Hinterher glichen sich die Bilder und Eindrücke. Wieder standen die Spieler hilflos vor ihren Fans, ohne ihnen jene Erklärung liefern zu können, nach der gerade alle beim FC Augsburg suchen. Wieder bemühte sich ihr Trainer Sandro Wagner, das Reizklima zu beruhigen. Und wieder saß mit ihm ein Kollege auf dem Podium und sorgte für den größtmöglichen Kontrast, indem er von der positiven Entwicklung seiner neuen Mannschaft schwärmte. Von einer „Siegermentalität“, einem „fighting spirit“ und „neuen Ansatz“, der Zeit brauche, sprach Bochums erst seit Kurzem amtierender Trainer Uwe Rösler. Aber wie mutig seine Elf aufgetreten sei, „also Hut ab, ich war begeistert“, sagte er vergnügt. Wagner lauschte, sein Blick ging ins Leere.
Das Publikum hätte sich am Dienstagabend fast in einer Zeitschleife wähnen können, so vertraut wirkte die Gemengelage in ihren Grundzügen. Am vergangenen Samstag hatten sich ähnliche Szenen zugetragen, als der FC Augsburg 0:6 gegen RB Leipzig verloren und damit die höchste Niederlage in seinen 15 Jahren in der Bundesliga bezogen hatte. Nun beklagten sie beim FCA zwar nur ein 0:1 (0:1) gegen den VfL Bochum. Doch weil es sich bei den Gästen um den Vorletzten der zweiten Liga handelt und mit der Niederlage das Aus in der zweiten Pokalrunde verbunden war, entfaltete das Resultat eine ähnliche Wucht wie das Debakel drei Tage zuvor. Wagner rang nach Erklärungen und Zuversicht, er sprach von einer „Riesenenttäuschung“ und sagte: „Die letzten zwei Spiele waren natürlich ergebnistechnisch scheiße.“
MeinungFC Augsburg
:Sandro Wagner sendet ein paar Ich-Botschaften zu vielSZ PlusKommentar von Thomas Hürner
Verstärkend wirkte, dass sich die Augsburger diese Niederlage verdientermaßen eingehandelt hatten. Nur selten waren sie gefährlich geworden. Die größte Ausnahme bildete jene Doppelchance, bei der Marius Wolf und Ismaël Gharbi binnen Sekunden zweimal die Latte trafen. Eine knappe Viertelstunde später lag der Ball im Augsburger Tor, nachdem Bochums Gerrit Holtmann einen Konter erfolgreich abgeschlossen hatte (39.).
Nach dem Rückstand trat die allgemeine Verunsicherung der Augsburger noch deutlicher zutage. Vom erwünschten aktiven Ansatz blieb nur das Bemühen, an der zielgerichteten Umsetzung aber haperte es erneut erheblich. Kaum ein Angriff wurde gefährlich, obwohl Wagner statt flinken Offensivspielern diesmal zunächst Phillip Tietz und später Samuel Essende als wuchtige Stoßstürmer aufgeboten hatte. Doch auch die neue Formation mit einem echten Neuner ließ klare Abläufe ebenso vermissen wie kreative Momente. Geblieben aber war die Anfälligkeit für Konter. Gleich zweimal verpasste der VfL das 0:2, als zunächst Michael Obafemi und wenig später Moritz Kwarteng frei auf Augsburgs Torwart Nediljko Labrovic zuliefen, diesen aber nicht überwanden. Die eigene Mannschaft habe eindeutig „zu wenig Torchancen“ herausgespielt, bilanzierte Augsburgs Sportdirektor Benjamin Weber. Ob sich ein Offensivproblem identifizieren lasse? „Ja“, antwortete Weber so knapp wie klar.
In Augsburg entsteht gerade eine öffentliche Debatte – und die hat auch mit Sandro Wagner zu tun
Es etabliert sich in Augsburg gerade eine Krisenstimmung, in der sich zumindest die öffentliche Debatte um Trainer Wagner verschärft. Nur sieben Punkte aus acht Spielen hat der FCA in der Bundesliga geholt und dabei 20 Gegentore kassiert, die meisten in der Liga. Nach dem Pokal-Aus werden die Fragen in Augsburg grundsätzlicher. Weber sollte beispielsweise beantworten, ob er ein Alibi für die Spieler befürchte, weil sich seit Wagners Amtsantritt im Sommer so ziemlich alles auf den polarisierenden Trainer fokussiere?
Oder müsse man Grundlegendes ändern, brauche man eine andere Taktik? Und gebe es einen Notfallplan, falls es auch in den Bundesligaspielen am Freitag gegen Borussia Dortmund und am Sonntag in einer Woche beim VfB Stuttgart ähnlich enttäuschend weitergehen sollte? Weber versuchte, die Fragen so gut es geht abzufedern. Doch auch er kam nicht um Krisenrhetorik herum. „Wir brauchen jetzt unbedingt eine geschlossene Elf, wir brauchen Spieler mit Form, kleine Schritte, um wieder dahin zu kommen, was wir uns gegen Wolfsburg und Köln hart erarbeitet haben“, sagte er. Gemeint waren die letzten Erfolgserlebnisse, das 3:1 gegen Wolfsburg und 1:1 in Köln. Und der Notfallplan? „Notfallplan finde ich schwierig, weil das Spiel am Freitag so viel schon wieder verändern kann“, sagte Weber. Ein Notfallplan sei nicht nötig, „aber einen Plan für Dortmund, den sollten wir haben“.
Es ist für die Augsburger eine heikle Situation, weil sie sich nach Jahren des grauen, aber stabilen Daseins im unteren Mittelfeld nach der vergangenen Saison von Trainer Jess Thorup getrennt und auf Wagner gesetzt hatten. Und das, obwohl der 37-Jährige nur über Cheftrainer-Erfahrung aus zwei Jahren beim Regionalligisten SpVgg Unterhaching verfügte. Auch Sportdirektor Marinko Jurendic musste gehen, für ihn kam Weber vom SC Paderborn. Geschäftsführer Michael Ströll hatte diese Signale des Aufbruchs gesetzt und zudem das mittelfristige Ziel formuliert, sich weiter oben in der Bundesliga zu etablieren und bestenfalls mal wieder international zu spielen. Gerade aber müssen sie vor den Spielen gegen Dortmund und in Stuttgart eher befürchten, von Tabellenplatz 15 aus in die Abstiegszone abzurutschen.
