Einen Tag nach dem groß angelegten Polizeieinsatz gegen Drogenkriminalität in Rio de Janeiro ist die Zahl der Toten auf 132 gestiegen. Anwohnerinnen und Anwohner der Favelas Alemão und Penha, in denen es am Dienstag zu stundenlangen Feuergefechten der Polizei mit Mitgliedern der Bande Comando Vermelho (Rotes Kommando) gekommen war, entdeckten mindestens 70 weitere Leichen in einem nahegelegenen Waldstück. Das teilte die unabhängige Ombudsstelle des Bundesstaats Rio de Janeiro mit.
Die Regierung des Bundesstaats Rio de Janeiro bestätigte zuvor zunächst 64 Tote, darunter vier Polizisten,
korrigierte die Zahl dann aber ohne Angabe von Gründen auf 58.
Allerdings bargen die Bewohner der Favela Penha am Mittwoch Dutzende
Leichen aus den umliegenden Brachflächen und Waldgebieten und legten
sie auf der Hauptstraße des Viertels ab.
Auf die entdeckten Leichen angesprochen, sprach Rios
Gouverneur Cláudio Castro trotz der offensichtlichen Gewalt
von einer erfolgreichen Polizeiaktion. „Wir stehen zu allem, was wir gestern getan haben“, sagte er und sprach den Angehörigen der vier bei dem Einsatz getöteten Polizisten sein Beileid aus. Zudem sei er sicher, dass die in dem Wald Getöteten Bandenmitglieder gewesen seien. „Ich glaube nicht, dass an dem Tag des Konflikts irgendjemand im Wald spazieren gegangen wäre“, sagte er der Presse.
Menschenrechtsorganisationen fordern Untersuchung
Menschenrechtsorganisationen, darunter Amnesty International und Human Rights Watch, hatten bereits am Dienstag eine Untersuchung der Polizeiaktion gefordert und sprachen angesichts der hohen Toten- und Verletztenzahlen von einem „Massaker“ und einer „Katastrophe“. Auch das Menschenrechtskommissariat der Vereinten Nation forderte eine Untersuchung und mahnte die brasilianischen Behörden zu Einhaltung internationalen Rechts. Man sei entsetzt über die Geschehnisse, die den „Trend extrem tödlicher Einsätzen in den abgehängten Gemeinden Brasiliens“ fortsetzten, schrieben die UN auf X.
© Lea Dohle
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In Brasilien werden jährlich so viele Menschen durch Polizeikräfte getötet wie in kaum einem anderen Land der Welt. 2024 starben bei Einsätzen der Polizei 6.243 Menschen – das sind etwa 17 Menschen am Tag. In den USA töteten Polizisten im vergangenen Jahr im Vergleich 1.378 Menschen. Menschenrechtsorganisationen werfen der Polizei in Brasilien regelmäßig vor, bei ihren Einsätzen mit übertriebener Härte vorzugehen und wenig Rücksicht auf die Bewohner der Favelas zu nehmen.
Die Polizeiaktion vom Dienstag mit 2.500 Beamten war die tödlichste in der Geschichte des Bundesstaats Rio de Janeiro. Dabei wurden nach Behördenangaben 81 Verdächtige festgenommen sowie 90 Schnellfeuerwaffen und 200 Kilogramm Drogen beschlagnahmt.
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