Nach der Einnahme der Stadt Al-Faschir will der Anführer der RSF-Miliz im Sudan nach eigenen Worten, dass der Sudan „durch Frieden oder durch Krieg“ vereinigt wird. „Die Befreiung von Al-Faschir ist eine Gelegenheit für sudanesische Einheit und wir sagen: sudanesische Einheit durch Frieden oder durch Krieg“, sagte Mohamed Hamdan Daglo in einer Rede, die am Mittwoch im Onlinedienst Telegram veröffentlicht wurde.

Daglo sagte an die Einwohner von Al-Faschir gerichtet: „Wir bedauern die Katastrophe die euch widerfahren ist (…), aber der Krieg wurde uns aufgezwungen.“ Weiter sagte er: „Wir verlangen, dass alle, die Fehler begangen haben, zur Rechenschaft gezogen werden.“ „Untersuchungskommissionen“ seien vor Ort eingetroffen, näher ging er darauf jedoch nicht ein.

Grauenvolle Szenen in Al-Faschir

In Al-Faschir geht derweil in grausame Erfüllung, was Beobachter lange befürchtet hatten: Nachdem die Milizionäre der Rapid Support Forces (RSF) die Stadt nach 500 Tagen Belagerung erobert hatten, starben Zivilistinnen und Zivilisten zu Hunderten. Ein sudanesisches Ärztenetzwerk zählt bereits 1500 Tote. Sie seien beim Versuch aus der Stadt zu fliehen getötet worden.

Die Gruppe spricht von einem Genozid, den die Miliz an der nicht-arabischen Bevölkerung verübe – und der färbte den Boden offenbar blutrot. Satellitenbilder, die die Universität Yale veröffentlicht hat, zeigen rote Verfärbungen im Sand eines Viertels der Stadt. Das Massaker ist aus dem Weltall zu sehen.

Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) berichtet von willkürlicher Gewalt, Mord und Hinrichtungen an fliehenden Menschen. 300.000 Menschen sollen noch in Al-Faschir leben, ihre Situation dürfte sich in den nächsten Tagen massiv verschlechtern. Justin Lynch, Sudan-Forscher und Geschäftsführer der Conflict Insights Group, sagte dem US-Sender CNN, die Einnahme von Al-Faschir durch die RSF könnte der von Experten befürchtete Beginn eines Massakers an Zivilisten sein. 

Tom Fletcher, der Leiter des Nothilfebüros der Vereinten Nationen (Ocha), sagte CNN, die Eingeschlossenen seien ohne Nahrung und medizinische Versorgung. Er berichtete, dass die Fluchtwege aufgrund „intensiver Bombardierungen und Bodenangriffe“ blockiert seien. Auch Experten der Krisenbeobachtungsgruppe ACLED erklärten, es bestehe ein „hohes Risiko ethnisch motivierter Angriffe, insbesondere gegen nicht-arabische Gruppen“.

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Miliz richtet Massaker in Krankenhaus an

Selbst vor Krankenhäusern machten die Kämpfe keinen Halt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtet am Mittwoch von einer Attacke auf ein Hospital, bei dem alleine 460 Menschen getötet worden sein sollen. In den sozialen Netzwerken machen Videos die Runde, die das Töten zeigen. Bewaffnete steigen über Leichen, richten Verletzte ohne Zögern kaltblütig hin. Es sind unerträgliche, barbarische Szenen, teilweise auch von brutalster Folter.

Es habe sich um Patienten und Begleitpersonen im „Saudi Maternity Hospital“ gehandelt, teilte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus am Mittwoch in Genf mit. Der Angriff sei entsetzlich und zutiefst schockierend. Zuvor sei Gesundheitspersonal entführt worden. Nähere Angaben machte Tedros nicht.

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Vor diesem jüngsten Angriff habe die WHO in dem Konflikt im Sudan insgesamt 185 Angriffe auf Einrichtungen des Gesundheitswesens mit 1.204 Toten und 416 Verletzten erfasst. Allein in diesem Jahr hätten sich 49 dieser Angriffe mit 966 Toten ereignet. Alle Angriffe auf Einrichtungen des Gesundheitswesens müssten unverzüglich und bedingungslos eingestellt werden.

