelung in der Haut stecken, das ist schon sehr heftig zu verkraften“, gibt er zu.

Als Sohn eines Pfarrers in Berlin geboren, hat er die christliche Botschaft tief verinnerlicht. In der Dresdner Kunsttradition tief verwurzelt, versucht er sein Gegenüber auch psychologisch zu erfassen. Das, was Wetzel aus Gesprächen über den Porträtierten erfährt, fließt ins Gemälde ein. Sein Stil wirkt altmeisterlich und hochexpressiv zugleich. Wetzel studierte von 1967 bis 1973 an der Hochschule für Bildende Künste Dresden bei Gerhard Kettner und Fritz Eisel. Er schloss das Studium mit einem Diplom als Wand- und Tafelmaler ab. Von 1973 bis 1974 absolvierte er eine Restauratorenausbildung an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Seit 1977 ist Wetzel freischaffend tätig. Von 1982 bis 1986 lehrte Wetzel an der Zeichenschule der Porzellan-Manufaktur Meissen. Dort entstanden auch plastische Arbeiten. Seit 2014 lebt und arbeitet er in Berlin.

Reportage aus dem Jahr 2023