Die Karlsruher Doom-Metal-Band Coltaine kommt nach Neunkirchen. Auf ihrem neuen Album finden sich aber sphärische Klänge. Das erklärt Gitarrist Moritz Berg.

Gratulation zum neuen Album. Wie würden Sie es beschreiben?
Vielen Dank zunächst für das Interesse an unserer Musik. „Brandung“ ist rau, wild und erbarmungslos wie das Meer. In der Tiefe gibt es Ruhe, aber auch Dunkelheit.

Worin unterscheidet es sich dabei vom Vorgänger „Forgotten Ways“?
Bei „Brandung“ sind wir sehr gezielt vorgegangen. Wir haben uns zu festen Songwriting-Sessions getroffen, mit einer klaren Liste an Ideen gearbeitet und schon nach wenigen Terminen standen die Grundstrukturen aller Songs. Im Studio blieb trotzdem Raum für den finalen Schliff. Musikalisch knüpft das Album an „Forgotten Ways“ an und geht dabei einen Schritt weiter. Atmosphärische Stücke, die früher eher Zwischenmomente waren, haben wir diesmal als vollwertige Songs verstanden. Zusammen mit der frühen Inspiration durch das Cover-Artwork ist so ein fokussiertes und dynamisches Album entstanden, das für uns eine deutliche Weiterentwicklung unseres Sounds darstellt.

Welches Konzept steht hinter dem neuen Album?
Das zentrale Bild unseres Albums ist Wasser in seinen verschiedenen Formen. Es reicht vom schmelzenden Eis über weite, offene Wasserflächen bis hin zu rauer Meeresoberfläche, Brandung, tiefseeartiger Dunkelheit und innerer Stille, je tiefer man in sich hineinsinkt. Bei zwei Songs in der zweiten Hälfte von „Brandung“ verändert sich die Bildsprache, wodurch eine direkte Verbindung zu unserem ersten Album „Forgotten Ways“ entsteht, die sich später wieder zurückführt. Wir haben das Album nach unserer Iberia-Tour aufgenommen, die Küste Spaniens hat die Stimmung geprägt.

Ihre Musik wird immer wieder als Doom-Metal bezeichnet. Was verstehen Sie unter diesem Begriff?
Ich verstehe unter Doom-Metal schwere, düstere Atmosphäre, langsame, drückende Riffs und eine gewisse Schwere in der Stimmung. Für uns ist das aber nur ein kleiner Teil dessen, was Coltaine ausmacht. Wir schreiben Musik, die sich organisch entwickelt, und dabei fließen verschiedene Einflüsse ein. Es geht uns nicht darum, einem Genre zu entsprechen, sondern eher darum, die Stimmung und Intensität zu erzeugen, die aus uns herauskommt.

Coltaine ist eine Roman-Figur von Steven Erikson. Sie steht für Opferbereitschaft und Pflichtgefühl. Wie sind Sie auf diesen Namen gekommen und welche Bedeutung hat er für Sie?
Wenn wir neue Musik schreiben, haben wir beim gemeinsamen Jammen oft Bilder vor Augen. Wir tauschen uns darüber aus, was wir beim Spielen sehen. Das hilft, die Musik greifbarer zu machen, und es ist ein tolles Gefühl, wenn jeder seine eigenen Emotionen in ein Stück einbringen kann. Bei einem unserer ersten Jams, damals hatten wir noch gar keinen Bandnamen, entstand das Bild einer kargen Wüstenlandschaft, die von Menschen unter großen Strapazen durchquert wird. Diese Assoziation habe ich sofort mit Coltaine verbunden, der im zweiten Band „Deadhouse Gates“ eine riesige Flüchtlingskolonne durch die Wüste führt. Aus diesem Jam ist der Song „Above the Burning Sand“ entstanden, der auf dem neuen Album zu hören ist. „Malazan Book of the Fallen“ von Steven Erikson ist eine der herausragenden Romanreihen überhaupt: komplex, tiefgründig und fernab gewohnter Pfade. Wer sich für ungewöhnliche Literatur begeistert, dem sei diese Reihe wärmstens empfohlen.

Ist es schwer gefallen, sich im Studio von einem Song zu trennen und zu sagen „so kommt er auf das Album“?
Wir nehmen die Instrumente live auf, meistens reichen wenige Takes, und der beste wird verwendet, genauso beim Gesang. So haben wir schon einige Alben unserer vorherigen Bands aufgenommen und sind darin recht routiniert. Für uns fängt die Live-Aufnahme die Energie und das Gefühl der Band am besten ein. Natürlich gibt es manchmal Zeitdruck, aber oft ist ein Song einfach so, wie er ist, und genau darin liegt dann auch ein Teil seines Charakters.

Warum spielen Sie einen Mix aus deutschen und englischen Titeln?
Wir verwenden deutsche Titel, wenn bestimmte Begriffe oder Stimmungen sich am besten auf Deutsch ausdrücken lassen, wie „Brandung“. Solche Worte transportieren eine Atmosphäre, die sich nicht eins zu eins ins Englische übersetzen lässt.

Die Vorgängerband war Witchfucker. Deren Alben haben Sie einige Zeit lang unter dem Namen Coltaine vertrieben. Wie kam es dazu und warum haben Sie das dann wieder geändert?
Wir dachten anfangs, es wäre ein guter Schritt, fühlten uns damit aber nicht wohl und haben es rückgängig gemacht. Witchfucker war die Band, die mein Bruder Moritz und ich gegründet hatten. Jules kam auf dem Album Afterhour in Walhalla dazu. Mit Amin haben wir 2022 Coltaine als völlig neue Band begonnen.

Können Sie von der Musik leben, oder haben Sie noch andere Jobs oder musikalische Projekte?
Für uns steht die Musik und Coltaine an erster Stelle. Jeder von uns hat flexible Jobs, die es uns ermöglichen, viel auf Tour zu gehen. Moritz spielt außerdem bei The Fumers, Amin bei Crestfallen Queen.

Sie gehen schon vor der Veröffentlichung des neuen Albums auf Tour. Können Sie es nicht erwarten?
Wir freuen uns unglaublich darauf, die neuen Songs live zu spielen. Für uns sind Konzerte immer die ehrlichste Art, Musik zu erleben.

Zur Band

Die Karlsruher Coltaine gibt es erst seit drei Jahren und doch schon so viel länger: Denn von 2014 bis 2022 veröffentlichten drei ihrer Mitglieder als Witchfucker mehrere Alben.

Termin

Beim 8. Gloomar Festival am Sonntag, 15. November, in der Neunkircher Gebläsehalle, das um 14.30 Uhr beginnt, tritt Coltaine als letzte der sieben Gruppen als Late-Night-Act auf. Karten: ticket-regional.de