„Humanitäre Situation ist katastrophal“

Die Deutsche Welthungerhilfe warnt derweil vor weiterer Eskalation und noch mehr Leid. Die humanitäre Situation spitze sich dramatisch zu, teilte der Verein mit. Schätzungsweise 260.000 Menschen seien allein in den vergangenen Tagen vor den Gefechten geflohen. Sie suchten Schutz in den umliegenden Dörfern oder müssten ohne Hilfe ausharren. Und das mitten in einer der größten humanitären Krisen weltweit. Neun Millionen Menschen seien allein in Nord-Dafur auf Hilfe angewiesen.

„Unsere Teams berichten von einer starken Zunahme der Vertreibungen. Die meisten Familien erreichen Tawila völlig erschöpft, traumatisiert und ohne jegliche Habe“, sagte Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe. „Die humanitäre Situation ist katastrophal. Über 560.000 Menschen leben unter schlimmsten Bedingungen – ohne Nahrung, Wasser, Schutz und medizinische Versorgung – und benötigen schnelle Hilfe.“ Er forderte dringend eine Aufstockung der finanziellen Unterstützung für die Menschen um Sudan.

RSF-Kämpfer feiern die Eroberung von Al-Faschir.

RSF-Kämpfer feiern die Eroberung von Al-Faschir.
© AFP | –

Westliche Regierungen unternehmen bislang nichts

Experten kritisieren, dass westliche Regierungen bislang nur Appelle an die Miliz richteten und keine Sanktionen gegen sie unterstützende Staaten verhängten. „Es ist ein weiterer Freibrief an die RSF, an ihre Unterstützer in den Vereinigten Arabischen Emiraten, dass sie solche Massenhinrichtungen und ethnische Säuberungen durchführen können, ohne mit internationalen Maßnahmen rechnen zu müssen“, sagte Annette Hoffmann von der Denkfabrik Clingendael Institut im ZDF. 

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Sudan: Wer profitiert vom Krieg? Gold, Macht – und Hilfe

Im Krisenmodus

Die VAE weisen eine Einmischung in den Konflikt zurück. Das „Wall Street Journal“ berichtete allerdings unter Berufung auf US-Geheimdienste, die VAE hätten in diesem Jahr zunehmend Waffen an die RSF geliefert, darunter moderne chinesische Drohnen, aber auch Maschinengewehre, Fahrzeuge, Artillerie, Mörser und Munition. Dies sei das jüngste Beispiel dafür, wie die Emirate ihre Macht ausspielten, um ihre Interessen durchzusetzen.

Die Konfliktforscherin Hager Ali kritisiert eine mangelnde Aufmerksamkeit für den Krieg im Sudan. Es werde eine Verschiebung der Prioritäten von Ländern wie Deutschland deutlich, sagte die Sudan-Expertin vom Giga-Institut für Global- und Regionalstudien dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Konflikt tangiere weder die nationale Sicherheit noch direkt die Migration – und Deutschland wende seinen Blick weg von Entwicklungshilfe hin zu eigenen Verteidigungsthemen. Zum Beispiel komme der Gedanke an eine militärische Intervention in dem nordostafrikanischen Land in der Debatte gar nicht vor.

Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion

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Zudem habe der Krieg im Sudan ein „Storytelling-Problem“, erklärte Ali. Es sei kein „Gut gegen Böse“, sondern der Krieg eines Militärs mit schwieriger Geschichte gegen einen Paramilitär mit problematischer Zukunft. Als der Krieg im April 2023 begann, habe es für die kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen der Armee und der paramilitärischen RSF-Miliz keine Begrifflichkeit gegeben, und bis heute falle internationalen Akteuren eine Einordnung schwer.

Im Sudan herrscht seit April 2023 ein blutiger Machtkampf zwischen De-facto-Machthaber Abdel-Fattah al-Burhan und seinem einstigen Stellvertreter Mohamed Hamdan Daglo, der die RSF kommandiert. Die Miliz ist aus arabischen Reitermilizen hervorgegangen, denen – damals gemeinsam mit der sudanesischen Armee – ein Genozid an der ethnisch-afrikanischen Bevölkerung in Darfur mit bis zu 300.000 Toten vorgeworfen wird.