 Das Open Piano am Charlottenplatz – Abdul Rahman al Ali hat sich hier das Klavierspielen beigebracht. Auch sonst wird das Instrument intensiv bespielt. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski
																								Das Open Piano am Charlottenplatz – Abdul Rahman al Ali hat sich hier das Klavierspielen beigebracht. Auch sonst wird das Instrument intensiv bespielt. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski			
Seit zwei Jahren kann an der Haltestelle Charlottenplatz nach Herzenslust geklimpert werden: das Open Piano macht’s möglich. Wie’s weitergeht, ist offen: Die Stadt muss sparen.
Es ist nur eine Fußnote im Stuttgarter Doppelhaushalt 2026/27, der zurzeit beraten wird, doch sie findet Aufmerksamkeit: Es geht um das Open Piano an der Stadtbahnhaltestelle Charlottenplatz, eine kostenlose Möglichkeit, Klavier zu spielen, begleitet vom Quietschen der ein- und ausfahrenden Stadtbahnen und dem Klappern der Absätze der rund 21.000 Bahngäste, die hier täglich ein- und aussteigen. Im August 2023 wurde es aufgestellt und ein Jahr später durch ein robusteres Instrument ersetzt. Jede und jeder ist eingeladen, darauf zu spielen oder zu klimpern.
Die Idee dazu hatten die kulturpolitische Sprecherin der Fraktion Linke/SÖS-plus, Guntrun Müller-Enßlin, und die Leiterin der Jugendkunstschule Menja Stevenson. Die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) gaben ihr Einverständnis, und auch das benachbarte Stadtpalais, wo ein weiteres Klavier steht, zog freudig mit. Inzwischen ist es eine Art musikalischer Magnet in der City.
So mancher hat sein Talent auf dem Open Piano in der Stadtbahnhaltestelle entdeckt
Müller-Enßlin spricht von einer „Erfolgsgeschichte“, die auch ein Vandalismus-Vorfall gleich zu Beginn nicht trübt. Das gebraucht erworbene und von einem Klavierstimmer gepflegte Piano werde fortwährend bespielt, betont sie. „Dabei wurde so manches Talent entdeckt.“ Bekanntestes Beispiel ist Abdul Rahman al Ali, ein Geflüchteter, der sich das Klavierspielen dort selbst beigebracht hat und inzwischen kleinere Konzerte gibt. Oder die Band Tripkid, deren Open-Piano-Auftritt jüngst rund 200 Zuhörer begeisterte. Das zeige, dass das Klavier „zu einer positiven Atmosphäre am Charlottenplatz beiträgt und dort nicht mehr wegzudenken ist“, meint die Stadträtin.
Auch die Stadt hat einen Beitrag zu dieser Erfolgsgeschichte geleistet. Im Doppelhaushalt 2024/25 steuerte sie pro Jahr 8000 Euro bei. Im neuen Doppelhaushalt ist dafür kein Geld mehr vorgesehen. Ganz ohne geht es nicht, meint Müller-Enßlin. Nach eineinhalb Jahren Dauerbeanspruchung müsse das Instrument demnächst ausgetauscht werden. Sie rechnet vor: „Ein robustes gebrauchtes Klavier, das den Ansprüchen am Charlottenplatz genügt und dann wieder zwei Jahre durchhält, kostet zwischen 4000 und 5000 Euro. Außerdem müsse es regelmäßig gewartet und der Platz um das Klavier herum saubergehalten werden.
Findet sich ein Spender für ein neues Klavier am Charlottenplatz in Stuttgart?
Ihre Fraktion wirbt in einem Antrag dafür, die Förderung fortzusetzen und in den nächsten beiden Haushaltsjahren jeweils 6000 Euro bereitzustellen. Trotz Sparmaßnahmen gelte es, „das niederschwellige inklusive Kulturprojekt, das so viel Freude schenkt, weiterhin zu fördern“. Die dafür notwendigen Mittel bewegten sich unterhalb der Bagatellbetragsgrenze. Die Alternative wäre, dass sich ein Spender findet, der ein Instrument bereit stellt. Müller-Enßlin ist skeptisch, dass das gelingen wird. Fragen der Wartung und der Platzreinigung stellten sich trotzdem: „Ich glaube nicht, dass das jemand ehrenamtlich macht.“
